Wachsame blaue Augen, der Mund verschlossen, aber nicht verkniffen - besondere Kennzeichen für Temperament sucht man in diesem Äußeren vergeblich. Und dennoch ist Ralf Christoffers, seit Februar Landesvorsitzender der PDS in Brandenburg, einer der Hoffnungsträger für die Partei, wenn es daran geht, nach der nächsten Landtagswahl 2004 eine rot-rote Koalition in der Mark zu schmieden. Nachdem in Berlin die Weichen für ein solches Bündnis gestellt sind, stehen auch im Nachbarland die Chancen dafür so gut wie nie. "Die PDS soll zweitstärkste Partei in Brandenburg werden. Politische Entscheidungen werden dann nicht mehr ohne uns getroffen", so formuliert der 44-Jährige sein Wahlziel. Er stehe dafür, Regierungsverantwortung zu über
bernehmen. Dafür gelte es aber nicht nur, das Profil der eigenen Partei zu schärfen, sondern auch Anforderungen an Partner und Konkurrenten zu stellen, sagt er selbstbewusst, denn in der veränderten Situation in Berlin sieht Christoffers eine klare "Signalwirkung" über die Grenzen der Bundeshauptstadt hinaus: "Allerdings nur dann, wenn die PDS auch zeigt, wie die Krise in Berlin zu lösen ist, was es heißt, mit den Schulden umzugehen."PDS sucht realisierbare PolitikDie rot-rote Option ist in Brandenburg nicht neu. Nach den jüngsten Landtagswahlen 1999 warb vor allem Regine Hildebrandt in den SPD-Reihen für die Koalition mit der PDS und sprach der CDU, die damals völlig zerstritten und ohne personelles Angebot war, jede Kompetenz ab. Trotz Unterstützung durch die Gewerkschaften und obwohl die Sozialministerin ihren persönlichen Verleib im Kabinett für den Fall einer großen Koalition ausgeschlossen hatte, biss die engagierte Politikerin auf Granit. Zu unvereinbar schienen den Sozialdemokraten die Standpunkte beider Parteien zu Fragen der Länderfusion, zum Bau des Transrapids und eines Großflughafens Berlin-Brandenburg. Nicht einmal über ein Tolerierungsmodell wollte man nachdenken, über 70 Prozent der Delegierten stimmten auf dem entscheidenden Landesparteitag dann für die Koalition mit der CDU. Jetzt wird wieder über Rot-rot gesprochen. Leiser, aber vielleicht auch realistischer. Zwar mahnt PDS-Fraktionschef Lothar Bisky, die SPD müsse zuvor "ihre konservative Grundstruktur ablegen, die sie sich mit der Beerdigung der Hildebrandt-Politik angeeignet hat". Doch seit dem Führungswechsel an der PDS-Spitze hat sich das Verhältnis der beiden Parteien entspannt. Mit der Wahl Ralf Christoffers setzte die PDS ein deutliches Signal - in der Kampfabstimmung gegen die bisherige Vorsitzende Anita Tack erreichte er immerhin 77 Prozent der Stimmen. Die 49-Jährige hatte sich im Vorfeld bei den Parteifreunden vor allem deshalb unbeliebt gemacht, weil sie sich für eine Ablösung von Lothar Bisky als Fraktionschef ausgesprochen hatte. Als Christoffers auch noch die Kampfkandidatur anmeldete, teilte sie Seitenhiebe aus, fürchtete, dass durch die Abstimmung "politisches Potenzial verloren" ginge und beschwor gar eine "Zerreißprobe für die märkische PDS". Der in seiner Partei als integer, zurückhaltend und menschlich geltende Christoffers betonte dagegen nüchtern, dass eine Gegenkandidatur ein "normaler Vorgang" sei. Die Genossen gaben ihm Recht, Bisky "freute sich außerordentlich", und Christoffers widmete sich fortan verstärkt "realisierbarer Politik". Er will die Partei öffnen und möchte weg von der immer stärkeren Ideologisierung. Christoffers nennt sich selbst "Visionär mit Realitätssinn" und hat in den vergangenen Monaten versucht, sozialdemokratische Themen zu besetzen, die von der SPD vernachlässigt wurden. Als wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion beschäftigt ihn vor allem die Vorbereitung des Landes auf die EU-Osterweiterung und die Arbeitsmarktpolitik. Wichtig sei ihm dabei, verstärkt die Regionen und deren eigene Wirtschaftskreisläufe stärken. Beispiel Lausitzring: Als strikter Gegner der Rennstrecke im südlichen Brandenburg fühlt Christoffers sich nun bestätigt. Ein halbes Jahr nach der Eröffnung fehlen Geld, Infrastruktur und Abstimmungen mit dem benachbarten Sachsen. Doch das milliardenschwere Großprojekt steht, und für den Landesvorsitzenden liegt deshalb die Frage auf dem Tisch: Was kann man daraus noch machen? Schadensbegrenzung betreiben natürlich, und das mit einem vernünftigen Strukturkonzept für die Entwicklung der Lausitz.Seine Ideen zur Länderfusion, die er für "wünschenswert hält" und zum Großflughafen, den er grundsätzlich befürwortet, "aber nicht in Schönefeld", bringen ihm viel Lob von Seiten der SPD. "Er ist ein Realitätsgewinn für die PDS. Er hat klar gemacht, wofür er steht", befindet SPD-Landeschef Matthias Platzeck über Christoffers. Der gebürtige Rostocker wird wohl auch deswegen innerparteilich oft mit Helmut Holter verglichen, dem PDS-Chef und Sozialminister in Mecklenburg-Vorpommern.SPD sucht Juniorpartner für 2004Die Zeichen der Zeit stehen gut für die PDS. Dazu tragen auch die Erklärungen der Parteispitzen zur Zwangsvereinigung von KPD und SPD sowie die Verurteilung des Mauerbaus bei. Für Christoffers haben die "Menschen elf Jahre nach der Wende ein anderes Selbstverständnis, die BRD ist zur Realität geworden." So spricht einer, der von sich sagt, er setze auf Lösungskompetenz statt auf Parteibücher.Das war einmal anders. Nachdem Christoffers Anfang der siebziger Jahre seine Berufsausbildung als Schiffbauer und Schlosser beendet hatte, studierte er bis 1986 Gesellschaftswissenschaften an der Parteihochschule der SED, um schließlich bis zur Wende Kader für die FDJ auszubilden. "Ich war immer überzeugter DDR-Bürger. ´89 wurde das Wertesystem auf den Kopf gestellt, und ich hatte eine Reihe von Gesprächen, die mir die Augen öffneten." Er musste sich fragen, welche Verantwortung er selbst hatte und ob ihm das Recht zustand, weiterzumachen. Der Bruch der Partei mit dem Stalinismus auf dem Grundsatzparteitag 1989 war dann für ihn das Signal, von der SED in die PDS zu gehen. Bei zwei Studenten habe er sich im nachhinein entschuldigt. "Ich musste nach Abschluss der Schule Einschätzungen schreiben. Zum Glück ist bei beiden aber kein Schaden aus dieser Beurteilung entstanden. Das wurde mir versichert." Die Zentralverwaltung der DDR oder den Wahrheitsanspruch der SED - die habe Christoffers nie in Frage gestellt, auch wenn sein "politisches" Elternhaus ihn zu eigenständigem Denken erzogen habe. Doch heute empfindet er das als "einseitig kritisch": "Meine Fragen habe ich nicht konsequent bis zu Ende durchdacht." Trotz seiner Überzeugung stimmte er noch 1988 dafür, dass seine beiden Kinder aus erster Ehe mit seiner geschiedenen Frau in den Westen ausreisen durften.Christoffers redet leise und verschluckt die Silben. Dass ihm der Witz und die Schlagfertigkeit eines Gregor Gysi fehlen, weiß er wahrscheinlich selbst. "Ich bin eben kein "Small-Talker"", sagt er. Aber vielleicht ein guter Moderator. In Matthias Platzeck hat er einen adäquaten Gegenpart gefunden. Der designierte Nachfolger von Ministerpräsident Manfred Stolpe sucht bei Umfragewerten, die derzeit knapp an der Grenze zur absoluten Mehrheit liegen, inzwischen einen Juniorpartner für die Zeit nach den Landtagswahlen und hält sich nicht mehr bedeckt, was eine Zusammenarbeit mit der PDS angeht: Man dürfe zwar nicht vergessen, dass die PDS-Vorgängerpartei ein ganzes Land ruiniert habe, aber dennoch müsse man erkennen, dass heute oftmals neue Leute in der Partei tätig seien. Christoffers quittiert solche Gunstbezeugungen mit leichtem Kopfnicken: Er trimmt seine Partei in Richtung Regierungsverantwortung. "Wenn man nicht gewinnen will, braucht man nicht zur Wahl anzutreten", sagt er lakonisch.
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