Wer hat Angst vor Wagenknecht?

Dilemma Wird Rot-Rot-Grün realistische Option, kann das der CDU Stimmen bringen
Ausgabe 13/2017
Sahra Wagenknecht könnte ungewollt Abwehrkräfte gegen R2G mobilisieren
Sahra Wagenknecht könnte ungewollt Abwehrkräfte gegen R2G mobilisieren

Foto: Uew Steinert/Imago

Man soll Landtagswahlen als Seismografen nicht unterschätzen, aber auch nicht überschätzen. Angela Merkel hätte im Saarland eine schwere atmosphärische Niederlage erleiden können. Dass es anders kam, ist für sie kein Sieg und auch kein Grund zum Aufatmen. Weder ist der Schulzzug entgleist, noch ein Regierungswechsel im Herbst signifikant unwahrscheinlicher geworden.

Dennoch gibt es eine nicht unplausible Interpretation des Wahlausganges, die bundespolitische Bedeutung hat. Die Umfragen sahen SPD und Union vor dem Wahlgang knapper beieinander. Gut möglich, dass diese Umfragen falsch waren. Gut möglich aber auch, dass sie nicht so falsch waren und die Union in einem Last-Minute-Swing Wähler gewann, auch potenzielle SPD-Wähler zur CDU überliefen. Vielleicht hängt das mit den Spitzenkandidaten und lokalen Faktoren zusammen, vielleicht aber auch mit der Aussicht, dass SPD und Linke gemeinsam regieren könnten. Und zwar jener Landesverband der Linkspartei, in dem Oskar Lafontaine den Ton angibt.

Aber das hieße: Weil die SPD ziemlich offen gestreut hat, dass sie im Fall der Fälle mit der Lafontaine-Linken regieren würde, hat sie einen Teil ihrer potenziellen Wähler verloren und der Union auch noch ein paar Prozentpunkte an Wählern zugetrieben. Eher bürgerliche-konservative Wähler, die SPD wählen könnten, aber Lafontaine nicht in der Regierung dabeihaben wollen.

Selbst wenn diese Interpretation stimmt – einiges spricht dafür, dass sie zumindest teilweise zum Wahlausgang beitrug –, dann heißt das auch noch lange nicht, dass man sie auf alle Ebenen und Wahlen übertragen kann. Mit einer Regierungsbeteiligung der Berliner Linkspartei unter Klaus Lederer oder einer Regierungsführung wie in Thüringen unter Bodo Ramelow kann man heute kaum mehr einen Wähler oder eine Wählerin abschrecken. Die Frage ist, ob das genauso für eine Bundestagswahl gilt.

Sagen wir es klipp und klar: Die Aussicht, dass Sahra Wagenknecht in einer rot rot grünen Regierung eine entscheidende Rolle spielt, würde allemal noch dazu ausreichen, eine gewisse Abwehrstimmung zu mobilisieren – und übrigens nicht die Linke, sondern vielmehr die SPD Stimmen kosten. Klar, Wagenknecht hat ihre Hardcore-Fans und auch Ansehen als intelligente Talkshow-Rednerin. Aber das heißt nicht, dass die Leute gerne von ihr regiert werden würden. These also: Selbst wenn man heute nicht mehr mit einer Rote-Socken-Kampagne gegen ein Mitte-Links-Bündnis mobilisieren kann, das Ehepaar Lafontaine-Wagenknecht reicht dafür allemal. Das muss einem nicht gefallen. Aber als Faktum hat man es zur Kenntnis zu nehmen. Und die Wähler sind ja auch nicht dumm: Dass die Linkspartei heillos zerstritten ist, dass in der Partei ein eher progressiver, sozialliberaler Flügel und die Lafontaine-Wagenknecht-Strömung in ewigem Clinch liegen, bleibt kaum jemandem verborgen.

Für Martin Schulz könnte das zu einem strategischen Dilemma werden. Um Erfolgs- und Siegeswillen ausstrahlen zu können, braucht er eine realistische Mehrheitsperspektive. Aber wenn die Wähler eine R2G-Regierung für realistisch halten, könnte ein Teil des SPD-Potenzials verzagen – und zugleich ein Teil des CDU-Potenzials massiv mobilisiert werden. Üblicherweise reagiert man auf solche strategischen Dilemmata auf folgende Weise: Auf der einen Seite redet man öffentlich überhaupt nicht über Koalitionen, auf der anderen Seite versucht man zu streuen, dass die wahrscheinlichste Variante ohnehin eine Große Koalition unter Führung von Schulz sei, wenn die SPD gewinnt.

Dieses Spiel lief ja schon 1998 prima. Damals dachte jeder, es würde eine Groko unter Gerhard Schröder geben, aber schon am Wahlabend war dann klar, dass Rot-Grün eine regierungsfähige Mehrheit hat und diese auch nutzen wird.

In jedem Fall sollte man über das Problem nüchtern nachdenken: Wenn es eine Mitte-Links-Mehrheit gibt, sitzt Wagenknecht in der Regierung. Und weil die Wähler das wissen, ist eine Mitte-Links-Mehrheit verdammt schwer zu erreichen.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden