Wenn der Link nicht mehr linkt ...

Debatte In der Debatte um das Leistungsschutzrecht herrscht Unklarheit über den wichtigsten Faktor im Internet
Gerade weil Google mächtiger ist, können die Verlage das Pokerspiel gar nicht gewinnen. Sie brauchen den Netz-Giganten mehr als umgekehrt
Gerade weil Google mächtiger ist, können die Verlage das Pokerspiel gar nicht gewinnen. Sie brauchen den Netz-Giganten mehr als umgekehrt

Foto: Peter Muhly / AFP / Getty Images

Suchmaschinen dürfen künftig nicht mehr „Zeitungstexte“ veröffentlichen, heißt es in der Diskussion zum Leistungsschutzrecht (LSR). Haben sie das je? Sind es nicht eher Links mit Textschnipseln, die Google News und andere Newsportale im Netz anbieten? Und was haben die Verlage eigentlich dagegen? Wollen nicht alle genau das: einen Link von Google?

Aber den Link verbietet das LSR ja auch nicht. Das Problem sind die Schnipsel und ihr Verhältnis zur Zitierfreiheit. Da bleibt das LSR vage. Die alte Regelung besagt, dass Zitate in bestimmter Länge erlaubt sind als Teil einer eigenen Auseinandersetzung mit dem zitierten Text. Genau das tun Suchmaschinen aber nicht. Sie kopieren nur Headline und Teaser eines Beitrages. Wer mehr wissen will, muss den Link klicken – dass er nicht immer will, ist das Problem.

Gegenspieler der Verlage ist weniger Google als die Kultur der doppelten Verkürzung. Man will in kürzester Zeit informiert werden durch immer kürzere Texte. Das untergräbt die Dreifaltigkeit des Links: Als Text trifft er eine sprachliche Aussage, als Markierung ist er Abgesandter eines anderen Texts und als aktiver Link auch Transportmittel. Wenn Leser meinen, durch Headline und Teaser genug zu wissen, entfällt Funktion drei.

Im Grunde sind die Verlage Opfer ihrer Strategie, Information dreistufig – Headline, Teaser, Volltext – für Leser mit unterschiedlichem Zeitbudget und Komplexitätsanspruch anzubieten. Was aber, wenn im ADHS-Zeitalter der Teaser nicht mehr teased? Dann erklärt man ihn zum Zieltext und macht ihn kostenpflichtig. Genau das geschieht nun mit dem LSR. Es lässt die Newsportale für die Teaser zahlen. Die Alternative: Google ersetzt Software durch Menschen und schreibt eigene Teaser. Warum sollte man? Eher wird Google die Teaser der Verlage durch Software umschreiben lassen. Mal sehen, wie das Urheberrecht dann Autorschaft definiert. Eine andere Alternative: Google setzt ganz auf den Link-Namen, also die Headline. Dann dürfen diese nur so viel kommunizieren, dass die Transportfunktion des Links nicht überflüssig wird. „Dr. Sommer“ – ein Mann klärte Generationen auf ist gut, weil es die Nachricht verspricht, aber noch nicht verrät. Streik der Flugbegleiter legt Frankfurter Flughafen lahm ist zu konkret, um zum Weiterlesen zu verführen. Und wenn eines Tages auch die Headline nicht mehr teased? Wenn der Link nicht mehr linkt, kommt es vielleicht wirklich zum „Linkzoll“, von dem jetzt auf Twitter so viel die Rede ist.

Apropos: Auf Twitter wird genauso aufgeregt das Ende der Partizipationskultur im Internet prophezeit, wie von konservativen Medienkritikern der Untergang der abendländischen Kultur durch digitale Demenz. Am amüsantesten aber ist der geläufige Kommentar, die Politik sei mit dem LSR vor der Lobbymacht der Medien in die Knie gegangen. Welcher Medien? Der alten, gebrechlichen doch wohl. Befragt, wer mehr Hilfe „von oben“ braucht, Google oder die Verlage, tippe ich ohne Bedenken auf letztere. Gerade weil Google mächtiger ist, können die Verlage das Pokerspiel gar nicht gewinnen. Sie brauchen den Netz-Giganten mehr als umgekehrt. Dieser wird statt zu zahlen die siegreichen Kläger einfach auslisten, wie er es vor einem Jahr in Belgien tat. Das LSR zerstört nicht die Netzkultur, sondern die, die es schützen will.

Roberto Simanowski ist Medienwissenschaftler und lehrt an der Uni Basel

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