Angefangen hat alles mit dem Forum junger Bühnenangehöriger, damals, 1965, als das gerade gegründete Theatertreffen noch in seinen West-Berliner Windeln lag. Eine Art Nachwuchsbetreuung für angehende Regisseure, Dramaturgen und Bühnenbildner sollte es sein. Doch schon in den achtziger Jahren lud man die Stipendiaten international ein, und das Forum stieg zu einer wichtigen Institution auf, wo Netzwerke geknüpft und Freundschaften fürs Leben geschlossen wurden. Die Teilnehmer erhielten Hotelzimmer und Freikarten, und neben dem kritischen Austausch über die zehn – wie es immer schon hieß – „bemerkenswertesten“ deutschsprachigen Inszenierungen der Saison, die das Theatertreffen alljährlich zeigt, wurde auch die Begegnung mit den Künstlern ermöglicht.
Der Australier Barrie Kosky, heute Intendant der Komischen Oper in Berlin und allseits bejubelter Regisseur, erinnerte sich bei der Forumsfeier zum 50. nun an seine tolle Zeit als junger Dachs beim Theatertreffen 1989. In einer jüdischen Familie mit europäischem Hintergrund in Melbourne aufgewachsen mit „Sonne, Strand, Sport und Bier“, eröffnete ihm vor allem seine Großmutter den Weg zu Oper und Konzert und insbesondere zur deutschen Kultur. Ein halbes Jahr vor dem Mauerfall kam er nach Berlin, begeisterte sich an den künstlerisch hochrangigen, weil auch hoch subventionierten Aufführungen und schlich sich ein erstes Mal über die Grenze in die Komische Oper, wo er heute, so staunt er immer noch ein bisschen, der Hausherr ist. Als seine Stipendiatengruppe damals Heiner Müller treffen sollte, fragte er, wer das denn sei. Fassungslose Gesichter über diesen ahnungslosen Australier. Er erzählt es den 36 Teilnehmern des diesjährigen Jahrgangs wohl auch zur Ermutigung, dass man durchaus noch nicht alles wissen und jeden kennen muss, wenn man zum Forum eingeladen wird.
Kein junger Dachs mehr
In den letzten Jahren gab es für die Stipendiaten regelrechte Seminare und Workshops, die von Künstlern wie Rimini Protokoll, Andres Veiel, René Pollesch oder dem Schauspieler Bruno Cathomas als Mentoren angeleitet wurden. Austausch und Gemeinschaft entstehen so auch über die Projektarbeit. Und so mancher kommt auch heute, um zu bleiben. Brian Bell aus Texas beschloss nach seiner Teilnahme vor zwei Jahren, gleich ganz des Theaters wegen in Deutschland zu bleiben. Jetzt ist er Regieassistent am Nationaltheater Weimar, für ihn war das Forum die Eingangstür zu dem sich immer mehr internationalisierenden deutschen Theaterbetrieb. Überhaupt ist das Forum als Pionier auf diesem Weg der Internationalisierung zu würdigen.
Zu den diesjährigen Teilnehmern gehört Andriy May, Regisseur am Nationaltheater Kiew, der außerdem viel mit neuer Dramatik in der Ukraine experimentiert hat und beispielsweise in Tscherkassy ein Stück in der russisch-ukrainischen Mischsprache, einer Art Argot, aus Handyaufnahmen von der Straße inszenierte. May ist aber nicht hier, um Statements über die Zukunft seines Landes abzugeben, und ein ganz junger Dachs wie damals Kosky ist er auch nicht. Am meisten hat ihn die Inszenierung der jungen Susanne Kennedy von Fegefeuer in Ingolstadt beeindruckt, die Marieluise Fleißers Skandalstück von 1926 als Playbacktheater erzählt, das die Schauspieler zwingt, robotergleich nur die Lippen zu bewegen. Andriy May begeistert ihre klare formale Setzung. Beim Forum werden eben auch neue ästhetische Formen internationalisiert.
Kommentare 2
Sehr gut.
Vieles ist in Fragmenten, und nicht immer sofort. Und nicht über all.
"Als seine Stipendiatengruppe damals Heiner Müller treffen sollte, fragte er, wer das denn sei. Fassungslose Gesichter.."
So ist das, und so ist das.
Ich kenne das, tausend kennen das. Wenn Alexander Kluge ein dickes Ding mit hunderten Seiten, eines nach dem anderen auf den Markt bringt, mit sechs Seiten zu etwas dann ist das, wie wenn Heiner Müller zwölf Wörter zu ähnlichem Thema -manchmal - kurz, und gut auch gemacht hat.
Ich kann gar nicht anders, bin ich doch die Jugend Deutschlands, als zu tippen dass der Sturtz von der Bierbank besser ist, als ewig das Eisen in das nächste Fleisch zu stechen, bloss weil es Tradition ist.
Und die dunklen Schatten der vorbeidonnernden T34 mit 3 Wörtern (im Gegensatz zu der Liebe des Kluge, und seinen 4 Seiten zum Thema) sind doch beides schön.
"Als seine Stipendiatengruppe damals Heiner Müller treffen sollte, fragte er, wer das denn sei. Fassungslose Gesichter.."
Ja, so wird man nicht berühmt. Ma' hier'n paar Wörter, dann nischt.
Der vorgezogene Sturz von der Bierbank istdas Meisterwerk. Ähnlich Fontanes erkennen der minimalistischen Brandenburgischen Landschaft. Jetzt kommt da einer aus Kanada..
Unserer Jugend könnte ja nicht anders (würde Adolf Hitler sagen), als die Wörter einiger aufsaugen, wie das Licht und die Luft.
So gehöhrt die Jugend doch nicht Adolf Hitler sondern uns!
Wie das Licht und die Luft und die bombardierung Halberstadts. Müllers und Kluges. Den ollen Haudegen.
Mann, bin ich schräg. Gerade obder mir von 12 Jungfrauen dargebotenen Drogen. Paralel läuft noch Schumanns so-und-so-vieltes Streich, nein Klavier- oder so was Quartet, Symphonie..
Mit Geigen. Der Krieg von 2023 ist noch nicht vom Zaune. Das Leiden nach dem Smartphone, die Kinder der kleinbürgerlichen VW-Scene und dem ZDF Sommergarten ahnen noch nichts, die Urlaube der noch-nicht-prekären werden abgestattet, die Sonne scheint, der eine oder andere Herbst lässt noch seine Überaschung zu, man hat noch ein paar Scheinblüten, so ist es dann wieder so weit, wie schon immer: in dunklen Schatten dröhnt etwas vorbei das die betreffende Generation als besonde einschneident beurteilen wird.
Wie immer.