Wie die Republikaner die Burka lieben lernten

Terry Jones In den USA grassiert die Islamophobie, von Florida bis New York. Nicht weil sich 9/11 jährt, sondern weil Kongresswahlen anstehen

Noch am Morgen des 11. September war unklar, ob in Gainesville, Florida, der Internationale Tag der Koranverbrennung stattfinden würde. Der Urheber der haarsträubenden Gedenk­initiative, der Pastor Terry Jones, war angeblich Freitagabend (Ortszeit) noch nach New York geflogen, um dort mit dem Imam zu sprechen, der ein islamische Gemeindezentrum in Manhattan errichten will.

Seit Tagen beschäftigten Jones' wirre Ankündigungen, Korane zu verberennen oder auch nicht, die Medien und die Politik – mittlerweile weltweit. „Der Islam ist des Teufels“, wettert Jones. Den Satz hat er auch auf ein Buch drucken lassen, das er mit passenden T-Shirts und Medienauftritten in den letzten Wochen beworben hat. Auf Facebook sind seine Anhänger Feuer und Flamme – alle paar Sekunden erscheinen neue Pinnwandbeiträge. Der zündelnde Jones ist Symptom für eine gewaltige Welle der Islamophobie. Geschürt wird sie nicht nur von konservativen Fernsehmachern, sondern auch von Politikern. Der Anlass ist gut gewählt: Am 2. November finden in den USA Kongresswahlen statt. Daher reden sich derzeit republikanische Kandidaten gemeinsam mit den Moderatoren von Fox News in Rage. Das geplante New Yorker Gemeindezentrum, zwei Blocks entfernt von Ground Zero, ist Wahlkampfgegenstand.

Die Empörung über die Errichtung islamischer Zentren und Gebetshäuser lodert aber auch in anderen Bundesstaaten: In Tennessee protestieren die Bewohner von Murfreesboro gegen den geplanten Bau einer Moschee, und selbst im liberalen Kalifornien geht die Bevölkerung auf die Barrikaden – lokales Gebetshaus für Muslime unerwünscht.

Die Islamophobie liefert konservativen Kandidaten eine leicht zu bespielende Bühne: „Der Islam ist keine Religion, vielmehr ein teuflischer Feind, der die USA infiltriert“, donnert der Republikaner Allen West – und kassiert horrende Wahlkampfspenden. Die unabhängige Konservative Dianne Berryhill erklärt High-School-Schülerinnen in Florida: „Würden wir unter der Scharia leben, könntet ihr Mädchen hier kein bisschen Haut zeigen. Ihr müsstet alle Burkas tragen – und dürftet überhaupt nicht in der Schule sein.“

Die Bilder von wütenden Bürger und wetternden Politiker gehen landesweit durch die Presse, um die Demokraten ist es dagegen recht still. Grund: Ihr Gros verteidigt das Recht der Bill of Rights auf Religionsfreiheit – aber diese Haltung kollidiert mit den Ängsten und Vorstellungen des „Average Joe“. Diskussionen über Rechte oder Motivationen der sieben Millionen Muslime in den USA dringen kaum durch. Stattdessen berichten sogar die renommierte New York Times und die Washington Post ausführlich über den zündelnden Terry Jones. Obgleich seine Gemeinde nicht einmal 50 Mitglieder zählt, macht er sogar auf anderen Kontinenten Schlagzeilen. In Indonesien demonstrierten vor der US-Botschaft rund 3.000 Menschen gegen die geplante Koranverbrennung. Einige islamische Gruppen wiederum instrumentalisieren Jones’ Vorhaben in „YouTube“-Clips und stacheln ihre Anhänger auf. David Petraeus, Kommandeur der US-Streitkräfte in Afghanistan, warnte am Montag, die Koranverbrennung könne seine Soldaten in Gefahr bringen.

Terry Jones, der die ungeheure Aufmerksamkeit sichtlich genoss, gab sich unterdessen gleichwohl bescheiden: Er glaube nicht, dass seine kleine Initiative gewaltsame Auseinandersetzungen heraufbeschwören könne, behauptete er noch. Einige US-Priester, empört über Jones, wollten während ihrer Gedenkmessen am 11. September aus dem Koran vortragen. Ihre Initiative hat kaum Gehör gefunden – Islamophobie hat derzeit Konjunktur.

Anna Gielas ist Publizistin und Politikwissenschaftlerin

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