Wer strahlen darf

Männchenschema Einige Nachfragen zur Absetzung der Rowohlt-Verlagsleiterin Barbara Laugwitz
Ausgabe 41/2018
Strahlkraft und Rampenlicht haben oft einen unmittelbaren Zusammenhang
Strahlkraft und Rampenlicht haben oft einen unmittelbaren Zusammenhang

Foto: Oli Scarff/Getty Images

Kürzlich vernahm ich, die Rowohlt-Verlegerin Barbara Laugwitz sei von der Holtzbrinck-Konzernspitze entlassen worden, weil es ihr an „Strahlkraft“ fehle. Ich dachte sofort an Hiroshima, an Tschernobyl und Fukushima.

Aber gut, sagte ich mir. Es handelt sich hier eben um eine andere „Strahlkraft“, eine, die sich wissenschaftlich nicht messen lässt. Wie soll ich mir dieses Phänomen vorstellen? Vielleicht wie die Strahlkraft einer Bienenkönigin? Ihr wird von ihrem Bienenvolk eine bestimmte Nahrung zugeführt, die sie größer und strahlender werden lässt. Also eine vom Volk erzeugte Strahlkraft.

Wer viel in den Medien (vor allen denen mit bewegten Bildern) auftaucht, dem wächst auch etwas zu, was dann von manchen eben als Strahlkraft bezeichnet wird. Es handelt sich also um etwas Hausgemachtes, selbst Erzeugtes. Unter dieser Prämisse wäre der beste Verleger Michael Jackson. Und die besten Verlegerinnen zum Beispiel Helene Fischer oder Heidi Klum. Der Rowohlt-Verlag hat Florian Illies eingestellt.

Meine ersten Verleger hießen Siegfried Unseld und Michael Naumann. Von ihnen hieß es, sie seien Parkettlöwen. Ins Heute übertragen heißt das, Siegfried Unseld und Michael Naumann waren Verleger von großer Strahlkraft. Aber warum waren sie das? Sie strahlen ins Heute herüber, weil sie AutorInnen wie Ingeborg Bachmann und Thomas Bernhard in den Verlag holten. Oder Bücher herausgaben wie den Der Weltatlas der Poesie – querfinanziert. Querfinanzierung ließe eine Konzernspitze heute nicht mehr zu. Das sei, höre ich, ökonomischer Selbstbetrug. Als Naumann den Rowohlt-Verlag verließ, verließen viele aus ihrem Werk heraus strahlende AutorInnen das Haus. Elfriede Jelinek, Herta Müller etc.

Wer darf überhaupt noch strahlen? Und wie stehen die Chancen, dass eine Frau wenigstens die Hälfte der Halbwertzeit so freie Hand hat wie all die „Strahlemännchen“? Meine Erfahrung lässt mich vermuten, dass ein gewisser unterschwelliger und kaum messbarer, kaum beweisbarer Sexismus eine Rolle spielt, unter dem natürlich auch die konzerninterne Kommunikation zu leiden hat. Manchmal, wenn er sich an der Oberfläche zeigt, schütteln alle ungläubig die Köpfe. Wie bitte? Frauen verdienen 29 Prozent weniger als Männer für dieselbe Arbeit? Wie bitte? Der Dienstwagen der leitenden weiblichen Angestellten ist im Schnitt 10.000 Euro weniger wert als der ihrer männlichen Pendants? Herr Illies, dem ich von Herzen alles Gute wünsche, hat gute Voraussetzungen für den neuen Job. Als Bestsellerautor hat er sein kommunikatives Soll längst erfüllt.

Alissa Walser ist Schriftstellerin. Mehrere ihrer Bücher erschienen bei Rowohlt

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