Wie man wird, was man ist

Medientagebuch Sachlich im Tonfall, der Politik nie fern: 50 Jahre Deutschlandfunk oder die Geschichte eines Senders zwischen Osten und Westen

In diesem Jahr feiert der Deutschlandfunk (DLF) sein 50-jähriges Bestehen. Er hatte am 1. Januar 1962 seinen Betrieb aufgenommen, erreichte allerdings mangels Frequenzen kaum Menschen. Die Vorgeschichte des DLF geht noch einmal mehr als zehn Jahre zurück.

Erste Überlegungen für einen Sender, der vor allem den Wiedervereinigungsgedanken des nach dem Krieg geteilten Deutschland propagieren sollte, wurden bereits 1950 formuliert. Ein CDU-Bundestagsabgeordneter wünschte sich ein eigenes Radioprogramm „für die Brüder und Schwestern in der Ostzone“. Ab 1952 strahlte dann der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR), der später in NDR und WDR aufgespalten wurde, über Langwelle ein solches Programm gen Osten aus. Doch das bestand absurderweise nur aus Musik, weil sich Politik und Rundfunkanstalten über redaktionelle Zuständigkeiten von Wort- und damit von politischen Sendungen uneins waren.

Die Bundesregierung unter Adenauer plante einen von der ARD abgekoppelten Sender, der Regierungspolitik vertreten sollte. Dagegen wehrten sich die ARD-Sender wie die für Kultur und damit auch für den Rundfunk zuständigen Bundesländer.

Zu einem Kompromiss kam es erst, als das Projekt eines Adenauer-Fernsehens 1961 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert war. Der Deutschlandfunk wurde anders als die ARD-Sender zwar auch indirekt vom Bund kontrolliert, gehörten doch seinem Rundfunkrat Mitglieder von Bundestag und Bundesrat an. Zugleich wurde er aus dem Bundeshaushalt kräftig bezuschusst. Andererseits wurde der neue Sender aber der ARD attachiert, deren Radioprogramme eine bis heute fortwährende Kooperation begannen.

das Signum eines „Wiedervereinigungssenders“

An Hörern in der Bundesrepublik war dem DLF zunächst wenig gelegen, man konzentrierte sich auf die DDR und in eigenen Fremdsprachensendungen auf das angrenzende osteuropäische Ausland. Erst in den 1970er Jahren wandelte sich das Selbstbild, nicht zuletzt im Zuge der Ostpolitik der sozial-liberalen Bundesregierung. Nun wollte man gleichsam ein kulturelles Scharnier zwischen Ost und West bilden.

Dennoch haftete dem DLF weiter das Signum eines „Wiedervereinigungssenders“ an, den man in der BRD mit seinen Spitzenproduktionen im Hörspiel oder im Feature ernst nahm, den man aber ansonsten als ein der jeweiligen Regierung nahes Programm ignorierte. Dass sich das in den 1990er Jahren änderte, hat nicht nur damit zu tun, dass der Auftrag sich historisch erledigt hatte oder dass der DLF zusammen mit dem Deutschlandradio Kultur (hervorgegangen aus RIAS und DS Kultur) zu einer „gemeinsamen Körperschaft des öffentlichen Rechts“ namens Deutschland­radio verbunden wurde.

Es hatte vor allem damit zu tun, dass sich die Angebote der ARD-Hörfunkprogramme massiv geändert hatten. Sie restrukturierten in den 1980er Jahren ihre Angebote weitgehend nach Musikfarben. Vollprogramme, die vom Sport über das Hörspiel bis zur Musik alles bieten, verschwanden. Magazinsender wie WDR 2 wurden extrem popularisiert. In dieser Wettbewerbssituation bot der DLF bundesweit einen wohl­tuenden Kontrast.

Bis heute ist der Tonfall sachlich und nicht marktschreierisch. In den Nachrichten wird nicht zugespitzt oder auf Schlagzeilen gesetzt, stattdessen umfassend informiert. In der Musik finden sich alle Stilrichtungen, im Hörspiel bleibt der Sender Avantgarde. Nur der Politik ist der Sender weiterhin nicht fern; Spitzenposten werden nach Proporz besetzt.

Dietrich Leder schreibt hier zumeist über Fernsehen

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