Wieder mit Buschzulage

Kommentar Westdeutsche rühren die Hartz-Trommel

Wenn die Bundesagentur für Arbeit zur Umsetzung von Hartz IV im Osten westdeutsche Beamten einsetzt, ist das nur folgerichtig. Für diese Menschen gibt es im Westen keine Beschäftigung. Sie sind sozusagen auch arbeitslos. Aber - und da liegt der entscheidende Unterschied - diesen Arbeitslosen gegenüber ist der Staat gern zur Alimentierung auf Höchstniveau verpflichtet. Den ostdeutschen Langzeitarbeitslosen gegenüber nicht. Angesichts dieser Grundeinteilung der Deutschen liegt demnach auf der Hand, dass jene, die alle Rechte haben, denen, die keine Rechte haben, zügig klar machen, was die Stunde geschlagen hat: Es reicht eben nicht mehr für alle.

Die besondere Unlust der Ostdeutschen, sich mit dieser juristisch hervorragend abgesicherten Ungerechtigkeit abzufinden, ist ein Erbe der DDR. Sie kannte zwar beamtenhaftes Verhalten, aber kein Berufsbeamtentum. Vielleicht ist dem einen oder anderen noch in Erinnerung geblieben, dass der Sturz des SED-Regimes auch der Beseitigung ungerechtfertigter Privilegien dienen sollte. Übrigens begegnet uns bei der geplanten Entsendemaßnahme der Bundesagentur ein altes Herrschaftsprinzip. Die englischen Monarchen hielten sich eine schottische Garde, der Papst wählte Schweizer, Lenin ließ sich von lettischen Schützen bewachen. Auswärtige Heerscharen fest gruppiert um das örtliche Allerheiligste und in der ersten Reihe beim Durchsetzen unpopulärer Maßnahmen - das erschwert unerwünschte Fraternisierung. Vor diesem Hintergrund sind westdeutsche Beamte einfach die Geeigneten an der Hartz-Trommel.

Nimmt es wunder, dass dieses Aufteilung in Rechtlose und Privilegierte gerade in Ostdeutschland auf wachsende Erbitterung stößt? Vor 15 Jahren trafen die Vorkommandos in den Landeshauptstädten des Ostens ein und webten an ihren Seilschaften. Heute sind in Brandenburg fünf Sechstel der Bediensteten im höheren Landesdienst Westdeutsche. Daraus wurde eine Diaspora im doppelten Sinne. Die Männer und Frauen aus NRW sprachen sich Westgehalt zu, gründeten ihre edlen Wohnkolonien und fühlten sich fremd bei denen, über deren Köpfe hinweg sie entschieden. Viele der Verwalteten lebten fortan ebenfalls in der Diaspora, denn ihre Heimat verwandelte sich unter der Hand der neuen Oberschicht in einen Kultbereich, der den Einheimischen ebenfalls fremd wurde. Und der ihnen zunehmend feindlich gegenübertritt.

Ein netter alter Bekannter kehrt via Bundesagentur nun in neuer Form zurück: die Buschzulage. Brandenburg hatte sich gerade halbwegs von seiner Trennungsgeldaffäre erholt. Mit ihr wurde sichtbar, dass jene, die sich niemals zum eigenen Ungunsten verrechneten, ihre Unersättlichkeit selbst nach den eigenen Maßstäben übertrieben haben. Im Osten also nichts Neues: Der Hofstaat bedient sich und die Kolonisatoren schwärmen aus.


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