Der Siemens-Vorstand scheint erfolgreich aufzudecken, wie massiv und auf welchen Wegen Schmiergelder geflossen sind - bisher beträgt der Schaden 1,4 Milliarden Euro. Sehen Sie die Gefahr, dass der neue Vorstand noch an den alten Seilschaften scheitern könnte?
Viele Siemensianer sind tief in ihrem Firmenstolz getroffen. Man hatte geglaubt, man könne sich das schon leisten, und mancher glaubt das wohl noch immer. Der Vorstand braucht deshalb Verbündete, die wissen, wo Schwachstellen sind und wem zu trauen ist. Selbst wenn sich der Vorstand gegen die alten Bünde durchsetzt, wird es noch Jahre dauern, bis sich überall eine Kultur der Nulltoleranz ausgebreitet hat.
Ist es ein Vorteil oder Nachteil, dass der Siemensvorsitzende Peter Löscher und der Chef des Vorstandsressorts Recht und Compliance, Peter Solmssen, neu bei Siemens sind?
Beides: Sie sind nicht verdächtig, in die Korruption involviert zu sein. Aber sie werden illoyale Mitarbeiter vielleicht nicht gleich erkennen. Es ist auf jeden Fall sehr gut, dass sie auch die Führungsstrukturen untersuchen: Die hohe Selbstständigkeit der Auslandsniederlassungen hat Korruption sicher begünstigt. Daran änderte auch das Verbot der Auslandsbestechung wenig, das in Deutschland seit 1999 gilt. Übrigens war es der frühere Siemenschef Heinrich von Pierer, der damals in Politik und Wirtschaft für das Verbot eingetreten ist.
Halten Sie es für möglich, dass frühere Vorstände nichts von der Korruption wussten?
Ich halte das für extrem unwahrscheinlich, vor allem in einem gut geführten Unternehmen. Wenn es stimmen sollte, dass der Vorstand nichts von davon gewusst hat , wäre das ein hochgradiger Führungsmangel - natürlich auch dann, wenn man es gar nicht so genau wissen wollte.
Siemens war eines der ersten Mitglieder ihrer Organisation. Fühlen Sie sich hintergangen?
Richtig ist, dass man nicht mit offenen Karten gespielt hat. Siemens hatte sich zu korruptionsfreiem Verhalten verpflichtet. Schon vor der großen Affaire ruhte die Mitgliedschaft wegen anderer Verdachtsfälle, in denen wir uns weder hinreichend noch wahrheitsgemäß informiert fühlten. Heute ist Siemens kein Mitglied mehr. Immerhin hat die Affaire bewirkt, dass jetzt Unternehmen offener darüber sprechen, wie sie sich vor Korruption schützen können.
Peter von Blomberg ist im Vorstand der Antikorruptions-Gesellschaft Transparency Deutschland verantwortlich für das Thema Wirtschaft. Zuvor arbeitete er im Vorstand der Allianz-Versicherung.
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