Der Verkauf der deutschen Technologiefirma Aixtron an den chinesischen Konzern Fujian Grand Chip Investment (FGC) war so gut wie perfekt: Die Aixtron-Aktionäre hatten mehrheitlich zugestimmt, Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Betriebsrat ebenso, sogar Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte seine Genehmigung erteilt. Dann intervenierten US-Geheimdienste. Die nationale Sicherheit der USA sei gefährdet – wegen einer Aixtron-Filiale mit 100 Beschäftigten in Kalifornien. Gabriel zog seine Genehmigung zurück. Im Dezember 2016 verbot US-Präsident Barack Obama den Verkauf endgültig, auf Grundlage des Defense-Production-Gesetzes von 1950, das die zivile und militärische Produktion für den Koreakrieg sichern sollte.
Die 750 Beschäf
schäftigten von Aixtron im nordrhein-westfälischen Herzogenrath produzieren Anlagen für die Chip-Herstellung. Seit Jahren schreibt die Firma rote Zahlen. Die Arbeitsplätze sind bedroht. Die chinesische Übernahme wäre die Rettung gewesen. Nach dem Verkaufsverbot stürzte die Aktie ab. Der Verkauf von Beteiligungen soll Geld in die Kasse bringen. Firmenchef Martin Goetzeler bettelt inzwischen bei der Bundesregierung um Hilfen.Zum Beispiel KUKADeren Minister Gabriel, so kritisierte die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapiere (DSW), sei ein „Erfüllungsgehilfe von US-Wirtschaftsinteressen“. Das gilt nicht nur im Fall Aixtron. Bundesregierung und EU-Kommission haben sich für eine gegen China gerichtete Politik der USA einspannen lassen, die in der Vergangenheit etwa darin zum Ausdruck kam, dass Peking bei Freihandelsplänen wie der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) und dem Trade in Services Agreement (TiSA) außen vor gelassen wurde. Indessen gehören Warnungen vor einer Gefährdung westlichen Wohlstands durch China fest zum Programm des neuen Präsidenten Donald Trump.In Deutschland hatten Bundesregierung – Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie Kanzleramtschef Peter Altmeier – und EU-Kommission 2016 schon versucht, den Verkauf des Roboterherstellers KUKA aus Augsburg an die chinesische Firma Midea zu verhindern, weil so wertvolle Technologie abgesaugt werden könne (der Freitag 25/2016). Man suchte verzweifelt nach einem anderen Käufer – in der ganzen EU fand sich keiner. Schließlich ging KUKA an die Chinesen. Nur sie eröffnen für das deutsche Unternehmen den größten Robotermarkt der Zukunft: China. Midea ließ die bisherige Geschäftsführung vollständig bestehen und garantierte den Erhalt der 12.000 Arbeitsplätze in Deutschland bis 2023.Selbst lange versunkene Schätze heben chinesische Investoren. Der Lastwagenhersteller Beiqi Foton Motor wurde zunächst belächelt, als er 2014 Know-how und Markenrechte des 1963 pleitegegangenen deutschen Autokonzerns Borgward wiederbelebte. Foton verständigte sich mit dem Gründerenkel Christian Borgward. Vom ersten Modell BX7 wurden in Peking seit Juni 2016 bereits 25.000 Stück produziert. Mittelfristig soll die Jahresproduktion auf eine halbe Million Autos gesteigert werden. In Aachen entstehen für die Modellentwicklung und die Motorenforschung weitere Arbeitsplätze, hier werden die kleineren Versionen BX5 und BX6 vorbereitet. 2017 soll das erste Elektroauto in Serie gehen. In Bremen soll ein weiteres Werk entstehen.Insgesamt kauften Investoren aus China 2016 EU-weit 170 Unternehmen. Mit 34 Käufen war Deutschland der Schwerpunkt, an zweiter Stelle lag Großbritannien mit 32, danach folgten Frankreich, Italien, die Niederlande, Finnland, Norwegen, Luxemburg, Irland, Spanien, Schweden, Belgien und Österreich. Auch in Osteuropa wird, wenn auch in viel kleinerem Umfang, investiert, so in Russland, Polen und Tschechien.Während es in Deutschland vor allem um technologisch anspruchsvolle Produktion geht, haben es chinesische Käufer in Großbritannien vor allem auf Finanz- wie Freizeitindustrie abgesehen, in Frankreich auf Weingüter. In der Schweiz hat ChemChina den Chemiekonzern Syngenta übernommen. China investiert in Bereiche, mit denen es die differenzierte Struktur entwickelter Volkswirtschaften nachbilden kann, um der Bevölkerung und der gewachsenen Kaufkraft gerecht zu werden und die eigene Ökonomie auf hohem technologischem wie sozialem Niveau zu stabilisieren.Seit 2006 haben die Chinesen ihre Käufe in Europa schrittweise vervierfacht. Die Größenordnung ist aber ganz anders, als es die öffentliche Kritik nahelegt. 8.000 deutsche Unternehmen sind in China mit einer Investitionssumme von 60 Milliarden Euro vertreten, chinesische Unternehmen in Deutschland nur mit acht Milliarden Euro; das sind 0,3 Prozent der Investitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland.Bundesregierung und EU betrachten dagegen die ungleich umfangreicheren US-Investitionen als völlig unproblematisch. Im Jahre 2016 haben allein Private-Equity-Investoren wie Blackstone, KKR und Carlyle 171 mittelständische deutsche Unternehmen aufgekauft, etwa den schwäbischen Hausgerätehersteller WMF. Gegenwärtig will Patriarch Partners mehrere hundert Arbeitsplätze beim Autozulieferer DURA Automotive Systems im sauerländischen Plettenberg abbauen. Nicht zu den 171 Aufkäufen zählen die Aktienpakete, die Großinvestoren wie Blackrock, State Street und Vanguard bei deutschen Konzernen innerhalb und außerhalb des DAX übernommen haben. Ebenso wenig sind die Aktivitäten von Internet- und Share-Economy-Firmen wie Facebook, Google, Microsoft, Uber oder Airbnb berücksichtigt.Im vergangenen November verkaufte die Hamburger Firmengründerin Petra Vorsteher ihre Handelsplattform Smaato für 148 Millionen Euro an ein chinesisches Unternehmen. Das Angebot eines US-Investors habe sie dagegen abgelehnt, denn der habe ihr zufolge „Synergien heben und Arbeitsplätze abbauen“ wollen.Gerade bei den US-Investoren häufen sich Nachteile für die deutsche Volkswirtschaft: Abbau von Arbeitsplätzen, Steuerumgehung, gezielte Verletzung von Arbeitsgesetzen und einschlägigen Branchenregulierungen etwa im Taxigewerbe und in der städtischen Wohnraumbewirtschaftung. „Viele hoffnungsvolle deutsche Geschäftsmodelle wurden früh von US-Konzernen aufgesogen oder dominiert“, schrieb das Manager Magazin jüngst.Chinesische Investoren haben eine langfristige Perspektive, sie wollen unternehmerische Substanz aufbauen, während US-Investoren auf kurzfristigen Gewinn drängen und die unternehmerische Substanz auszehren. Der Vergleich fällt eindeutig aus: „Von US-Erwerbern dagegen wurde nach der Übernahme oft nicht mehr investiert oder die Firmen wurden hin- und hergeschoben“ zwischen Private-Equity-Investoren, bilanziert Margot Schüller vom GIGA Institut für Asien-Studien.Verdeckter WirtschaftskriegDer neue US-Präsident Donald Trump führt die unter seinem Vorgänger Barack Obama eingeleitete Verteufelung Chinas nun mit ungleich größerer Aggression fort. Das ist angesichts des volkswirtschaftlichen Niedergangs der USA verständlich. Trump will diese Schwäche durch militärische Umkreisung und Bedrohung Chinas kompensieren, will es handelspolitisch isolieren und durch die Aufwertung Taiwans diplomatisch schwächen. Im Anschluss an die geheimdienstliche Überprüfung des Aixtron-Verkaufs vermutete sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass es den USA unter dem „noblen Ziel“ der Terrorismus-Bekämpfung um einen „verdeckten Wirtschaftskrieg“ gehe.Der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Hubert Lienhard, erklärte: „Den deutschen Firmen, die von chinesischen Unternehmen übernommen worden sind, geht es sehr gut. Es kann nicht von Nachteil sein, wenn Deutschland und China stärker verwoben werden – auch mittelfristig machtpolitisch nicht.“ Der Präsident des Unternehmerverbands Gesamtmetall, Rainer Dulger, stellte sich gegen ein von der Bundesregierung zumindest andeutungsweise erwogenes Investitionsverbot für chinesische Unternehmen in Deutschland.Ob deutsche Unternehmensvertreter diese Haltung aber beibehalten, muss sich zeigen. Schon zu Obamas Präsidentschaft hatten sie den US-geführten Russland-Boykott erst heftig kritisiert und waren dann eingeknickt. Sie nehmen bis heute den Verlust von Aufträgen und von Zehntausenden Arbeitsplätzen in Kauf, in Deutschland und auch in der Ukraine, der man mit jenen Sanktionen angeblich helfen will.
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