Wie ein Dreschflegel

Rechtsmarsch Sarkozy ist am Ziel, und Europa wird sich wundern

Er hat mehr Stimmen bekommen als jemals vor ihm ein Politiker in Frankreich, und das nicht nur, weil die Zahl der Franzosen über die Jahrzehnte hinweg größer geworden ist. Nicolas Sarkozy hat sich an einem mai-trunkenen Abend in Paris zum Staatschef machen lassen. Die Mehrheit in Frankreich steht rechts. So einfach ist das. Und so folgenschwer.

Ein neues Kapitel beginnt für die Nation, die sich so gern "groß" in Europa und in der Welt nannte, bis sie unter dem Druck der Globalisierung am Mythos der Grande Nation zu zweifeln begann. Nicolas Sarkozy, der Mann des wohlhabenden bürgerlichen Frankreichs, hat viel versprochen, wenigstens so viel wie Ségolène Royal, erreicht aber hat er mit seinem Sieg bereits eines: eine politische Grenzverschiebung der Republik. Sarkozy ist Frankreichs erster gewählter Staatschef, der ohne Federlesen konservative und rechtsextreme Politik mengt, wenn es eigenem Machtgewinn dient. Ein neuartiger politischer Hybride wird das Land regieren.

Seit dem Aufstieg des Front National vor 20 Jahren haben die Bürgerlich-Konservativen immer wieder versucht, sich die Rechtsextremen vom Leib zu halten. Sarkozy hat sie gefressen. Jacques Chirac, der nach zwölf glücklosen Jahren nun den Elysée-Palast räumt, sprach einst anbiedernd vom "Lärm und den Gerüchen" der Ausländer und gewann seine erste Präsidentschaft dann wiederum mit dem Versprechen, den "sozialen Bruch" in Frankreich zu heilen. Sarkozy, sein Nachfolger, machte nicht so viel Umstände. Die "ungezügelte Einwanderung" sei schuld an der Gewalt in den Vorstädten, hämmerte er den Bürgern ein. Das "Gesetz der Banden" werde er brechen, dem Staat und der Arbeit wieder Respekt verschaffen.

Wie ein Dreschflegel war der Ex-Innenminister wahlkämpfend durch die Lande gerast - in einer Art politischem Geschlechtsakt mutierte er nun zum Präsidenten, schwitzend erwartet von Zehntausenden junger Anhänger im abendlichen Paris, die der Wunsch nach Ordnung und die Ahnung einer neuen Führerschaft beseelt. Ein verstörendes Schauspiel, kaum vorstellbar in Deutschland oder anderen parlamentarisch nüchternen Demokratien Europas.

Viel wird in Frankreich die Neugründung der politischen Rechten gerühmt, die Sarkozy gelungen sei und von den Sozialisten ideologisch verschlafen wurde. Respekt, Verdienst, Moral lautet die angebliche Siegesformel. Selbst François Hollande, der Chef der Sozialistischen Partei, die nun mit ihrer Präsidentschaftskandidatin abrechnen und sich um jede Chance bei den Parlamentswahlen in einem Monat bringen könnte, sieht plötzlich einen Bedarf zur Anpassung. Dabei entpuppt sich Sarkozys Programm bei genauerem Hinsehen nur als das ewig alte Einweckglas der Konservativen mit ihrem "Wer will, der kann auch"-Sermon.

Der neue Staatschef könne nach der Wahl seinen Populismus ruhig beiseite legen, raten angelsächsische Kommentatoren: Einwanderer sind ein prima Wirtschaftspotenzial, Quoten keine Lösung, Handelsbarrieren erst recht nicht. Aber die Chancen stehen gut, dass Sarkozy an seinem Populismus festhält und die Polizei für die Abendnachrichten in die Banlieue ausrücken lässt, sollte der Arbeitsmarkt bleiben, wie er ist, und das versprochene Steuergeschenk nicht bezahlbar sein.

Der Rechtsruck in Frankreich schafft auch neue Verhältnisse in der EU. Die Blockierer im Osten, von Warschau über Prag bis Bratislava, applaudieren Sarkozy. Die EU-Verfassung war noch nie so tot wie nach diesem Wahlsieg. Der neue Präsident will einen kleinen neuen Vertrag, ein paar technische Verbesserungen und das Prinzip der Einstimmigkeit bei Entscheidungen im Europäischen Rat schleifen. Der deutschen Regierung wird das nicht genügen.

Die National-Katholiken in Polen, die Populisten in der Slowakei und in Ungarn, die EU-Skeptiker in Tschechien um Staatschef Václav Klaus hat Sarkozy mit seiner umstandslosen Absage an einen EU-Beitritt der Türkei prompt hinter sich. Sein Wunsch nach Anlehnung an George Bushs Amerika stärkt die Bande mit den neuen EU-Mitgliedern zusätzlich. Frankreich sucht seine Partner im Osten, wenn es um den Stopp der EU-Erweiterung geht, und findet sie im Süden (Spanien und Italien), soll die illegale Einwanderung über das Mittelmeer noch repressiver eingedämmt werden. Und zu Sarkozys "komplexfreier" Rechten gehört möglicherweise auch, dass die deutsch-französische Achse nicht länger eine Priorität der Pariser Außenpolitik sein muss.


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