Bruderschaft hat man sie zuweilen genannt. Dabei unterhielten Ruandas damaliger Vizepräsident Paul Kagame oder die Staatschefs Isayas Afewerki in Eritrea, Meles Zenawi in Äthiopien, Laurent-Désiré Kabila im Kongo, Yoweri Museveni in Uganda oder Jerry Rawlings in Ghana während der neunziger Jahre weder einen Geheimbund noch ein Netzwerk, um untereinander Kontakt und Konsens zu suchen. Was sie vereinte, ergab sich mehr durch ihre Vita und die Umstände ihrer Regierungsübernahme: Da konnten sich ehemalige Dschungelkämpfer an die Spitze einiger Staaten Zentral- und Ostafrikas setzen, indem sie postkoloniale Machtkartelle aus den Angeln hoben und sich als „neue Führer“ empfahlen, die mit Korruption, Misswirtschaft und den totalitären
en Gebaren ihrer Vorgänger nichts zu tun haben wollten.Um ein Beispiel zu nennen: Aus dem ugandischen Exil vorstoßend, stürzte der ruandische Rebellenführer Paul Kagame im Frühsommer 1994 mit seiner Patriotischen Front (FPR) die rassistische Clique aus dem ruandischen Mehrheitsvolk der Hutu, die einen ethnischen Konflikt bis zum Genozid getrieben hatte. Ein Attentat auf das Flugzeug des Präsidenten Juvenal Habyarimana Anfang April 1994 führte in diesem kleinen ostafrikanischen Staat über Wochen hinweg zu einem Amoklauf der Gewalt, dem über 800.000 Menschen zum Opfer fielen. Die westliche Staaten- und Wertegemeinschaft sah den Massakern an der Tutsi-Minorität hilf- und tatenlos zu. Allein Frankreich handelte und sicherte den Drahtziehern des Massenmords einen Abzugskorridor ins kongolesische, belgische oder eben französische Exil.Der Sturz MobutusAls Kagame am 11. Juli 1994 in Ruandas Hauptstadt Kigali einzog, war das mehr als eine Befreiung. Sein Triumph besiegelte den Bruch mit einer personalisierten, zum Teil despotischen Herrschaftsform, die sich auf dem Kontinent nach den Jahren der Unabhängigkeit zwischen 1960 und 1962 etabliert hatte. Die vulgär terroristische Spielart eines solchen Regimes konnte in Ruandas Nachbarland Zaire besichtigt werden. Dessen Staatschef Mobutu Sese Seko herschte wie ein von Gott gesandter Häuptling und erhob sich zur Inkarnation nationaler Authentizität. Seinen Ausdruck fand das unter anderem im Staatsnamen Zaire, der Identitätsbewusstsein spiegeln sollte, tatsächlich aber nicht mehr war als der Rückgriff auf eine Metapher, wie sie portugiesische Siedler einst benutzt und damit den Kongo-Strom gemeint hatten. Marschall Mobutu wurde jahrzehntelang in den USA und Westeuropa als Garant des Rohstofftransfers aus dem Kongo, aber auch wegen seines Antikommunismus geschätzt.Es gehörte zu den Nachwehen des 94er Machtwechsels in Ruanda, dass Mobutu im Mai 1997 im Orkus der Geschichte verschwand. Sein Nachfolger Laurent-Désiré Kabila stand einst Che Guevara nahe, war Marxismus, Revolution und Untergrund in Zentralafrika verbunden und vermittelte die Einsicht, dass die „neuen Führer“ auch „starke Männer“ sein wollten. Eine afrikanische Perestroika mochte ihnen nicht fremd sein, ein Mehrparteien-System in der Regel schon. Sie suchten stattdessen nach tradierten Formen einer Machtteilhabe ihrer Völker und blieben beim Ein-Parteien-Staat – sie wollten zwar keine Autokraten sein, aber autoritär regieren schon. Dabei wurde ihre Machtpräsenz nie zum Kult verklärt, wie das Mobutu in Kongo-Zaire, Bokassa in der Zentralafrikanischen Republik und Kenias Staatsgründer Jomo Kenyatta gehalten hatten.Freunde Bill ClintonsUnterwegs an die Staatsspitze sparten die „neuen Führer“ nicht mit Gesellschaftsutopien oder Reformideen. Vieles schien möglich, um Ende der neunziger Jahre doch nur in einen Wirtschaftsliberalismus zu münden, wie ihn die Kreditvergabe der internationalen Finanzinstitute IWF und Weltbank nahelegte. Dieser Kotau vor den Realitäten verschaffte den „neuen Führern“ die Sympathien des damaligen US-Präsidenten Clinton. Als der im März 1998 zu seiner ersten großen Afrika-Tour aufbrach, besuchte er Jerry Rawlings in Accra, Yoweri Museveni in Kampala und Paul Kagame in Kigali, bevor es zum Treffen mit Nelson Mandela in Südafrika kam und im Senegal ein Schlusspunkt gesetzt wurde. Gerade im frankophonen Afrika sollte die postkoloniale Herrlichkeit Frankreichs an Grenzen stoßen, die von den USA gezogen wurden. Dass Clintons Gastgeber dabei instrumentalisiert wurden, lag auf der Hand.Ob in Ghana, Eritrea, Äthiopien, Uganda oder im Kongo, den Durchbruch zu mehr Wohlstand, Gesundheit und Bildung blieben die „neuen Führer“ – soweit sie noch im Amt sind – bis heute schuldig. Mit einer Ausnahme und die heißt Ruanda.