Wer kommt - wer sollte gehen?

Irak-Debatte im Sicherheitsrat Die UNO im Geruch der Kollaboration

Beginnen wir am 22. Mai: Der UN-Sicherheitsrat verabschiedet eine Irak-Resolution, die "innerhalb von zwölf Monaten" überprüft werden soll. Darin wird die US-geführte Militärkoalition faktisch als Besatzungsmacht anerkannt, der auch die Wirtschaft des Landes verfällt, während die Kompetenzen der UNO auf die einer Dienstleistungsagentur für humanitäre Missionen beschränkt bleiben. Knapp vier Monate später diskutiert der UN-Sicherheitsrat über eine "neue" Irak-Resolution, angetrieben von derselben US-Regierung, die sich im Mai durchsetzen konnte, aber ihrem "Mandat" offenbar nicht gewachsen ist. Tag für Tag werden die US-Truppen angegriffen, und die Kosten der Okkupation - Bush fordert vom Kongress weitere 87 Milliarden Dollar für Afghanistan und den Irak - sprengen die avisierten Budgets.

Daraufhin spricht der US-Präsident gegenüber den NATO-Partnern von "gegenwärtigen Pflichten", die zu erfüllen seien. In Berlin wird dieses Ansinnen mit dem Verweis auf zugesagte 700 Millionen Dollar für humanitäre Zwecke pariert und ein militärisches Engagement als Tabu gehandelt. Schröder glaubt nicht, "dass wir in einer Situation sind, wo wir uns militärisch im Irak beteiligen sollten." Für Fischer ist es sogar eine "Grundposition", keine Soldaten in die Region zu schicken. Ressortkollege Struck hatte noch Mitte August ventiliert, ob man nicht im Tross der NATO und mit UN-Mandat genau das tun könne, eilfertig unterstützt von der grünen Parteivorsitzenden Beer, die an dieser Position auffallend lange festhielt, den Schwenk nicht rechtzeitig erkannte und prompt im Regen stand.

Wie zu Beginn des Jahres haben Berlin und Paris wieder Oberwasser und präsentieren den Amerikanern Forderungen, die sich auf Wirtschaft und Politik des Irak konzentrieren. Ökonomisch soll den Besatzungsmächten der Zugriff auf das Öl aus der Hand genommen werden, bevor sie daran irgendeinen Dollar verdienen, denn bislang ist die Ausbeutung dieser Ressourcen ein reines Zuschussgeschäft. Die Verfügungsgewalt über die Ölquellen, so der französische Außenminister, solle einer souveränen irakischen Regierung zufallen, aber nicht dem von den Amerikanern eingesetzten "Regierungsrat", sondern einer "Provisorischen Regierung", die innerhalb eines Monats zu bilden sei und selbstredend französische Erdölinteressen im Auge haben sollte. Als de Villepins Sekundant empfiehlt sich der deutsche Außenminister, der das Junktim "Teilnahme am Wiederaufbau gegen volle Transparenz und internationale Kontrolle" favorisiert, was auf ein Ende der Vorzugsbehandlung von US-Firmen am Golf hinausliefe.

Da ist es wenig verwunderlich, wenn Colin Powell am Wochenende in Genf bei den Gesprächen mit den Veto-Mächten des Sicherheitsrates Frankreichs Positionen als "völlig unrealistisch" qualifiziert hat. Um so überraschender, dass man sich dennoch auf militärischer Ebene einig zu sein schien: Demnach könnte der jetzige Besatzungsstatus in einen nach Kapitel VII der UN-Charta definierten Kampfeinsatz umgewidmet werden, bei dem die USA den Oberbefehl behielten. Vom Sicherheitsrat abgesegnet soll ein solches Vorgehen in Westeuropa Akzeptanz finden und muslimische Länder - etwa die Türkei und Pakistan - ermuntern, Truppen in den Irak zu schicken.

Wer aber glaubt ernsthaft, ein solches Mandat und ein in der Zusammensetzung verändertes Besatzungskorps könnten die Iraker bewegen, sich mit einem - nach wie vor unbefristeten - Kolonialstatus abzufinden? Und werden nicht zivile UN-Mitarbeiter noch gefährdeter sein als bisher, wenn die Vereinten Nationen nun erst recht im Geruch der Kollaboration mit den Eroberern stehen? Um so fragwürdiger ist das Nachgeben Deutschlands und Frankreichs gegenüber den militärischen Positionen der USA - Zugeständnisse, die für eine Konfliktlösung kaum hilfreich sind. Warum wird die Debatte nicht endlich vom Kopf auf die Füße gestellt und gefragt: Wer hat aus dem Irak zu verschwinden und wer sollte stattdessen dort präsent sein? Ein Abzug von Briten und Amerikanern ist unumgänglich - danach kann man weitersehen.

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