Schauspieler Uwe Kockisch sagt in einer kleinen Doku über die Produktion von „Weißensee“ einen Satz: „Ich vermisse die Machtlosigkeit des Geldes.“ Den Satz sagt er nicht in seiner Rolle als Stasi-Offizier Hans Kupfer in der ARD-Serie, deren vierte Staffel gerade im Fernsehen lief. Er sagt den Satz als Uwe Kockisch – als Ostler im Westen über den Westen.
„Ich vermisse die Machtlosigkeit des Geldes.“ Was für ein einfacher wie furioser Satz, dachte ich. Und fühlte mich ertappt: Werde ich ostalgisch? Kockisch sprach aus, was viele Menschen im Osten heute fühlen: In der DDR haftete Geld eine gewisse Machtlosigkeit an, in ihrer Geldlosigkeit waren die (meisten) Menschen gleicher, vom Kohlenträger bis zum Schauspieler.
Heute ist das anders. Da hat man Geld. Oder nicht. Da ist man oben. Oder unten. Da wird man – je nach Kontostand – auf- oder abgewertet. Schlimmer noch: Manche Menschen werten sich selbst auf oder ab. Aus Kockischs Worten spricht eine Abneigung gegen diese Wertigkeit des Geldes, die sich wie eine erstickende Steppdecke auf das Leben legt.
Natürlich gab es auch in der DDR Menschen mit Geld, manche sogar mit unverschämt viel und unverdientem Geld. Und natürlich gab es deswegen mitunter (viel) Neid. Die meisten Menschen aber lebten nach dem Prinzip: Geld? Nicht wichtig. Lasst es krachen.
Ich hab sie schon im Ohr, die aufgeregt-kritischen Stimmen aus dem Westen: Wozu auch? Gab ja nichts. Stimmt, gab nicht viel im Osten. Und ja, das war furchtbar, und auf den popeligen Trabant musste man zehn Jahre warten. Dafür gab es den Gartennachbarn, der Haselnussschnaps brannte und im Herbst die Laubenpiepergemeinde zum Besäufnis einlud. Der Kollege „im Betrieb“ hatte einen Draht zu einem, der an Dachpappe rankam. Die Mutter einer Freundin arbeitete bei der Jugendmode und legte für die Bekannten nach der neuen Lieferung ein paar Blusen „auf Seite“. „Vitamin B“ war die Währung des Ostens. Machte nicht so richtig Spaß. Und bezahlt werden musste die Dachpappe schließlich auch. Die billigen Wohnungen rotteten vor sich hin – weil kein Geld da war. Kein Geld ist auch keine Lösung.
Ich kenne einen Mann, der besitzt eine Parkettschleifmaschine. Er brauchte sie nur ein einziges Mal – als er sein Haus baute, vor 15 Jahren. Er hätte sie sich sicher von einem Nachbarn borgen können. Hat er aber nicht, er will ihnen nichts schuldig bleiben. Er kaufte sich also eine eigene, nun gammelt sie in seinem Keller vor sich hin. Er verborgt sie nicht, weil er seinen Nachbarn nicht das Gefühl geben will, ihm etwas zu schulden. Ich muss nicht verraten, dass der Mann aus dem Südwesten kommt. Wir mögen uns nicht besonders.
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