Als "europäisches Hollywood" wurden die Jadran-Filmstudios in der kroatischen Hauptstadt Zagreb einst bezeichnet. Bis Ende der achtziger Jahre entstanden hier über 800 internationale Koproduktionen, darunter Volker Schlöndorffs Auslands-Oscar-Gewinner Die Blechtrommel, Alan J. Pakulas Sophies Entscheidung und das biografische Fernsehdrama Raoul Wallenberg - Stoffe, für die das weitgehend intakte habsburgisch geprägte Stadtbild Zagrebs eine ideale Kulisse gab. In Deutschland waren die Studios vor allem durch die Anfang der sechziger Jahre hier entstandenen Winnetou-Filme bekannt. In Folge der Zerfallskriege im ehemaligen Jugoslawien Anfang der neunziger Jahre wurde Jadran (auf deutsch: "Adria") vom internationalen Markt abgehängt. Inzwischen aber scheint die Ta
bgehängt. Inzwischen aber scheint die Talsohle der Krise überwunden.Die große Vergangenheit des Studios belegen glamouröse Bilder: Jugoslawiens Staatspräsident Tito war ein großer Filmliebhaber; er lud Sophia Loren auf seinen Landsitz auf der Adria-Insel Brioni ein und ließ sich in Die fünfte Offensive - Kesselschlacht an der Sutjeska von Richard Burton spielen. Für andere Großproduktionen konnten internationale Stars verpflichtet werden. Auf der Besetzungsliste von Veljko Bulajics Die Schlacht an der Neretwa etwa finden sich Yul Brynner, Curd Jürgens und Orson Welles, der bei Jadran auch einige eigene Filme realisierte. Ab Anfang der sechziger Jahre spielten die 1946 gegründeten Jadran-Filmstudios eine wichtige Rolle in der internationalen Filmszene, koproduziert wurde vor allem mit Westeuropa und den USA, was wichtige Devisen einbrachte. Jadran-Film avancierte zeitweise sogar zur wichtigsten Exportfirma Jugoslawiens.Mit Beginn des Krieges in den neunziger Jahren zogen sich die ausländischen Partner jedoch zurück. Während in Kroatien Potentiale brachlagen, Personal entlassen wurde und die anschließenden Privatisierungsdebatten zu erneuten Unsicherheiten führten, profitierten die künftigen südosteuropäischen EU-Neumitglieder Rumänien und Bulgarien vom Transfer an Technologie und Know How, dass das Engagement ausländischer Investoren mit sich brachte. Marketingleiterin Sandra Basso beklagt, dass einige US-Produzenten noch immer das Bild von Kroatien als einem Land im Kriegszustand hätten und sie nach jeder Nachricht von Unruhen in Pristina oder Prizren erklären müsste, dass "es bis zum Kosovo mehrere hundert Kilometer sind."Inzwischen hat man in Zagreb aufgeholt, ein eigenes Labor aufgebaut und sich das regionale Alleinvertretungsrecht für Kodak gesichert. Für Film- und Fernsehproduktionen stehen drei Studios zur Verfügung, daneben bietet man die gesamte Palette von der Drehortsuche über technische Dienstleistungen bis zur Negativentwicklung und Tonbearbeitung an. Für Basso birgt die anstehende EU-Mitgliedschaft Rumäniens und Bulgariens eine Chance, verloren gegangene Marktanteile zurückzugewinnen. Zwar sei das Lohnniveau in Kroatien nicht niedriger, doch gibt es deutlich weniger Beschränkungen für den Import ausländischer Crewmitglieder wie in den entsprechenden EU-Arbeitsrichtlinen, die ab 2007 bei den südosteuropäischen Konkurrenten Anwendung finden müssen.Mit Spring Break in Bosnia hat man sich nun sogar wieder eine US-amerikanische Großproduktion ins Haus geholt. Richard Shephards Tragikomödie über drei abgehalfterte Journalisten, die sich auf eigene Faust auf Jagd nach dem Kriegsverbrecher Radovan Karadzic begeben und in Schwierigkeiten geraten, weil man sie für CIA-Agenten hält, beruht auf einem authentischen Vorfall. Für die Dreharbeiten wurden Richard Gere, Terrence Howard und Troja-Star Diane Kruger nach Kroatien eingeflogen. An der nationalen kroatischen Filmproduktion, die von kleineren Produktionsfirmen getragen wird, ist Jadran-Film eher als Dienstleister beteiligt, regional zuweilen auch als Koproduzent wie am diesjährigen Berlinale-Hauptpreisträger Grbavica - Esmas Geheimnis.Derweil tummelt sich auf dem weitläufigen Gelände der Filmstudios auch der Fernsehsender RTL, der hier eine populäre Quiz-Sendung und die kroatische Big Brother-Variante produziert. In der Nachbarhalle, nur wenige Meter weiter, befindet sich der eigentliche Schatz von Jadran-Film: an die 120 historische Fahrzeuge und über 40.000 Uniformen, die sich in der 60-jährigen Produktionsgeschichte angesammelt haben. In der Requisite finden sich Zivilkleider aus allen Epochen vom römischen Imperium über den Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart und die dazugehörigen militärischen Äquivalente. Jahrzehntelang wurden bei Jadran-Film vor allem Kriegsfilme produziert, und so liegen in der Kleiderkammer sowjetische Generalsmützen, SS-Sturmbannführerkappen und Kopfbedeckungen aus dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg einträchtig nebeneinander. In der Schneiderei betont man, dass es sich bei einigen der Uniformen aus dem Zweiten Weltkrieg um Originalstücke handelt. Die Träger dieses Inventars haben sich ein paar Jahre, bevor ihre Garderobe an der selben Kleiderstange in der Requisite landete, noch gegenseitig beschossen - lakonischer könnte das sinnlose Blutvergießen wohl kaum symbolisiert werden. Für die Kleiderkammer von Spring Break in Bosnia übrigens wurden ebenfalls "historische" Uniformen rekonstruiert, darunter diejenige des als Kriegsverbrecher gesuchten serbischen Generals Ratko Mladic, der bekanntlich noch immer auf freiem Fuß ist. So nah sind die Medien dran am Zeitgeschehen, flirtet Filmgeschichte mit dem Lauf der realen Politik.Indes widmet sich Jadran-Film auch der Vermarktung des eigenen Filmerbes. Demnächst wird es eine DVD-Kollektion mit ex-jugoslawischen Filmklassikern geben. Im Mai nächsten Jahres steht mit der Winnetou-Convention ein Großereignis an, zu dem ehemalige Beteiligte an den Winnetou-Filmen und das Publikum an die Originaldrehorte im Naturpark Plitvicer Seen geladen werden. Zur Zeit bemüht man sich um die Namens- und Markenrechte für eine Fernsehserie, die den Indianermythos für ein zeitgenössisches Kinderabenteuer nutzt. Als Regisseur wurde kein geringerer als Vladimir Tadej verpflichtet, der bei den Filmen mit Pierre Brice und Lex Barker als Set Designer agierte. Vinko Grubizic, Präsident von Jadran-Film, verspricht sich neben dem Marketingeffekt auch positive Auswirkungen auf den Alltag in der betroffenen Region: "Ein Ziel ist es auch, unsere Kinder vom Game boy und Computerspielen wegzuholen und dazu zu animieren, wieder an die Luft zu gehen und Cowboy und Indianer zu spielen." Außerdem gibt es in der Plitvicer Seenplatte noch immer Landstriche, die noch nicht von den im Krieg gelegten Landminen geräumt wurden.