Wer ist der Primus unter deutschen Weinen?

Der Trinker Der Riesling hat alle Höhen und Tiefen erlebt. Zur Zeit ist er weltweit der Star unter den Weißweinen. Klaus Kosok trinkt ihn am liebsten zum Palaver mit Freunden
Wer ist der Primus unter deutschen Weinen?

Illustration: Otto

Der Riesling ist in kühleren Zonen zu Hause. Auch wenn er heute an den Niagarafällen und in Neuseeland wächst, kennt die Welt ihn ursprünglich als Rheinwein. Den tranken schon die Karolinger, bevor er ab dem 15. Jahrhundert allmählich seine Verbreitung über die deutschen Lande und schließlich über den Globus fand.

In seiner Geschichte erlebte der Riesling alle Höhen und Tiefen. Wegen geringer Erträge und später Reife hatte er gegenüber Elbling und Silvaner lange das Nachsehen, bevor ihn der Hochadel im 18. Jahrhundert zum Primus erkor. 150 Jahre später erzielte deutscher Riesling höhere Preise als die allgewaltigen französischen Konkurrenten. Doch naives Vertrauen auf eine anhaltende Marktdominanz lieblicher Weine, entsprechend sorglose Produktionslinien sowie gewissenlos betriebene Panschereien brachten ihn in Verruf. Auch sein Verschnitt zur Liebfrauenmilch, die in alle Ecken der Welt gekarrt wurde, beschädigte sein Image. Unterdessen haben ein strenges Weingesetz und ein Umdenken bei vielen Winzern dafür gesorgt, dass deutscher Riesling an die Marktspitze zurückgekehrt ist und wieder weltweite Anerkennung findet.

Riesling hat von seinem Potenzial her eine Sonderstellung. Während burgundischer Chardonnay eher mit üppiger Fülle aufwartet, besticht Riesling durch filigrane Struktur und aromatische Finesse. Dies verdankt er der lebendigen organischen Säure, die im Zusammenspiel mit anderen Extraktstoffen dem Wein Frucht, Frische, Schlankheit und Tiefe verleiht.

Säure abgepuffert

Vor allem in selektiv gelesenen, mineralreichen Rieslingen von Wärme speichernden Steillagen ist die Säure oft optimal abge­puffert, sodass der Wein seine ­Stärken vorhalten kann, ohne empfindliche Mägen schrecken zu müssen. Bei trockenen ­Varianten können einige Gramm Restsüße den Wein zusätzlich ausbalancieren. Auch im Ausbau schreit Riesling nicht nach ­Pharmazie. Falls der Most schonend vorgeklärt wird und eine Entsäuerung unterbleibt, ist er seines niedrigen ph-Wertes ­wegen reintönig zu vergären. Der Wein zeigt sich dann gegen bakterielle Unbilden gefeit und ­bedarf keiner exzessiven Kellertechnik. Trotzdem sind für etliche deutsche Winzer – nach dem Prinzip zéro défaut – Maßnahmen zur Sterilisierung an der Tagesordnung.

Riesling ist Terroirwein par excellence. Er reagiert in prägnanter Weise auf das Zusammenspiel von Böden, Ausrichtung, Organismen und Mikroklima seines Standortes. Auf diese Standorttreue setzen renommierte Rieslingwinzer. Schiefer, Quarz, Basalt, Mergel, Muschelkalk, Ton, Lehm, Löss, Sandstein und Keuper bringen unterschiedliche Rieslinge hervor: feine, gehaltvolle und auch würzige Exemplare. Dass er kein alkoholisches Schwergewicht ist, kommt zumindest gediegenen Formen heutigen Weinkonsums entgegen. Riesling ist ein idealer Begleiter von Salaten, Suppen, Fisch, Huhn und Kalbfleisch. Mit seiner Mineralität und seinem Duft nach Pfirsich, Zitrusfrüchten, Apfel, Aprikose, Quitte, Ananas, Blüten, Gräsern und Kräutern rundet er so manches Essen perfekt ab.

Ich selbst trinke Riesling gern an Sommerabenden auf der Terrasse. Er begleitet das Palaver unter Freunden wie auch die eine oder andere säumige Stunde. Dabei bevorzuge ich neben feinfruchtigen Weinen von JJ Prüm trockene Rieslinge von subtiler Harmonie – Weine z. B. vom Kestener Paulinshofberg (Oliver Jüngling) oder vom Bockenauer Felseneck (Tim Fröhlich). Diese Weine verkörpern in ihrer Eigenart geradliniges und schwungvolles Leben, sind bekömmlich und nebenbei auch erfrischend. Letzteres wohl auch, weil ihre Heimat – der 50. Breitengrad – mit der Hitze (noch) nicht vermählt ist.

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