FREITAG: Warum heißt Ihr Projekt "Village e.V."?
CHRISTIAN HAMM: Der Begriff steht für das Dorf als Modell und damit für Kommunikation. Zugleich haben wir immer nach etwas gesucht, das eindeutig schwul ist und trotzdem Außenstehende nicht abschreckt. Wenn man in New York schwul weggeht, geht man eben ins Greenwich Village. Daher der Name.
Das Projekt gibt es seit Februar 2001. Wie ist der aktuelle Stand?
Die Altenpflege, die Politik, verstanden als Öffentlichkeitsarbeit, und das Wohnprojekt gehören untrennbar zusammen. In der Pflege starten wir mit der Beratung, dazu gibt es bei Village e.V. einen eigenen Arbeitskreis. Für die Öffentlichkeitswirksamkeit hatten wir eine Ausstellung und Studien konzipiert. Leider sind die Gelder hierfür nicht bewill
e Gelder hierfür nicht bewilligt worden, wir verfolgen es aber weiter. Das Wohnprojekt ist zurzeit für die Winterfeldtstraße in Berlin-Schöneberg vorgesehen. Hier planen wir einen Neubau mit 40 Mietwohnungen und 16 Pflegeplätzen in einem toleranten Umfeld. Dort im Kiez war kein adäquater Altbau zu haben, dafür aber ein Grundstück.Wie ist das Feedback aus der schwullesbischen Szene? Es gibt großes Interesse, was sich aber eher verbal ausdrückt, weniger in Fördermitgliedschaften. Das kann man aber verstehen. Vereine müssen erst einmal eine Weile bestehen. Zudem sind Lesben und Schwule ganz besonders vorsichtig. Anfragen für Wohnungen kriegen wir dann eher von Frauen als von Männern. Das Interesse wird sicher zunehmen, wenn es bald ein konkretes Architekturkonzept mit einem Modell gibt.Village e.V. bietet Fördermöglichkeiten als "Generationenvertrag" an. Was meint das genau? Die Idee ist, die Community zu mobilisieren, in eigener Sache aktiv zu werden. Wir Jüngere zahlen 20, 30 oder 40 Jahre unseren festen Beitrag, der in die Arbeit einfließen kann und somit unsere Situation im Alter viel einfacher machen wird. Der Gedanke ist grundsätzlich gut, es funktioniert aber bislang nicht so, wie wir es uns erhofften.Wo liegen davon abgesehen die größten Schwierigkeiten? Die gesamte Arbeit wurde bisher ehrenamtlich geleistet. Das schaffen wir so nicht mehr. Wir brauchen eine bezahlte Arbeitskraft. Die lesbisch-schwule Community könnte sie über mehr Mitgliedschaften finanzieren. Besonders praktikabel scheint dieser Weg aktuell aber wohl nicht. Vielleicht sind wir in zehn Jahren so weit. Bleibt bis dahin nur die öffentliche Hand, aber dort ist die Konkurrenz unter den einzelnen Projekten riesig.Was zeichnet Ihr Pflegekonzept aus? Wird es bei Ihnen ausschließlich schwules und lesbisches Personal geben? Ja. Bei uns sammeln sich ja auch viele Leute aus dem Pflegebereich. Aber wir sind kein rein lesbischschwules Haus. Die Abgrenzung ist für uns zwar ein wichtiger Selbstschutz. Aber alle, die sich bei uns wohl fühlen, können Teil davon sein - ohne irgendeinen Test zu durchlaufen oder dergleichen.Und wenn ein Ehepaar mit Kind und Hund vor der Tür steht? Darf es einziehen? Das ist ganz offen. Alles ist aber letztlich eine Frage der Bewohnerwünsche. Kinder, Hunde, Katzen, der eine hört zu laut Musik, der andere sieht zu laut Fernsehen. Das gehört zum Zusammenleben. Wenn die Bewohner darauf bestehen würden: "Wir wollen keine Kinder im Haus haben", dann müsste man auch das akzeptieren. Denn grundsätzlich funktioniert das Village-Haus wie ein normales Mietshaus. Für die Anfangsphase planen wir eine professionelle Projektbegleitung, denn das Zusammenleben will erst gelernt sein.Für das friedliche Miteinander von schwul, lesbisch und hetero? Ich frage das vorher nicht ab, oft erfahre ich es gar nicht. Viele Ältere haben Schwierigkeiten, dazu zu stehen. Neulich hatte ich ein Gespräch mit einer älteren Dame, die nach einer Wohnmöglichkeit suchte und sich wohl eher als Freundin von Lesben und Schwulen interessierte. Ihre Adresse wollte sie mir dann aber nicht geben.Werden Projekte wie Village e.V. trotzdem irgendwann auch wieder überflüssig sein, wenn sie ihre Modellfunktion erfolgreich erfüllt haben? Vorerst wohl nicht. Selbst wenn wir uns die immer selbstbewusstere Generation der älteren Lesben und Schwulen wie Rosa von Praunheim anschauen. Diese Leute machen nur einen sehr geringen Teil der Älteren aus. Und selbst jemand wie Praunheim würde vermeiden, in ein Pflegeheim zu kommen. Dort kann niemand mehr kämpfen, sich abgrenzen, sondern man ist vollkommen ausgeliefert. Wir alle würden uns dort zurücknehmen, um den einfachsten Weg zu gehen. Die meisten von uns kennen das bereits von längeren Krankenhaus- oder Kuraufenthalten.Also muss sich vor allem in der Pflege etwas ändern? Nicht nur dort, auch in der Politik. Das Entscheidende jedoch ist, dass wir Lesben und Schwulen uns da alle etwas vormachen. Wir sehen den Christopher Street Day mit 500.000 Leuten, sehen einen schwulen Bürgermeister, freuen uns über das Lebenspartnerschaftsgesetz. Und denken: "Warum brauchen wir überhaupt noch besondere Maßnahmen? Es ist doch alles okay." Leider gibt es da aber noch eine andere Welt. Uns Lesben und Schwulen müsste klar sein: Wenn nicht wir weiterhin für eine Gleichstellung kämpfen - die Heteros werden es ganz bestimmt nicht für uns tun.Das Gespräch führte Fabian Kress