Offen gestanden: es ist mir ziemlich wurscht, was ein durchgeknallter Bischof von sich gibt, und weder alarmiert noch gar wundert es mich, wenn ein Verein, der Nazi-Kriegsverbrechern zur Flucht verholfen und lateinamerikanische Todesschwadronen mit Waffen ausgerüstet hat, die Exkommunikation solch eines Bischofs aufhebt. Wenn jemand erklärt, die Gaskammern von Auschwitz habe es nicht gegeben, so verletzt mich das nicht mehr als die Behauptung, die Sonne drehe sich um die Erde oder der Papst sei unfehlbar, wie umgekehrt das Eingeständnis der Wahrheit meine ermordeten Großeltern nicht wieder lebendig macht. Eine Demokratie muss das aushalten. Solange sie funktioniert und eine Mehrheit solche Äußerungen als das erkennt, was sie sind, nämlich Unsinn, gibt es keinen Grund zur Beunruhigung.
Wenn allerdings die Zeit die Intervention der Bundeskanzlerin mit dem Argument zurückweist, es bestehe eine Trennung zwischen Kirche und Staat, dann wüsste man gerne, in welcher Welt Zeit-Kolumnisten leben. Was immer der Papst in seiner Unfehlbarkeit gewusst und gedacht haben mag – es wäre gut, wenn der Anlass genutzt würde, um diese Trennung tatsächlich zu realisieren, also das Konkordat zu kündigen und zu verhindern, dass die Kirche bei der Besetzung von Lehrstühlen an staatlichen Hochschulen mitredet. Und wenn Williamson mit seinem Geschwätz gegen Gesetze verstoßen hat, dann muss es sich zumindest von selbst verstehen, dass der Verein, dem er angehört, keine materielle und ideelle Hilfe vom Staat erfährt, dass der Staat nicht für diesen Verein die Rolle des Steuereintreibers spielt.
Solange die Demokratie funktioniert, sagten wir, lässt sich jede Dummheit ertragen. Die Verteidiger Israels führen gerne ins Treffen, dass der jüdische Staat die einzige Demokratie in der Region sei. Formal trifft das unzweifelhaft zu. Aber funktioniert eine Demokratie, deren Bevölkerung mehrheitlich Parteien wählt, die zur Lösung der brisanten Probleme gewiss keinen produktiven Beitrag leisten werden?
Als in Österreich erschreckend viele Wähler den Rechten ihre Stimme gaben, wiegelten die Kommentatoren ab: das seien keine rechten Wähler, Strache und Co. hätten lediglich von Proteststimmen profitiert. Diese Ausrede wird sich für Israel nicht anwenden lassen. Wer Netanjahu und Co. gewählt hat, wusste, dass er die Verschärfung des Konflikts mit den Palästinensern wählt. Deshalb beunruhigt mich der Ausgang der Wahl in Israel weitaus mehr als Williamsons Gequatsche. Hier geht es nicht um eine nicht mehr korrigierbare Vergangenheit, sondern um die Zukunft: um die Zukunft der Palästinenser und – all jenen gesagt, für die nicht jedes Menschenleben gleich viel wiegt und die den Holocaust als Rechtfertigung für eine Vorwärtsverteidigung missbrauchen (als wäre ein getötetes palästinensischen Kind, ein zerstörtes palästinensisches Haus eine Genugtuung für meine toten Großeltern) – um die Zukunft der Juden. Denn dass der Ausgang der Wahlen den Frieden im Nahen Osten wahrscheinlicher gemacht hat, kann niemand ernsthaft glauben.
Und mit jedem getöteten Palästinenser wird auch die Lage der Juden in Israel und außerhalb erschwert werden. Man mag das ungerecht finden, aber es ist nun einmal so, und wer Politik macht, kann sich an der Realität nicht vorbeimogeln.
Ein paar jüdische Fundamentalisten in Israel konnte man hinnehmen, solange eine demokratische Mehrheit sie in Schach hielt, obwohl die Forderung einer konsequenten Trennung von Kirche und Staat selbstverständlich auch für Israel zu gelten hat. Fundamentalisten in der Regierung, in einer jüdischen wie in einer palästinensischen, sind eine nicht zu unterschätzende Gefahr, wie es die katholische Kirche wäre, wenn die Auschwitzleugner im Vatikan das Sagen hätten. Bis dahin darf uns ein Williamson eher ein Schulterzucken oder ein Gelächter abfordern als Empörung, die ohnehin schnell verpufft. Jenen, die sich über Williamson aufregen, die israelischen Wahlen aber mit Gelassenheit hinnehmen, rufe ich jenen müden Witz zu, der mich ein Leben lang verfolgt hat: „Deine Sorgen und dem Rothschild sein Geld möcht ich haben.“
Thomas Rothschild wurde 1942 als Sohn österreichischer Eltern in Schottland geboren und kehrte 1947 in die Heimat seiner Eltern zurück. Der Literaturwissenschaftler arbeitet als Dozent an der Universität Stuttgart und ist regelmäßigen Freitag-Lesern als scharfzüngiger Autor bekannt
Kommentare 5
Klingt cool, Williamson wär mir auch lieber wurscht, aber da ich mich doch heimlich über die Kanzlerin gefreut habe, stimmt das nicht so ganz, habe wohl doch kein Interesse an der ungehinderten Verbreitung antisemitischer Lügen. Auch empfinde ich das Wahlergebnis in Israel als fatal für den Friedensprozess, es ist immer schlecht, wenn bei zwei Erzfeinden auf beiden Seiten die psychologischen Kriegsführer ans Ruder kommen (die Hamas wird sich freuen, Niveauangleichung!) und den nächsten Krieg vorbereiten. Was ich allerdings überhaupt nicht verstehe: Wieso bringen Sie ausgerechnet diese beiden Themen in einen Zusammenhang, Herr Rothschild?
ENDLICH spricht mal einer das Thema "Trennung von Staat und Kirche" an.
Genau davon war in der Mainstream-Presse im Zshg. mit Williams ja nie die Rede.
Und das hat seinen Grund.
Hinter dem ganzen Geschrei wg. Williams steckt naemlich nicht zuletzt die katholische Amtskirche selbst, zumindest ihre deutsche Sektion. Die fuerchtet sich vor einem vatikanischen Rechtsruck naemlich wie der Teufel vorm Weihwasser. Deutsche Berufskatholiken verdanken ihre komfortable Lebensstellung dem 1933 von Adolf Hitler unterzeichneten, fuer die Kirche ueberaus vorteilhaften Konkordat, das ihnen eine privilegierte Stellung als "Koerperschaft oeffentlichen Rechts" einraeumt. Eben kein Verein, Herr Rothschild, sondern eine Koerperschaft eoffentlichen Rechts - so wie ARD und ZDF, nur dass die Kirche keine GEZ braucht, weil ihr ja das Finanzamt zuarbeitet.
Die Kirche will, klarer Fall, dass das auch so bleibt. Dafuer gibt es das strategische Buendnis mit der CDU: Ihr sichert unsern Status, wir machen euch politisch keinen Stress.
Wenn Benedikt jetzt aber in der Kirche eine konservative Wende durchsetzt, dann koennte es zum Bruch kommen. Dann wird es unbequem, sowohl fuer die CDU wie auch fuer die lieben liberalen Sytemchristen. All diese Pfarrer und Religionslehrer, die sich ueber ihre Lebenstellung gefreut haben und denen dann ploetzlich zugemutet wird, ihren Schuelern und Kommunionskindern dann wirklich die Wahrheit ueber die Katholische Kirche und ihre Moralauffassung beizubringen, von Himmel und Hoelle zu predigen -- anstatt einfach dieses beliebige Gutmenschen-Blabla fortzusetzen, das Goettin immer eine liebe Frau sein liess.
Stellen Sie sich mal vor, der Staat wuerde mit der Religionsfreiheit ernst machen, das Konkordat aufkuendigen, und die Berufskatholiken muessten ploetzlich unter Marktbedingungen arbeiten und dabei noch radikale Ansichten vertreten, grad so wie diese ekligen US-amerikanischen TV-Prediger! Sehen Sie: Das ist der Zweck der ganzen Hysterie, des Geschreis: Papst Benedikt soll von seinem Kurswechsel abgehalten werden. Nicht wegen der Juden (die hier nur als moralische Schutzschilde vorgeschoben werden), sondern wegen der offiziellen liberalen katholischen Systemkirche, die bleiben will, wie sie ist: Staatsfinanziert, parteiverfilzt, privilegiert, verbeamtet und dabei weltanschaulich gleichgueltig und areligioes.
Und unsere Medien machen alle alle alle mit, keiner will das Spiel durchschauen...
Es ist alles total richtig, was T.R schreibt und sagt. Unfassbar simpel zeigt er uns, wie wir zu denken haben. Seine Kollegen nennen ihn drum "scharfzüngig". Seltsam ist nur, dass er dazu keines Funkens Originalität bedarf. Um total Recht zu haben, eine Meinung hinzuschreiben, die Millionen auf der Stelle unterschreiben müssten, braucht er sich kaum anzustrengen. Er bestreitet seine politische Kompetenz mit lauter Bordmitteln.
Verwunderlich auch, dass die ganze Wahrheit, sobald er ihr sein moralisches Pracht- Kleid anzieht, sogar vollkommen fad und ermüdend sein darf.
"Eine Demokratie muss das aushalten", sagt er. . Oder stimmt da was nicht, troz allem? Wie heißt der Gipfel der Weisheit, von welchem seine Stimme herunterkommt, auf wen? Auf alle Vernünftigen? Wo versammeln sie sich? Q.
Williamson ist mir auch wurscht. Als Katholik ist mir es aber nicht egal, dass seine Plazenta, die sog. Pius Bruderschaft wieder Teil der Kirche wird. Der Ruck nach rechts in der Kirche scheint jetzt nicht mehr schleichend zu erfolgen wie bei Opuus Dei. Williamson und allen Hlocaust-Leugner sollte man dringend eine Psychotherapie anempfehlen. Das Stafgesetzbuch hilft hier nicht weiter. Anders bei den nationalistischen und faschistischen Wählern in Israel. Hier könnten vielleicht Entscheidungen eines internationalen Gerichtshofes zu den permanenten Verbrechen der Regierung der jüdischen Demokratie Israel an den sekundären Opfern der Shoah, den Palästinensern, ein Ende setzen. Vielleicht würde bei israelischen Juden, dem Zentralrat , ihrem Sprachrohr in Deutschland und bei den Palästinensern Vernunft einkehren.
Auch angesichts http://svtplay.se/v/1426080/uppdrag_granskning/sspx_-_english_version beispielsweise wäre mir die Betrachtung resp. Bewertung der beiden aufgeführten Konflikte unter der Überschrift 'Relativität' ganz und gar zu un'scharfzüngig'. Und zeitigt Folgen, die nicht wünschenswert sind.