Wie wäre es, wollten wir lernen?

Aktuell 50 Jahre Kommunistenverfolgung

Es gab in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg eine Zeit, in der die SPD versprach, nie mehr den Fehler zu wiederholen, die KPD zu bekämpfen, weil dieser Kampf das Ende der Weimarer Republik beschleunigt hatte. Aber von jenem Versprechen und der erklärten Absicht, das Unrecht der Nazis an den Kommunisten wiedergutmachen zu wollen, blieb nach Beginn des Kalten Krieges nicht viel übrig. Ab 1949 und viele Jahre danach war die CDU mit Konrad Adenauer die führende Partei der jungen Bundesrepublik, nicht die SPD.

Die gleichzeitigen Anträge der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht im Jahre 1951, die Sozialistische Reichspartei (SRP) und die KPD zu verbieten, sollten heuchlerisch eine unparteiische Ausgewogenheit gegen rechts und links demonstrieren. Mit der rechtsradikalen SRP wurde das Gericht schnell fertig und verbot sie schon 1952. Mit dem KPD-Verbot aber tat es sich so schwer, dass sein Präsident Josef Wintrich im November 1954 Kanzler Adenauer besuchte, um ihn zur Rücknahme des Antrags zu bewegen. Doch Adenauer wollte nicht, obwohl die KPD, die im ersten Bundestag nur durch 15 Abgeordnete vertreten war, schon 1953 die Fünf-Prozent-Klausel verfehlt und viele ihrer Mitglieder verloren hatte. So begann der Prozess kurz nach diesem Besuch - ohne die Prozessbevollmächtigten der KPD, die mit Haftbefehl gesucht wurden oder schon im Gefängnis saßen. Die Verhandlung endete nach 51 Tagen im Juli 1955. Danach berieten die zögernden Richter noch so lange, dass der verärgerte Kanzler ein Gesetz durchs Parlament brachte, das die Zuständigkeit für Parteiverbote ab 31. August 1956 vom Ersten auf den Zweiten Senat des Verfassungsgerichts übertrug.

So ging man in der jungen Republik alsbald mit dem Rechtsstaat um. Das neue Gesetz war dazu angetan, den Ersten Senat so unter Druck zu setzen, dass er am 17. August 1956 tat, was von ihm erwartet wurde. Mit spitzen Fingern legte der Präsident das schriftliche Urteil bei seiner Verkündung vor sich hin: "Das Gericht hat seine Entscheidung nach rein rechtlichen Gesichtspunkten zu treffen; daher sind ihm politische Zweckmäßigkeitserwägungen versagt" - die Einleitung des Verfahrens jedoch habe in der "ausschließlichen politischen Verantwortung" der Bundesregierung gelegen. In der Urteilsbegründung hieß es, die KPD verstehe den Marxismus-Leninismus als den Weg zum "aggressiv-kämpferischen" Umsturz: "Die Diktatur des Proletariats ist mit der freiheitlichen demokratischen Ordnung des Grundgesetzes unvereinbar." Dies einmal unterstellt: War das in den fünfziger Jahren das wahre Ziel der aus der DDR gesteuerten KPD? Die DDR hatte schon damals - und daran sollte sich bis 1989 wenig ändern - andere Sorgen. Sie kämpfte ums bloße Überleben, das ihr die BRD - und die Westalliierten - mit ihrem tradierten Antikommunismus von Anfang an nicht hatten zugestehen wollen (weshalb der zweite deutsche Staat auch nie eine wirkliche Chance besaß).

Die Behörden der Bundesrepublik hatten vom Verfassungsgericht keinen anderen Spruch als das Verbotsurteil erwartet und waren deshalb gut vorbereitet: Am Vormittag der Verkündung in Karlsruhe stürmten Polizeieinheiten Büros und Zeitungsredaktionen der KPD, beschlagnahmten Unterlagen und versiegelten die Räume; KPD-Funktionäre wurden ebenso wie ein niedersächsischer Landtagsabgeordneter der Partei verhaftet - gegen die Immunitätsregel für Parlamentarier. Bei der Einziehung des Parteivermögens machten die Behörden und schließlich auch der Bundesgerichtshof nicht viel Federlesens. Arbeitsverhältnisse mit der KPD wurden mit dem Tag des Parteiverbots für aufgelöst erklärt: Der Schuldner existiere nicht mehr, hieß es, überdies sei ein solches Arbeitsverhältnis "mit einem Makel im Sinne des Grundgesetzes behaftet". Auch die anderen Gläubiger - mit Ausnahme der Hypothekengläubiger - hatten das Nachsehen. Das widersprach dem Grundsatz, wonach - wer ein Vermögen übernimmt - auch für die Schulden des einstigen Eigentümers aufzukommen hat - nur galten für Kommunisten hierzulande andere Gesetze als für die Bourgeoisie.

Wie wäre es, wollten wir aus dem KPD-Urteil lernen, in Krisenzeiten - oder überhaupt - weniger Verbote zu fordern, weniger an Gesetze, sondern den lohnenden Versuch zu glauben, dass sich Menschen durch gute und wahre Argumenten überzeugen lassen?


Heinrich Senfft

Buchautor und Jurist, früher u. a. Anwalt der Zeit und des Spiegel


Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden