Wie ein Marmorkuchen

Mietendeckel Am Sonntag tritt der Mietendeckel in Kraft. Aber ist das Land Berlin für solch ein Gesetz überhaupt zuständig? Ein Gutachten sieht keine Probleme
Streitfall Mietwohnung: Für unter Druck geratene Mieter – und für Verfassungsrechtler
Streitfall Mietwohnung: Für unter Druck geratene Mieter – und für Verfassungsrechtler

Foto: Carsten Koall/Getty Images

„Der Föderalismus ist wie ein Marmorkuchen“, sagt Thorsten Kingreen. Man dürfe ihn sich nicht wie eine Schichttorte vorstellen, bei der alle Schichten klar voneinander abgrenzbar sind. Doch genau ein solches Fehlverständnis von Föderalismus bescheinigt er den Verfassern der Gutachten, die gegen den Berliner Mietendeckel argumentieren.

Am Donnerstag stellte der Professor für Öffentliches Recht der Universität Regensburg in Berlin sein eigenes Gutachten vor. Es war von der Bundestagsfraktion der Linkspartei in Auftrag gegeben worden. Mit der Frage der Zuständigkeiten behandelt es die grundlegende Frage des Föderalimus.

Für Kingreen ist die Wohnungsnot ein regionales Problem, das zwar bundesweit, aber nicht flächendeckend auftritt. Gerade deshalb seien die Kompetenzen der Länder so entscheidend. Kritiker wollen aus dem Bundesrecht der Mietpreisbremse ableiten, dass daneben kein Landesrecht bestehen kann, weil der Bund das Mietpreisrecht damit abschließend geregelt habe. Doch so einfach könne man es sich laut Kingreen nicht machen – und hier kommt der Marmorkuchen ins Spiel.

Einerseits gebe es das Mietpreisrecht, ein bürgerliches Recht, das eine so genannte konkurrierende Gesetzgebungskompetenz ist. Das bedeutet, dass theoretisch sowohl der Bund als auch die Länder dafür zuständig sind. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes reicht aber nur so weit, wie er sie ausnutzt. Dort, wo der Bund keinen Gebrauch von seiner Kompetenz macht, lebe die Länderkompetenz wieder auf, erklärte Kingreen mit Verweis auf eine Referenzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus den 1960er Jahren.

Kein Bedarf für eine einheitliche Regelung im Bund

Ein Bundesgesetzgeber, der den Ländern die Entscheidung überlässt, ob eine Regelung angewendet wird, mache von seiner Kompetenz eben nicht abschließend Gebrauch. Genau das sei bei der Mietpreisbremse im Bund der Fall. Diese werde nämlich nur dann aktiviert, wenn in den Ländern eine entsprechende Verordnung erlassen wird, was in Sachsen, Sachsen-Anhalt und im Saarland nicht passiert sei, so Kingreen.

Darüber hinaus gebe es eine weitere Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Wohnungswesen. Dieses sei traditionell für Regelungen des öffentlich-rechtlichen Mietpreisrechts genutzt worden. Ursprünglich ebenfalls eine konkurrierende Kompetenz ist das Wohnungswesen mit der Föderalismusreform 2006 in die alleinige Zuständigkeit der Länder übergegangen. Dadurch werde deutlich, dass gar kein Bedarf für eine einheitliche Regelung im Bund besteht, so Kingreen.

Der Mietendeckel soll am Samstag im Berliner Gesetzblatt verkündet werden und am Sonntag offiziell in Kraft treten. Er gilt zunächst für fünf Jahre und umfasst drei Regelungen. Während der Mietenstopp für Bestandsverträge und die Mietobergrenzen für Neuvermietungen sofort greifen, können überhöhte Mieten erst in neun Monaten, also im November dieses Jahres abgesenkt werden. Kingreen kommt zu dem Schluss, dass das Land Berlin für alle drei Regelungen die Gesetzgebungskompetenz hat. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht seine Einschätzung teilt oder aus dem Marmorkuchen doch noch eine Schichttorte macht.

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