Wie früher auf dem Schulhof

SPD Sigmar Gabriel würde in Kürze als Vorsitzender zurücktreten, hieß es. In Folge sprangen fast alle deutschen Medien im Dreieck. Jeder wusste was – angeblich
Ausgabe 19/2016
Politikberichterstattung wie auf dem Schulhof: Jeder hat irgendwie was gehört
Politikberichterstattung wie auf dem Schulhof: Jeder hat irgendwie was gehört

Bild: imago/Weiss

Es war wohl so, dass der Focus-Herausgeber Helmut Markwort ein Geraune über den bevorstehenden Rücktritt des österreichischen Bundeskanzlers Werner Faymann missverstanden hatte. Und so teilte er in seiner Stammtisch-Sendung im bayerischen Fernsehen mit, Sigmar Gabriel werde in Kürze als SPD-Vorsitzender zurücktreten. So etwas kann passieren in unseren Südstaaten. Was nicht passieren sollte, ist dies: In den folgenden drei Tagen sprangen fast alle deutschen Medien im Dreieck und spekulierten wild, dementierten scharf oder gaben sich nachdenklich. Was wird aus der SPD?

Die SPD befindet sich derzeit in der Rolle, die Ende 2015 die CDU einnehmen musste. Sie wird niedergeredet, niedergeschrieben. Es ist wie beim Petzen in der Schule. Wenn erst die Schleusen geöffnet sind, weiß jeder etwas. Davon lebt heute die Berichterstattung über Politisches. Begleitet und angefeuert wird das durch Umfragen, die in dichter Folge präsentiert und in Bildern vorgestellt werden, die Bundesligatabellen gleichen. Jeder Politiker, der in seinem Amt wenig taugt, kann sich dabei wichtigmachen, indem er warnend, mahnend oder nur schimpfend auf den Plan tritt. Die Nachrichtensendungen sind voll davon. Die Zeitungen auch.

Die Medien sind zudem angefüllt mit Berichten über das Innenleben der Parteien, nicht nur auf Bundesebene. Die Landesparteien sind auch ein Thema. Da gibt es jeweils mehrere in 16 Bundesländern und so kommt einiges zusammen. Ob das stimmt, was fleißig kolportiert wird, ist keine Frage mehr. Aus Fraktionssitzungen teilt nicht selten ein Anonymus dem Berichterstatter mit, wie heftig man die Kanzlerin angegangen habe. Oberstes Gebot: Quellenschutz, als seien die Hauptstadtbüros von Polizeireportern bevölkert. Ob irgendjemand von den Abgeordneten fürchtet, er werde von der Merkel nach Hohenschönhausen geschickt, weil er geplaudert hat?

Parallel dazu wächst das Interesse an der AfD und wird reichlich bedient. Auch das legt einen Vergleich mit Donald Trump in Amerika nahe. Die New York Times hat errechnet, dass Trump durch den Stil seines Wahlkampfs so sehr das unpolitische Interesse der Medien erregt hat, dass er kostenlose Sendezeiten im Wert von 1,9 Milliarden Dollar bekam. Trump kann man das nicht vorwerfen. Die AfD-Leute sind politisch gleich uninteressant wie er, können aber ebenso gut auf den Putz hauen. So wird unablässig über sie berichtet, so gelten sie jetzt schon als angekommen. Um Politik geht es da nicht mehr. Und daran soll dann irgendwann auch wieder die Merkel schuld sein.

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