Freitag: Unter Ihrem Vorsitz tagte am Wochenende in Berlin der neue Vorstand der Europäischen Linken. Es wurde über Mindestlöhne gesprochen. Wird es dafür bald europaweite Demonstrationen geben?
Lothar Bisky: Wir wollen einen europäischen Mindestlohn, der in keinem Land der EU weniger als 50 Prozent des jeweiligen Durchschnittseinkommens betragen soll. Nur so lässt sich die verhängnisvolle Entwicklung zu einer Gesellschaft der working poor aufhalten.
Gerade beim Thema Mindestlohn haben die einzelnen linken Parteien in Europa klare Vorstellungen. Wie schwierig ist es da, sich als Europäische Linke zu positionieren?
In allen linken Parteien muss man sich bemühen, Konsens zu erreichen. Bemerkenswert ist, dass noch nie so viele Menschen eine Vorstandstagung der Europäischen Linken besucht haben. Dabei wurde klar, dass man im Ausland gerne auf Deutschland zeigt, wenn man vor den Folgen von Sozialdumping warnt. In Deutschland aber hören wir immer, dass es soziale Not nur anderswo gebe und ein Mindestlohn nicht helfe.
Sie wollen für die Europawahl 2009 eine Plattform entwickeln, damit die jeweiligen Programme besser aufeinander abgestimmt werden können. Warum erst jetzt?
Wir gehen demokratisch vor. Uns ist wichtig, dass es keine Entscheidung von oben gibt, sondern eine große Debatte, an der alle 400.000 Mitglieder der linken Parteien Europas teilnehmen können. Und wenn wir im November einen genauen Entwurf für diese Plattform haben, ist dies noch früh genug.
Stichwort Demokratie: Wie bewerten Sie, dass nur Irland ein Referendum über den neuen EU-Reformvertrag abhalten will?
Dies zeigt, wie selbstherrlich unsere Regierungen in Europa sind. Wir aber wollen ein Europa der Bürger. Dazu müssen die Menschen an der Gestaltung der Union beteiligt werden. Leider ignoriert die Bundesregierung, dass Franzosen und Niederländer gegen die Europäische Verfassung gestimmt haben. Damit hierzulande die Skepsis gegen die EU nicht noch wächst, fordern wir ein Referendum.
Befürchten Sie nicht, dass die Linke als eine europaskeptische Partei gelten könnte?
Wir sind eindeutig für Europa. Die Kooperation der Staaten hat eine gute Tradition begründet. Aber wir fordern eine soziale, friedliche und demokratische EU, die auf eine Aufrüstungsagentur verzichten muss.
Das Gespräch führte Dirk F. Schneider
Lothar Bisky ist Vorsitzender der Europäischen Linkspartei und - mit Oskar Lafontaine - Vorsitzender der Partei Die Linke.
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