Der erste Sparkassenverkauf in Deutschland ist gescheitert. Manager hatten vorab schon gefeiert, endlich käme Bewegung in "archaische Strukturen", wie der Analyst Dieter Hein von Fairresearch schrieb. Andere, vom Sparkassenverband bis hin zu den Globalisierungskritikern bei attac, begrüßten das Veto der Stadt.
Das Aufsehen erregende Gerangel um die Sparkasse Stralsund verwies auf einen Kampf, der zwischen unterschiedlichen Konzepten im Bankensektor seit einiger Zeit geführt wird. Auf der einen Seite stehen die Privatbanken mit ihrem Bankenverband, die das dreistufige Bankensystem (öffentlich-rechtliche, private und genossenschaftliche Banken) als Hemmschuh für Effizienz und Wettbewerb sehen. Auf der anderen Seite agieren diejenigen, die Sparkassen und Genossen
ssen und Genossenschaftsbanken als Garant für Mittelstandsfinanzierung und gemeinnützige Projekte betrachten. Die Frage ist, wie wird die Gesellschaft und vor allem, wie wird die Wirtschaft mit Geld versorgt. Der Nürnberger Banken-Professor Wolfgang Gerke sieht schon genug Wettbewerb im Bankenmarkt. Und die Zahlen geben ihm recht. Öffentlichen Banken, in erster Linie Sparkassen und Landesbanken, hatten im Jahr 2002 einen Marktanteil von 37,2 Prozent. Die privaten Banken kamen dagegen auf 42,6 Prozent. 12,1 Prozent entfielen auf Genossenschaftsbanken. Der Anteil der Privatbanken ist erst in den neunziger Jahren rasant angestiegen, was Gerke mit Sorge sieht, weil die Privatbanken weniger Interesse an kleinen Firmen und Privatkunden in der Fläche haben. "Das dreistufige Bankenwesen sollten wir nicht einfach aufgeben, es ist ein Vorzug des deutschen Bankenmarkts."Doch der Streit geht auch nach der Entscheidung in Stralsund weiter. Zum einen gibt es im Saarland Pläne, das Sparkassengesetz so zu ändern, dass Verkäufe möglich wären, zum anderen existieren Fusionspläne. Die Branche brodelt. Könnten sich die Privatbanken ganz durchsetzen, wären einer ungezügelten Profitmaximierung keine Schranken mehr gesetzt. Vor dem Hintergrund des gescheiterten Deals in Stralsund ist daher besonders interessant, dass der saarländische Wirtschaftsminister Hanspeter Georgi erneut über eine Änderung des Landessparkassengesetzes nachdenkt und eine Verwandlung in Aktiengesellschaften ermöglichen will. Diese könnten dann auch private Banken beteiligen. Noch hagelte es Kritik von allen Seiten, nicht mal die eigene christdemokratische Partei stand hinter ihm. Der Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Saar, Karl-Heinz Trautmann, wandte sich in scharfer Form gegen diese Pläne. "Herr Georgi führt einen Feldzug gegen die Sparkassen" und sei dabei "beratungsresistent", hieß es. Es gebe keine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, die Drei-Säulen-Struktur in Frage zu stellen und das Sparkassengesetz im Sinne des Ministers zu ändern.Die Politik aber macht, zusammen mit dem Bankenverband, Druck. So meinte sich der parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Caio Koch-Weser in der Börsenzeitung aus dem Fenster lehnen zu müssen: "Um vermehrt Fusionen in allen drei Säulen und zwischen ihnen zu ermöglichen, müsste im Bereich der öffentlich-rechtlichen Banken über alternative Rechtsformen nachgedacht werden." Doch das ist auch ohne "alternative Rechtsformen" möglich. Zur Zeit verhandelt die Hessische Landesbank über eine Fusion mit der Landesbank Rheinland-Pfalz oder alternativ mit der Landesbank Baden-Württemberg. Was nicht ohne Wirkungen auf die Sparkassenverbände, die ja Teilhaber der Landesbanken sind, bleiben wird.Dagegen ist die Strategie der Privatbanken sehr durchschaubar: Sie entdecken das Privatkundengeschäft wieder, das sie durch schlechten Service, Abbau von Filialen und nicht zuletzt dem falschen Rat zu Aktien mehr und mehr verspielt hatten. Dietrich Hoppenstedt, der Präsident des Sparkassenverbandes hob hervor, dass sich niemand über ein schlechtes Image wundern dürfe, wenn er das Gewinnstreben über das Interesse des Kunden stelle. Die Großbanken hatten, angeheizt durch den New Economy Boom, nur auf den Ausbau des Investmentbanking gesetzt, das dann Anfang 2000 zum großen Verlustbringer mutierte. Zwar sind sich Wirtschaftszeitungen wie Handelsblatt und Financial Times einig, dass die Horrorzeiten der Banken vorbei sind, doch der Preis der Konsolidierung war heftig: Einschnitte ins Filialnetz, Massenentlassungen in einer einst blühenden Branche und Effizienzdruck auf dem Rücken der Beschäftigten. Zuletzt strich man bei der Commerzbank sogar die Betriebsrenten. Die Dresdner Bank wurde von der Allianz geschluckt, Commerzbank und Deutsche Bank machten immer wieder durch Fusionsgerüchte von sich reden. Mittlerweile fragte sogar die FAZ, wer private Banken überhaupt brauche? Das Argument von der angeblich unfairen Konkurrenz durch Sparkassen und Volksbanken wird dabei als "durchsichtiges Manöver" entlarvt, dass die mangelnde "strategische Neuausrichtung" verdeckt. Und nur die Ertragsschwäche schrecke die übermächtige ausländische Konkurrenz davon ab, in den deutschen Markt einzusteigen. Daher, so Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Banken, werde "die Diskussion um die Privatisierung von Sparkassen weitergehen". Die Gegner der Sparkassenprivatisierung bejubelten einen "Pyrrhussieg", so Weber weiter. Er hingegen wolle die Banken fit für den Wettbewerb in Europa machen.Tatsächlich sind die Argumente der Großbanken und ihres Bankenverbandes fadenscheinig: Würden nämlich die Sparkassen von den größeren privaten Banken geschluckt, gäbe es weniger Wettbewerb. Für Europa könnten sich logischerweise nur noch Private fit machen, die zuvor die hochprofitablen Perlen aus der Sparkassenlandschaft aufgepickt hätten. Nun schlagen die Sparkassen zurück: mit dem neuen Gesetz zur Umstrukturierung der Landesbank in Nordrhein-Westfalen entsteht eine reine Förderbank, die auch außerhalb des Bundeslandes oder sogar im Ausland tätig werden könnte. Sie würde dabei von den Staatsgarantien profitieren, die ihr ein höheres Rating und damit bessere Refinanzierungsmöglichkeiten gewährt. Privatisierung und Kommerzialisierung ist allerdings auch bei diesen Instituten schon weit fortgeschritten. Zwar wäre eine formale Privatisierung nicht möglich, aber die Hamburger Sparkasse plant zumindest, eine Aktiengesellschaft zu werden. Dann wäre Stralsund doch aktueller als man vermuten könnte.