Der moderne Mensch fährt nicht zu Ikea. Er schaut auch nicht bei Sixt oder im Reisebüro vorbei. Wenn er Urlaub machen will, neue Möbel oder ein Auto braucht, dann geht er einfach ins Internet. Dort findet er bei Ebay Markenmöbel zum halben Preis, einen günstigen Transporter drei Straßen weiter und auch ein nettes Apartment für ein Wochenende in Barcelona. Alles von privat zu privat, alles „peer to peer“.
Die Ökonomie des Teilens verspricht eine schöne neue Welt. Das Time-Magazin hat die sogenannte Share-Economy zu einer der zehn Ideen gekürt, die die Welt verändern werden. Mittlerweile haben schlaue Start-up-Unternehmen aus dem netten Sharing millionenschwere Geschäftsmodelle gemacht. In Großbritannien, wo das Teil
annien, wo das Teilen schon viel ausgeprägter ist, soll der Handel knapp 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen.Vom Loft bis zum WG-SofaIn Deutschland steckt die Share-Economy zwar noch in den Kinderschuhen, aber die Branche boomt – und sie macht der kommerziellen Konkurrenz große Sorgen. Diese versucht nun, mit aller Macht gegen das private Teilen vorzugehen, und zieht sogar vor die Gerichte. Doch wo verläuft die Grenze zwischen Teilen, Handeln, Verkaufen und Profit machen? Und was ist an Sharing-Geschäften solidarischer als am herkömmlichen Marktgeschehen? Bei genauerem Hinsehen erleben urkapitalistische Merkmale wie Konkurrenz, Profitstreben und Eigenvermarktung innerhalb der Share-Economy ein Revival, nur eben peer to peer. Das solidarische Teilen – eigentlich eine urlinke Idee – wird nun kommerziell betrieben und trifft daher auf Kritik. Unbestritten sind hingegen die ökologischen Vorteile des Peer-to-peer-Handels als eine Art Recycling-Effekt.Grundsätzlich unterscheiden sich die Sharing-Modelle darin, ob Geld im Spiel ist oder ob etwas ohne Gegenleistung abgegeben wird – und da liegt der Hase im Pfeffer. Zum Beispiel beim Wohnen: Im Gegensatz zum sogenannten Couchsurfing, bei dem Einheimische den Globetrottern kostenlos einen Schlafplatz anbieten, werden bei der Tauschbörse Airbnb Privaträume vermietet – vom Townloft bis zum WG-Sofa kann alles gebucht werden. Airbnb ist wohl das bis jetzt erfolgreichste Modell mit mittlerweile über „800 Millionen sozialen Verbindungen“, wie es in der Selbstdarstellung heißt. Gerade dass bei Airbnb im Gegensatz zu anderen Tauschformen Geld im Spiel ist, mag seine Beliebtheit erklären. Denn Tauschen ist schön, Profit machen jedoch noch besser. Das junge Unternehmen macht der traditionellen Wirtschaftsbranche ernsthafte Konkurrenz. Nicht nur junge Backpacker und alternative Ökos nutzen das Portal, sondern alle – von der Managerin bis zum Rentner. Es fällt auf, dass es funktioniert.Sharing klagt gegen SharingÄhnlich ist es beim Autofahren: Wer braucht Leihwagenfirmen wie Europcar oder Carsharing-Angebote von der Deutschen Bahn, BMW oder Daimler, wenn man auch vom Nachbarn um die Ecke günstiger ein Auto leasen kann? Noch liegen die klassischen Autoverleiher mit über 200.000 Nutzern vorne, doch der private Verleih holt auf. Bei Autonetzer etwa sind 42.000 Kunden registriert, obwohl es die Tauschbörse erst seit vergangenem Jahr gibt.So kollidiert die schöne neue Welt des Sharing-Kapitalismus dank ihres Erfolges mit konventionellen Wirtschaftslobbys. Denen wird das eigenmächtige Treiben der Sharing-Pioniere allmählich zu bunt. Und so klagt nun Sharing gegen Sharing: Der Verband der Autovermieter (BAV) geht juristisch gegen das Portal Autonetzer vor und verlangt eine Zulassung der privaten Wagen als Mietwagen. Eine erfolgreiche Klage am Landgericht Berlin würde bedeuten, dass die privaten Autos genauso versichert sein müssten wie gewerbliche Mietautos und einmal jährlich zum TÜV müssten: Das würde die privaten Besitzer mehrere tausend Euro im Jahr zusätzlich kosten und den Peer-to-peer-Automarkt in Deutschland abwürgen. Der Verband argumentiert vor allem mit Sicherheitsbedenken, da die privaten Fahrzeuge keinen besonderen Überprüfungen unterliegen. Aber kann man die verliehenen Privatwagen mit kommerziellen Mietwagen vergleichen? Laut Autonetzer werden die dort angebotenen Autos durchschnittlich weniger als einmal pro Monat ausgeliehen. Ist das dann schon ein Gewerbe?Gesetze für das TeilenAuch die Hotellobby ist in Aufregung. Die Fachblätter der Branche titeln schon: „In der Illegalität lebt es sich ungeniert“. Die Hotelverbände mokieren sich über fehlende Standards und verweisen darauf, dass die Reisenden bei Airbnb auf eigenes Risiko unterwegs seien. Da es keine ordentliche Definition für die (Ferien-)Untervermietungen gibt und die privaten Anbieter das eingenommene Geld oft nicht versteuern, reagiert der Staat erst einmal reflexartig mit Verboten. In New York ermittelt die Staatsanwaltschaft nun wegen Steuerhinterziehung. Die 40 Spitzenverdiener unter den Airbnb-Gastgebern hätten in den vergangenen drei Jahren 35 Millionen Dollar eingenommen und nicht versteuert.Muss jetzt jede Privatperson eine Rechnung für die Wohnung stellen? Die Verteidiger des Teilens plädieren für eine Sharing-freundliche Gesetzgebung. So hat das kalifornische Sustainable Economies Law Center, eine Organisation alternativer Anwälte, konkrete juristische Vorschläge ausgearbeitet, wie Städte verantwortungsvoll mit neuen Sharing-Phänomenen umgehen könnten. Die Juristen schlagen eine offizielle Registrierung und eine Steuer auf die „Kurzzeitvermietungen“ vor, die aber niedriger als bei Hotels und anderen Vermietungen liegen sollte. Zudem könnten private Mieteinnahmen gedeckelt werden, indem beispielsweise festgelegt werde, dass die Einnahmen unter einem bestimmten Prozentsatz der Jahresmiete bleiben.Für Hoteliers und Autovermieter ist die Forderung nach Standards ein Rettungsruf gegen die mittlerweile unschlagbar günstigere Konkurrenz der Peer-to-peer-Anbieter. Wenn bald alle Personen ein Gewerbe anmelden und Steuern zahlen müssen, dürfte das der Todesstoß für das private Teilen sein. Vielleicht gibt es dann Ebay auch nicht mehr all zu lange.