Windowswolken

Feindbilder Nach zehn Stunden hatte ich die Schnauze voll und der Computer mich nach Strich und Faden verarscht. Am Ende blieb er ganz still, nachdem er einmal ...

Nach zehn Stunden hatte ich die Schnauze voll und der Computer mich nach Strich und Faden verarscht. Am Ende blieb er ganz still, nachdem er einmal kurz wie eine junge Katze gefiept hatte. Ich saß davor, Schweißperlen tropften von meiner Stirn, die Hände verkrampften sich zu Fäusten, die Zähne knirschten, und ich dachte an Amboss und Hammer und dass ich ganz vorsichtig mit einer Ecke anfangen würde. Vorsichtig, fast behutsam, vor allem systematisch würde ich dieses Ding breit klopfen wie einen Flachbildschirm.

Ich trat auf den Balkon und schaute in den Himmel: Windowswolken. Ich schaute hinunter auf die Straße: Leiterplattenbahn. Die Häuser Kondensatoren, Widerstände, Chips, und die Autos alle Sorten Dateien. Völlig verstopft, dachte ich. Natürlich. Wieso sollte so ein Stadtteil nicht genau so verstopft sein wie ein Rechner, verstopft mit Bordsteinkanten, Autos, Parkplätzen, Straßenbahnen, Werbetafeln, Müllcontainern und vor allem Zeit, die eigentlich keiner hat. Ich beschloss, meinen Computer nicht zu zerlegen. Ich hatte den irrwitzigen Gedanken, dass dann jemand auf die Idee kommen könnte, so eine Stadt zu zerlegen, weil sie ihm zu verstopft ist. Ich stand und rauchte.

Unten lief der Kater, den ich manchmal mit Sandklümpchen aus meinem Blumenkasten bewerfe. Windowskater. Vielleicht muss man Computer einfach erschrecken, mit Sandklümpchen aus dem Blumenkasten. Der Kater reagiert ja auch, er macht einen Bogen um das Stück Weg, vielleicht würde das Ding auf meinem Schreibtisch ja einen Bogen um seine vielen Fehler machen, um meine natürlich auch. Natürlich nicht. Der Kater und ich sind sozusagen Verwandte, der Rechner und ich nicht. Ich betrachtete das Ding, das mich so viel Zeit gekostet hatte und nun anscheinend ganz kaputt sein wollte. Grau und eigentlich belanglos stand es da. Sein Auge glänzte matt. »Ich hab nicht mal Lust, dich vom Balkon zu werfen«, sagte ich. »Musst du ja auch nicht«, antwortete er. »Dann funktioniere endlich!« sagte ich. »Wenn du funktionierst, funktioniere ich auch«, antwortete er nicht ohne Häme. »Ich brauch dich nicht wirklich«, sagte ich. »So?« entgegnete er. Ich spuckte vom Balkon und zündete noch eine Zigarette an. Danach würde ich Windows zum fünften Mal installieren und hoffen, dass ich herausfinde, warum das Programm sich nicht herunterfahren lässt.

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