Wie Oscar

Aber mit Steuergeldern Wie sich die Deutsche Filmakademie eine demokratische Filmförderung vorstellt

Die Oscar-Verleihung droht in Verruf zu geraten. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, bekamen die 6.500 stimmberechtigten Mitglieder der Academy dieser Tage ein achtseitiges Merkblatt zugestellt, in dem zur Sachlichkeit und Objektivität aufgerufen wird. Ausdrücklich etwa wird darum gebeten, keine "möglicherweise schädlichen Gerüchte" über Filme zu verbreiten. Was für europäische Ohren nach Posse klingt, hat den Hintergrund, dass die Produktionsfirmen in den USA den Kampf um die Filmpreise mehr und mehr als echten Wahlkampf betreiben - mit großflächigen Anzeigenkampagnen und raffinierter Informationspolitik. Die Motive liegen auf der Hand: Eine Oscar-Nominierung ist bares Geld wert, schlägt sie sich doch als Werbeeffekt unmittelbar auf das Einspielergebnis nieder. So gesehen handelt es sich bei den Oscars tatsächlich um eine Art Kulturförderung.

Dieser Meinung scheint zumindest der deutsche Produzent Bernd Eichinger anzuhängen. Vergangene Woche wurde endlich wahr, was er jahrelang gefordert und betrieben hatte: Es gründete sich eine deutsche Filmakademie. "Nach u.s.-amerikanischem Vorbild" soll sie auch einen Preis vergeben und zwar, wie das große Vorbild auch, gefälligst den wichtigsten Preis auf nationaler Ebene. Das ist in Deutschland der seit 1951 existierende "deutsche Filmpreis", durch den - heute mit bis zu 300.000 Euro dotiert - zugleich der Großteil der Bundes-Filmförderung ausgeschüttet wird. Verliehen wird er bislang von einer, wie es so schön heißt, unabhängigen Jury, die sich aus Filmschaffenden, Filmkritikern und einigen Vertretern der Politik zusammensetzt.

Obwohl sich die Liste der bisherigen Preisträger durchaus sehen lassen kann, herrscht Jahr für Jahr Unzufriedenheit über Entscheidungen, die entweder als zu publikumsfern oder zu -nah empfunden werden. Hinzu kommt der die wunden Seelen der deutschen Schauspiel- und Regie-Stars besonders kränkende Fakt, dass bei der Verleihung selbst trotz intensivster Imitationsbemühungen sich weder die Spannung noch der Glamour eines Oscar-Abends einstellen wollen.

Diese Mängel glauben Eichinger und seine Mitstreiter nun mit der Vergabe durch die Akademie beheben zu können. 2.500 stimmberechtigte Mitglieder sollen ab 2005 alles besser machen, für Prestige und echtes Hollywoodflair sorgen. Ein kleiner Schönheitsfehler liegt allerdings schon in dieser Zahl - es wäre wahrscheinlich ehrlicher gewesen, sich nach dem britischen Vorbild gleich Film- und Fernsehakademie zu nennen.

Im "Mutterland der Demokratie" wird auch über Kulturförderung rein demokratisch entschieden, oder anders gesagt: In Amerika gilt der Einsatz von Steuergeldern für etwas, was nur Wenigen gefällt, als schlichtweg undemokratisch. In Europa ist das anders. Hier versteht man unter Kulturförderung traditionell die Unterstützung dessen, was auf dem Markt keine Chance hat. Kunst hat hier einen Wert an sich, der von keiner Mehrheit mehr sanktioniert werden muss. Ja mehr noch: Kunst definiert sich als Opposition zum Massengeschmack. Als dieser Kunstglaube noch intakt war, geriet im übrigen jede Preisverleihung noch aus sich selbst heraus feierlich; sie brauchte keine Abendunterhaltung zu sein.

Die Gremienkultur, der Parteien- und Kirchenproporz der Jurys, die so leicht verächtlich zu machen sind, wurden als Garant dafür eingerichtet, dass zwar in repräsentativer Zusammensetzung, aber gegen die Masse entschieden werden kann. In den fünfziger Jahren gab es für den "besten Problemfilm" gar noch eine eigene Preiskategorie. Heute soll sich Kultur bezahlt machen.

Dass eine Branchenvereinigung, und als solche versteht sich die deutsche Filmakademie e.V., Steuergelder über Plenumsabstimmungen an sich selbst vergeben will, ist in mehrfacher Hinsicht ein Armutszeugnis: Zum einen für die Politik, die ihre komplexeren Entscheidungswege offenbar immer weniger rechtfertigen kann. Zum anderen für die Branche, die damit zugibt, dass ihr Preis ohne die Fördergelder keine Bedeutung und gleich gar keinen Glamour hätte.

Komiker Steve Martin eröffnete die diesjährige Oscar-Gala mit einer beißenden Kritik an der Kampagnenpraxis der Produktionsfirmen. Die Miramax-Leute zum Beispiel seien offenbar vor gar keinem Mittel mehr zurückgeschreckt, um ihren Chicago nach vorn zu bringen: Sie hätten einen sehr schönen Film gemacht, der allen gefallen habe. Es ist diese Art der Skrupellosigkeit, die man in der deutschen Filmbranche so schmerzlich vermisst.

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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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