In Berlin veranstaltet die Heinrich-Böll-Stiftung derzeit die 4. Arabisch-Iranischen Filmtage. Unter anderem zu Gast: Negar Tahsili, die ihren Kurzfilm "Wee-Men or Women" zeigt. Darin geht es um Frauen-Taxis in Teheran und Karate-Lehrer
Der Freitag: Woher kam die Idee für Ihren Kurzfilm?
Negar Tahsili: Ich habe mich schon länger mit dem Thema Frauen im Iran beschäftigt. Erst habe ich gemalt. Seit fünf Jahren mache ich Dokumentarfilme. Letztes Jahr bin ich in die Schweiz gereist, zu einem Filmfestival. Im Flugzeug bin ich immer sehr nervös, man kann nichts machen, sich nicht bewegen. Ich habe Zeitung gelesen. Darin war ein Artikel über einen Karate-Lehrer für Frauen. Eine Freundin hat mich begleitet. Sie war mit dem Frauen-Taxi, also einem Taxi, das nu
gleitet. Sie war mit dem Frauen-Taxi, also einem Taxi, das nur Frauen benutzen können, zum Flughafen gekommen. Sie hatte der Fahrerin erzählt, dass ich Regisseurin bin. Die Taxifahrerin wollte schon immer in einem Film mitspielen.Was ist so interessant an Frauen-Taxis und dem Verteidigungstraining?Die Reaktionen sind interessanter als die Ursache?Genau. Es gibt nicht mehr Morde als anderswo. Aber einige Leute benutzen die Situation, um einen Job daraus zu machen. Zum Beispiel der Karate-Lehrer. Das ist clever. Er verkauft CDs und Bücher. Oder eben die Frauen-Taxis. Es gibt sie seit ein paar Jahren, es werden immer mehr.Wenn man den Film sieht und noch nie im Iran war, ist man sich nicht ganz sicher, was man eigentlich gesehen hat. Geht es um die Unterdrückung der Frauen? Es ist ein ernsthaftes Thema, aber trotzdem in Ihrem Film auch komisch.Genau. Das passiert oft im Iran. Es ist eine ernsthafte Sache. Aber wenn man die Oberfläche abkratzt, dann ist es sehr lustig. Als ich zum ersten Mal in diesem Karate-Studio war, musste ich mich sehr zusammenreißen, um nicht laut zu lachen. Aber dann geschah etwas Merkwürdiges: Nachdem ich und die ganze Film-Crew das Studio verlassen haben, fühlten wir uns alle irgendwie stark. Bereit zum Kampf. Und zugleich alarmiert.Geht es um diese Veränderung?Ja. Interessant ist auch folgende Geschichte: In den neunziger Jahren gab es einen berüchtigten Mörder, der Frauen, die zu ihm ins Taxis stiegen, umbrachte. Man nannte ihn die Fledermaus. In dieser Zeit sind viele komische Dinge passiert. Die Frauen hatten Angst. Eine Frau nahm ein Taxi. Als der Fahrer eine ihr unbekannte Route einschlug, fragte sie ihn, wohin er fahren würde. Der Fahrer wollte einen Witz machen und sagte: „Ich bin die Fledermaus“. Daraufhin schlug die Frau mit einer Flasche auf ihn ein.Der Film endet damit, dass Ihr Team von der Polizei angehalten wird und dem Kameramann die Kamera aus der Hand gerissen wird. Was ist da passiert?Das war vor etwa einem Jahr. Es gab damals Proteste. Wir waren zur falschen Zeit am falschen Ort. Sie haben die Kamera und die Bänder beschlagnahmt. Zum Glück hatten wir eine Drehgenehmigung - es ist kompliziert, eine zu erhalten – und haben unsere Sachen nach ein paar Tagen zurück bekommen.Haben Sie den Film im Iran gezeigt?Ja, einmal auf einem Festival in Teheran. Aber der Film lief nur in der Sektion „Frauen und Stadt“, nicht im Hauptwettbewerb, wo er vielleicht zu viel Aufmerksamkeit erregt hätte. Die Veranstalter hatten mich gefragt, ob ich das Ende ändern könnte. Das habe ich aber nicht gemacht.Wie ist das Leben als junge Filmemacherin in Teheran?Ich hoffe, dass ich davon bald leben kann. Es funktioniert so langsam. Es dauert fünf, sechs Jahre, um sich ein wenig zu etablieren. Ich habe vor kurzem angefangen, an einem langen Dokumentarfilm zu arbeiten, zum Thema „Kultur“. Es ist hart, ohne irgendwas zu beginnen. Aber im Iran bist du als Künstler nie allein. Man hilft sich gegenseitig. Und das Leben ist nicht so teuer im Iran.Was können die Leute in Ihrem Film und auf dem iranisch-arabischen Filmfestival erfahren? Warum lohnt es sich zu kommen?Vielleicht: weil viele in Europa ein falsches Bild vom Iran haben. Denn in der Vergangenheit haben wir selbst in unseren Filmen viele Stereotypen dargestellt. Exotische und orientalische. Zum Beispiel gibt es einen bekannten iranischen Fotografen, der hat Fotos gemacht von iranischen Polizistinnen, mit einem Kopftuch und einer Waffe. Das ist ein Klischee. Polizistinnen mit Waffen gibt es auf der ganzen Welt. Das Kopftuch ist nebensächlich. Es hat nichts zu bedeuten. In unseren Filmen wollen wir nun diese Klischeebilder korrigieren.Was sagen Sie Leuten, die Angst vor dem Iran haben, weil in den Medien immer nur von dem gefährlichen Regime und extremistischen Mullahs die Rede ist? Die meisten Deutschen würden wohl kaum Urlaub im Iran machen.Letztes Jahr fuhr ich nach Brasilien. Der Kulturattaché in der brasilianischen Botschaft in Teheran gab mir einige Filme über das Land. Darunter war auch City of God. Ich bin nach Hause gegangen, habe sie angeschaut. Dann habe ich den Attaché angerufen und ihm gesagt, macht das nicht mit Touristen. Als ich später hingefahren bin, war Brasilien das interessanteste Land, das ich besucht habe. Ebenso Südafrika. Wenn man an Südafrika denkt, denkt man an Zebras. Denkt man an die Niederlande, denkt man, alle rauchen Marihuana und das ganze Land ist ein Rotlichtviertel. Aber es stimmt nicht. Und Iran ist ein riesiges Land, mit großen Unterschieden. Zum Beispiel gibt es das ganze Jahr über einen Temperaturunterschied von 40 Grad Celsius zwischen einigen Städten. Es ist wichtig, über die Iraner zu wissen: Sie lieben Ausländer. Sie werden sehr freundlich sein, dir immer helfen.Nach den vermutlich gefälschten Wahlen vor einigen Monaten: Wie ist die Stimmung im Land? Jetzt ist es ein wenig ruhiger. Ich hoffe, dass sich in Zukunft einige Dinge ändern werden. Aber ich lebe gern im Iran. Im Iran ist es wie in einer Familie. Du kämpfst mit Deinem Vater, Deiner Schwester, Deiner Mutter. Aber es ist immer noch dein geliebtes Haus. Für mich ist es so. Aber ich mag diese Konflikte.Das Gespräch führte Marcus Engler