FREITAG: Wie bewerten Sie den Schritt von Schröder und Müntefering, baldige Neuwahlen anzustreben?
KLAUS ERNST: Zunächst muss man sagen, dass die Bürger in NRW der rot-grünen Politik des Sozialabbaus eine klare Absage erteilt haben. Die Sozialdemokratie ist unglaubwürdig geworden. Der knappe Wahltermin bedeutet, dass Schröder und Müntefering ihre Politik in der eigenen Partei nicht mehr zur Debatte stellen wollen. Schröder sagt: Wer will, dass die SPD weiter regiert, müsse seinen Kurs bedingungslos unterstützen. Und die Bürger müssen sich entscheiden zwischen zwei Parteien, die im Inhalt dasselbe wollen: CDU und SPD unterscheiden sich nur in Nuancen. Das Makabre an diesem Vorgang ist, dass es derzeit in wesentlichen Kernfragen eigentlich eine Große Koalition über alle vier Parteien gibt.
Die WASG hat in NRW einen Achtungserfolg erzielt. Haben Sie mit einem größeren Zulauf enttäuschter SPD-Wähler und Wählerinnen gerechnet?
Für uns sind die 2,2 Prozent durchaus ein Erfolg. Wir sind fünf Monate nach unserer Gründung zum ersten Mal zu einer Wahl angetreten. Wir haben diesen Wahlkampf praktisch ohne Mittel geführt, mit einer vollkommen neuen Mannschaft und wurden besonders von Massenmedien weitgehend ignoriert. Unser Ziel war, dass wir als wählbare Alternative ernst genommen und sichtbar werden - das haben wir geschafft.
SPD und Grüne werden sich von nun an vermutlich immer als die soziale Alternative gegenüber Schwarz-Gelb darstellen. Wie wird die WASG damit umgehen?
Wir werden so darauf reagieren, dass wir beide, sowohl SPD und CDU als auch Grüne und FDP als Diebe der Sozialsysteme herausstellen. Ich glaube übrigens nicht, dass die Bürger Rot-Grün das Argument mit dem kleineren Übel noch abnehmen. Münteferings Kritik haben die Leute ja durchschaut. Wie soll sich die SPD als kleineres Übel darstellen, wenn sie in einigen Fällen sogar das größere ist, zum Beispiel bei der Entfernungspauschale oder der Eigenheimzulage, die die SPD abschaffen, die CSU in Bayern erhalten will.
Nach der Ankündigung von baldigen Neuwahlen im Bund steht Ihre Partei unter starkem Druck. Wie wird sich die WASG vorbereiten?
Wir müssen jetzt dringend unseren Organisationsaufbau, die Gründung der Landesverbände, vorantreiben. Das müssen wir bei dem einen oder anderen Landesverband beschleunigen. Wir werden dann sehr schnell entscheiden müssen, wer kandidiert. Wir müssen die Frage klären, wie wir zu Geld kommen. Die Gretchenfrage ist natürlich, wie wir eine Strategie entwickeln, über die fünf Prozent zu kommen. Man muss darüber nachdenken, welche strategischen Optionen es gibt, dass die Fünf-Prozent-Klausel nicht zur Guillotine wird. Weder für die WASG noch möglicherweise für die PDS.
Wie könnten Sie sich eine Zusammenarbeit mit der PDS mit Blick auf die Bundestagswahl vorstellen?
Es macht für uns keinen Sinn, auf einer PDS-Liste zu kandidieren. Da brauchen wir im Westen nicht anzutreten, dann sind wir tot. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass wir darüber nachdenken müssen, wie die fortschrittlich demokratischen Kräfte in den Bundestag kommen.
Wie könnte denn so eine Strategie konkret aussehen?
Wir müssen prüfen, welche Möglichkeiten es für ein Bündnis der fortschrittlichen Kräfte gibt und eine Organisationsform finden, die verfassungsrechtlich die Kandidatur für die Bundestagswahl ermöglicht. Und es muss schnell gehen können. Innerhalb dieser Prämissen, muss man überlegen, was möglich wäre.
Oskar Lafontaine ist aus der SPD ausgetreten und hat angekündigt, für ein linkes Bündnis zur Bundestagswahl zu kandidieren. Welche Erwartungen haben Sie jetzt an ihn?
Dass er das macht, was er sagt. Ich habe die Erwartung an uns alle, dass wir dieses Bündnis hinkriegen und an Lafontaine, dass er darin eine führende Rolle übernimmt.
Verknüpfen Sie mit Lafontaine neue Hoffnungen?
In unserer Mediengesellschaft braucht man Köpfe. Selbst, wenn wir selber auch schön sind - er ist bekannter und bringt Stimmen. So ist die Welt.
Gregor Gysi könnte bereit sein, wieder für die PDS Wahlkampf zu machen. Wären für Sie, wie für viele, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi das Dream-Team einer neuen Partei?
Wollen wir es nicht überhöhen. Sie wären beide ganz sicher besonders wichtige Persönlichkeiten, die die Chancen und den Aufbau eines solchen Bündnisses befördern könnten.
Was halten Sie von einer Fusion beider Parteien?
Wir müssen da vor allem die rechtlichen Dinge prüfen. Wichtig ist, zu wissen, dass man nur als Partei für die Bundestagswahl antreten kann. Wir brauchen also die Organisationsform einer Partei. Ob man fusioniert, die anderen auflöst, das müssen die Gespräche ergeben, die wir mit der PDS führen wollen.
Das Gespräch führte Connie Uschtrin
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.