Die Romantiker hatten, wie so oft, übertrieben. Friedrich Schlegel fand, Poesie könne nur durch Poesie kritisiert werden und die Philologie sei eine Kunst, die keineswegs unterhalb der Originalkunst rangiere – insgeheim setzte er sie vielleicht sogar eine kleine Etage höher. Kritik als Kunstform – es war ein hoher Anspruch, den Schlegel, aber auch ein Spätromantiker wie Walter Benjamin erfüllten. Die Anlässe und Auslöser ihrer Kritiken sind heute vergessen, überlebt hat ihre Meta-Poesie.
Darin immerhin hatte Schlegel nicht übertrieben: In der Literaturkritik ging es um die Kunst und die Form. Gute Literaturkritiker wissen, dass es eben darauf ankommt: die höhere Einheit von Inhalt und Form, von Stoff, Stil und Struktur. Und nicht darum, den Plot zu referieren oder sich ins Innenleben von Figuren zu versetzen, die doch zunächst nur aus Sprache bestehen. Auch wenn man nicht die Schlegel’schen Ansprüche hat: Kann man sich in der Literaturkritik wenigstens auf Urteile einigen?
Im Lauf der Jahrhunderte allenfalls. Nicht so leicht ist es bei der Gegenwartsliteratur. Man bewegt sich auf dem schwierigen Terrain des Geschmacksurteils. Der eine mag die Kurzsatz-Prosa der Marlene Streeruwitz, die andere zieht die vertrackte Syntax Brigitte Kronauers vor. Der eine mag die Gurke, der andere die Tochter des Gärtners, wie man in Polen sagt. Kann man es dabei belassen? Darüber hatte man sich schon zu Schlegels Zeiten in Königsberg den Kopf zerbrochen.
Das Rätsel des Geschmacksurteils
In der Kritik der Urteilskraft schreibt Kant über das ewige Rätsel des Geschmacksurteils: Dieses Urteil sei zwar nicht beweisbar, aber auch nicht abweisbar. Denn jeder ästhetisch von etwas Überzeugte sinne an, sein subjektives Geschmacksurteil als allgemeingültig zu akzeptieren. Genau um dieses Ansinnen bemüht sich die gute Literaturkritik. Sie ist, alle Schlegel’schen Übertreibungen abgezogen, eine ebenso ehrwürdige wie schwierige, so undankbare wie lebensnotwendige Gattung.
Ihr Verhältnis zum literarischen Gebilde, auf das sie sich bezieht, ist dabei voller Spannungen. Literaturkritik kann der Geier neben dem Adler sein, oder der Falke neben der Schnepfe – es kommt darauf an. Aber beide, das literarische Werk und sein kritischer Begleiter, sind aufeinander angewiesen. Die Leser der Zeitungen und Magazine können vom einen zum anderen schauen, ihr Urteil bilden und im Zweifelsfall gegen die Kritik votieren.
Die Leser, und die Hörer. Seit einem Jahr sind viele Menschen länger zu Hause als früher. Einige davon entdecken das Radio neu. Manche hören auf RBB-Klassik jeden Morgen Proust. Und auch die Neuerscheinungen werden den Hörern vorgestellt, durch Rezensionen und Gespräche mit den Autorinnen und Autoren, die sich zu ihrem jüngsten Werk befragen lassen – wie in der Sendung des SRF 52 beste Bücher. Wie soll man es nun nennen, wenn ausgerechnet dieses fragile, kostbare Genre ausgedünnt oder abgeschafft werden soll? Liegt es am Kostendruck?
Im Promillebereich
Aber der ist lächerlich. Wenn die Literaturkritikerin, die einen 600-Seiten-Roman liest und auf drei Seiten plastisch zusammenfasst, den unbedingt zu vermeidenden Fehler beginge, anschließend ihren Stundenlohn auszurechnen, läge er weit unter allen Mindestsätzen. Was es den öffentlich-rechtlichen Sender kostet, Literatur lebendig zu halten, liegt im Promillebereich. Anders und in Gramm gesagt, es ist der Fußzeh eines Sumoringers.
Wie soll man es also nennen, wenn Intendanten und Programmchefs im WDR und anderswo genau diese Formate abschaffen, weil sie sich dem Aufmerksamkeitsdefizit der jüngeren Hörer anpassen wollen, das sie durch diese Kürzungen erst befördern? Ist es Opportunismus und vorauseilender Quoten-Gehorsam? Schamvergessene Missachtung des öffentlichen Auftrags? Ist es eine Schande, gar ein Verbrechen? Es ist, wie Talleyrand gesagt hätte, schlimmer als ein Verbrechen: Es ist eine Dummheit.
Kommentare 15
"Es ist eine Dummheit.", die Literaturkritik als Format in Medien abzuschaffen. Ja.
Unbedingte Zustimmung zum Anliegen also. Vielleicht aber nicht ganz zu der Ansicht, was die "höhere" Qualität der Kritik z.B. von Literatur wäre.
Klar, das Geschmacksurteil ist nicht beweisbar. Es ist ja auch keine rein oder losgelöst rationale, z.B. logisch auflösbare Angelegenheit. Es ist die Folge eines sinnlichen Erlebnisses. Das sinnlich erlebbare am literarischen Text ist tatsächlich erstmal das, was der Autor hier "die höhere Einheit von Inhalt und Form, (...) Stoff, Stil und Struktur" nennt. Das ist seine wahrnehmbare Materialität. So wie der Kachelofen Stoff, Stil und Struktur hat. Wenn ich die Keramikoberfläche mit den Fingern spüre, nehme ich sie wahr. Aber die ästhetische Beziehung hat sich damit noch nicht erfüllt. Die sinnliche Wahrnehmung von Wärme oder Kühle im Kontext von Jahreszeit und Außentemperatur bringt einen Aspekt von Sinn ein. Im Winter - ich schaue gerade aus dem Fenster und sehe mitten in der Großstadt Skiläufer sich auf Radwegen bewegen - ist der warme Kachelofen schöner als der kalte. Das bedeutet keinen Utilitarismus in der Ästhetik, das bedeutet nur: In der ästhetischen Beziehung zu den Dingen gibt es keine Sinnlichkeit ohne Sinn und umgekehrt.
Und deshalb muss es eine Literaturkritik geben, die weder nur den Plot referiert oder sich ins Innenleben von Figuren versetzt, noch nur so l'art pour l'art-mäßig die Struktur seziert (was eigentlich auch nur eine Beschreibung wäre). Neben die Analyse und das Bewundern der formalen, der materiellen Qualität eines Gomringer-Gedichts darf, nein, muss ich die Auseinandersetzung mit seiner kulturell-symbolischen Semantik setzen. Dann kann ich der Poesie gerecht werden und aber auch den jeweiligen gesellschaftlichen Umgang mit ihr verstehen.
Gut ist hier im Artikel die Darstellung, dass sich die Literaturkritik - genau wie die Literaturproduktion - erst in einer Beziehung verschiedener Akteure vollendet.
PS: Nee, auch ich hab ne halbwegs energieeffiziente moderne Heizung in der Wohnung. :-)
wiedermal wunderbar,
herr maar!
wikipedia: -->"michael maar".
- anders als viele begehrte objekte, genannt wurde die gurke des gärtners,
gibt es objekte (wie dessen tochter), die, wie texte allesamt,
auf kommunikation angelegt sind.
sie sind auf eine beziehung hin angelegt.
und kommunikation/beziehungs-anbindung: kann holpern.
gut, wenn es einen dolmetsch gibt,
der beim holpern doch verbindung stiften kann,
oder von einer bindung abrät....
||Wie soll man es also nennen, wenn Intendanten und Programmchefs im WDR und anderswo genau diese Formate abschaffen, weil sie sich dem Aufmerksamkeitsdefizit der jüngeren Hörer anpassen wollen, das sie durch diese Kürzungen erst befördern?||
Aus einer E-Mail vor Tagen an eine Literaturagentin:
„wie gesagt ist es mir unerfindlich, worauf deutscher Verlagsbetrieb aus ist, außer wohl bevorzugt auf wenig originelle Geschichten zwischenmenschlicher Verquickung bei kaum einmal übergeordnetem Impuls zu gesellschaftlichen Hintergründen und Tendenzen, welche Nachdenken und Erkenntnis anzuregen vermochten. Nicht selten bei zugleich dürftig literarischer Gewandtheit.
Selektiert von einem Gutachtertum (Lektorat), welches ob einschlägiger Frigidität bekanntlich dazu einlud, vom Fach auf den Zahn gefühlt zu werden, wobei es unter Pseudonym eingereichte Bestseller gehobener Machart als ‚entwicklungsbedürftig‘ und sonst wie unfertig ablehnte.
Einen trivialen Markt bedienend, den es selbst geschaffen hat. Und dies, während der Kittel sowohl kulturell als auch intellektuell brennt.“
-
Und zu Intendantentum des ÖR braucht man lange nicht mehr zu rätseln. Aus dem Bildungs- ist ein Verblödungsauftrag geworden.
Da darf es nicht wundern, wenn sich zu Verlags- und Lektoratskonzepten des Schrumpfhirns marginalisierte Literaturkritik gesellt.
Programmacher und Lektoren bedienen Einfalt, welche sie befördert haben.
Was es geben müßte, damit Kritiker in Deutschland wieder vermehrt Nahrhaftes zu Besprechen bekämen:
Tausende, lokale Lesezirkel, welche Manuskripte (statt Verlegtem) testeten, um die Auslese an Agenten und Verlage weiterzureichen.
Das befreite etwas von Hornochsen, welche dieser Tage Verlagswesen formen, und führte vielleicht etwas zurück zu Rezeption von Originalität, Abstraktion, Gehalt und Anspruch, wie sie uns gleich um die Ecke in Frankreich vorgemacht wird, wo in einem fort talentierte Debüttanten und Beschlagene Leserschaft erreichen.
… ohne, daß bei uns dazu ein Licht aufginge.
"Schamvergessene Missachtung des öffentlichen Auftrags?"
....und "hier" schon "längst"!
https://www.freitag.de/autoren/martin-franz/voelliges-versagen-der-staats-struktur
Philologie ist nicht Literaturkritik, auch wenn das zur Zeit Schlegels vielleicht einmal geglaubt worden ist, weil da diese Wissenschaften, kurz nach ihrer Geburt, aufstrebten. In ihnen eine wissenschaftliche oder gelehrte Kunst zu sehen, empfinde ich als durchaus hilfreich.
Die Frage, wer Literaturkrititk betreibt und was sie ausmacht, ist vielleicht von der Tatsache zu sehr geprägt, dass mit dem Siegeszug der Philologie, jener "Naturwissenschaft" des literarischen Geistes, was ich gar nicht abwertend meine, zunehmend mehr Ausgebildete diese publizistische Form betrieben, während an der Kinderkrippe der Literaturkritik zunächst einmal Literaten, Dichter und Dramatiker standen, die die Werke von ihresgleichen abschätzten und einem eher kleinen, aber schon damals erstaunlich weitverteilten Publikum anempfahlen. Darüber hinaus, war Lessing ein guter Theologe, Goethe ein schlechter Pandektenjurist, selbst die Schlegels, eher Theologen, Juristen, Altphilologen, Orientalisten und Indologen, in fast schon chaotischer und genialer Vielfalt. - Wenn ich nicht so ungebildet wäre, geriete ich mit dieser Betrachtung bis in die Antike zurück.
Seit einigen Zeiten herrscht weitestgehend Arbeitsteilung, die entstand und wuchs, wie einst die Zahl der Geisteswissenschaften. Ich schreibe das, ungeachtet der Tatsache, dass einige der besten LiteraturkritikerInnen in deutscher Sprache auch veritabel, gar herausragend, selbst Literatur verfassten.
Für die Kunden, die Leser auf dem Buchmarkt, wird die Literaturkritik nicht mehr unbedingt gebraucht, denn die neuen Medien und die modernen Formen des Literaturkonsums brachten eine neue Art der Vorauswahl mit sich, die sich, wie die Bewertungsportale der Gastronomie, an den Einschätzungen der gefräßigen Leser orientierte, die aus Freude, zum Zeitvertreib, zur Selbstvergewisserung, sich dazu entschlossen haben und von den Portalbetreibern dazu eingeladen werden, ihre Geschmacksurteile nach der Lesererfahrung mitzuteilen. Nicht ohne Grund, kann dort direkt eingekauft werden, zum Klappentext, Perlentaucher und Lesepröbchen nocheinmal.
>>Wie soll man es also nennen, wenn Intendanten und Programmchefs im WDR und anderswo genau diese Formate abschaffen, weil sie sich dem Aufmerksamkeitsdefizit der jüngeren Hörer anpassen wollen, das sie durch diese Kürzungen erst befördern?<<
Den jüngeren Hörern möchte ich nicht unterstellen, sie läsen zu wenig oder ließen sich zu selten durch eine fundierte Literaturkritik anregen.
Nein, Herr Maar, der bedauernswerte Zustand erklärt sich aus der einfachen Tatsache, dass in diesen Funktionen nicht gelesen wird. - Falsch, gelesen wird schon: aufbereitetes Material, Vorlagen, Verträge, Studien, Geschäftspläne, Programmstrukturpläne, Papierkram zu Einstellungen und Entlassungen, die Steckenpferde der eigenen Vorliebe. - Daraus erwächst aber keine Wertschätzung der Kritik, als Anregung zur eigenen Lesereise und darübr hinaus, zur Einordnung des Gelesenen in einen kulturellen und gesellschaftlichen Rahmen, eine Historie oder gar als Projektion auf literarische Zukunftswünsche.
Sie werden gleich feststellen, wie sehr in dieser letzten Bemerkung das Subjektive fehlt. Tatsächlich leistet, jedenfalls für mich, eine gute Literaturkritik genau das. Sie führt mich über meine Ansichten zu Texten, Autoren und Bedeutungen hinaus und verlangt mir gerade nicht ein unsichtbares, geistiges Nicken ab.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Und, es ist, die Entwicklung des Heute betrachtet - leider - schlüssig. Ein Filmtipp, für die, die das Buch schon gelesen haben: Morgen, Montag, 08.02.21 um 20:15 Uhr: Früchte des Zorns von John Ford zu sehen bei arte. Und als Vorbereitung darauf: https://www.arte.tv/de/videos/080979-000-A/john-ford-der-mann-der-amerika-erfand/
Die Kultursender haben es allgemein schwer, wenn keine Kultur mehr stattfindet. Aber warum keine Bücher vorstellen? Unklar. Kann hier nur den MDR Kultur beurteilen. Bücher kommen meiner Meinung noch vor. Vor allen Filme in den Mediatheken werden vorgestellt. Musikneuerscheinungen.
Mir scheint, der Beitrag bedauert mehr den Wegfall/Reduzierung der Belletristik, also der schöngeistigen Natur.
Sie schreiben mit "Für die Kunden, die Leser auf dem Buchmarkt, wird die Literaturkritik nicht mehr unbedingt gebraucht, denn die neuen Medien und die modernen Formen des Literaturkonsums brachten eine neue Art der Vorauswahl mit sich, (...)."
Genau so ist es und wer sich für spezielle Genres interessiert, findet ein breites Netzwerk vor, worin man reichlich Stoff/Quellen findet. Und zumal die Autoren, die mit ausgiebigen Literaturhinweisen arbeiten, wiederum zu Titeln führen, die man eher nicht in der aktuellen Literaturkritik findet.
Allerdings beinhalten die Buchbesprechungen durchaus einen beachtlichen Kostenanteil für die privaten Anbieter, wie ich es noch kürzlich im Schriftverkehr mit einem großen deutschen/internationalen Fachbuchverlag 'lernen' durfte, als ich mich wegen deren ständigen Amazonverlinkung unter den Besprechungen 'beschwert' hatte. Denn wer kann und will schon für Lau ständig seine/ihre Zeit opfern, insoweit muss sich das auch in Zahlen zeigen. Wobei das Ergebnis dann mehr für die Herausgeber/Autoren nützlich ist.
Passt zum allgemeinen Niedergang der Literaturkritik. Und auch fällt mir dazu nur noch ein, dass beispielsweise beim WDR natürlich die Intendanten-'Grundvergütungen' (der Herr Buhrow > um die 400.000 Euro) abgesichert werden müssen. Da ist dann kein Geld mehr für Rezensenten übrig.
Ja, es geht vor allem um Belletristik und erst in zweiter Linie um Sachbücher, Pleifel. Aber diese sind auch davon betroffen.
Um aber zu dem zweiten Teil ihrer Beobachtung zu kommen:
Die Buchbesprechungen oder in Erweiterung Medienbesprechungen, die Kommentare, die Zusammenfassungen in Form von Inhaltsangaben, die sich über die Portale verbreiten, ob gratis oder eben doch materiell unterstützt, durch Werbelinks und Werbezwischenschaltungen, sind zu allermeist ebensowenig Literaturkritik, wie die Klappentexte oder Werbetexte der Verlage.
Das Zeit- und Müheopfer der freiwilligen Rezensenten ist keines, denn sie folgen intrinsischen Motivationen und verpflichten sich zu nichts,. nicht einmal zu einer gewissen Fairness oder gar zu einer wissensbasierten und strukturierten Einschätzung dessen, was sie gelesen haben und unter Umständen vergleichend einordnen sollten.
Herr Maar verweist auf Kant. Man müsse das >>Ansinnen<< haben (Da steckt schon drin, damit leicht scheitern zu können und sich tatsächlich eine Mühe geben zu sollen, die über persönliche Vorlieben hinausgeht) ein >>Geschmacksurteil<< zu fällen, das allgemein Bestand haben könnte. - Ich will, weil es vom Thema wegführte und ich mich auch nicht kompetent fühle, gar nicht aueinanderfieseln, was alles dazu nötig ist, um sich das heute zu trauen, ob damit wirklich einer Allgemeinheit im kantischen Sinn gedient wäre, ob dieser Anspruch überhaupt noch akzeptiert würde.
Wenn jemand mit Rezensionen oder Kritik in den Bewertungs- und Kommentarportalen sein Geld verdienen will, solche Fälle gibt es durchaus, so kann er das ruhig auch versuchen. Aber die professionelle Literaturkritik wird dadurch gar nicht erfasst oder repräsentiert. Deren Rückgang in den Medien (Presse, Rundfunk) wird sich rächen, auch wenn es nicht sofort auffällt.
Gute Woche
Christoph Leusch
Ich höre und lese Literaturkritik und nur so werde ich aufmerksam auf neue Literatur als Roman oder Poesie oder ....Ich mag die Literaturbestenlisten überhaupt nicht und freue mich, wenn das Auflagenbuch runterrollt und dort landet, wo es hingehört- Rammschkiste.Nur das Papier war vorher mal Holz und das ein Baum, es dauert mich. Die deutsche Sprache ist es wert seziert zu werden und dazu braucht es Rezensenten, sonst kann ich ja gleich Kauderwelsch in Twittersprech als neue Leseerfahrung rausposaunen und hypen,bis das Lesen uncool wird.Ach so übernimmt ja dann Alexa und die andere Robotergöre,wenn sie gefragt werden nach ihrer Meinung zur Literatur.
Im Titel ist ja von "Buchrezensionen im WDR" die Rede. Inwieweit das qualitativ dort ihrer Beschreibung von "Das Zeit- und Müheopfer der freiwilligen Rezensenten" entspricht", kann ich nicht beurteilen, obwohl es gerade der WDR ist, der immerhin aus öffentlichen Geldern 'unterhalten' wird.
Allerdings glaube ich schon, das ihre "professionelle Literaturkritik" eben nicht dem entspricht, wie Sie es mit dem "Müheopfer" beschreiben.
Aber abhängig von den jeweiligen Interessen/Ansprüchen dürften sich auch die Quellen unterscheiden, wobei man sich letztlich einen 'Anstoß' erhofft, um dann leichter entscheiden zu können. Deshalb sollte die Rezension meine Meinung nicht vorab festlegen, wohl aber einen hinreichenden Einblick verschaffen. Und das können auch (gerade) Laienkritiker erreichen, die es dann in ihrer Freizeit machen.
~~~~~~~~~~~~~~
"Was diese professionellen Literaturkritiker dabei vergessen: vielen Hobbylesern reicht die Information, dass ein Buch langweilig oder zu simpel ist oder das Lektorat schlecht war. Für ihn soll diese Laienkritik lediglich die Kaufentscheidung erleichtern. Die professionelle Literaturkritik hingegen versteckt sich hinter ausgefeilten Sätzen, Argumenten, neuen Perspektiven und fantastischen Interpretationsansätzen und überfordert damit den Hobbyleser bzw. geht sie an dessen Anforderungen vorbei. Oft fehlt es diesen professionellen Kritiken an Einfachheit und einer klaren Aussage über das Buch: „das Buch bringt nichts Neues“ ist für einen Hobbyleser oft aussagekräftiger als seitenlange Überlegungen und Argumentationen." (aus Sanes Blog)
Sicher – es ist be … scheiden, wenn ein Ö/R-Format eine Literatursendung kickt, um mehr Platz für Dudelfunk zu haben. Andererseits kann ich den ungünstigen Versendezeitpunkt nicht so recht nachvollziehen; da lag wohl schon vorher einiges im Argen. Ebenso unangebracht finde ich die Töne mit Kant und so weiter – die wohl signalisieren sollen, dass das bildungsbürgerliche Abendland mal wieder im Untergehen begriffen ist.
Im Argen liegen sicher die Literaturformate der Ö/Rs. Das Literarische Quartett ist mit Thea Dorn fest in rechtskonservativem Fahrwasser; vielleicht engagiert das ZDF als Nächstes gleich Herr Gauland. Der Rest der Buchformate ist entweder bereits liquidiert oder darf noch ein Nischendasein fristen im 23:45-Uhr-Programmslot. Im Grunde praktizieren die Ö/R hier großflächige Sterbehilfe – vermutlich initiiert von der INSM und in der Hoffnung, dass bald alle nur noch e-Books verkonsumieren und hübsch ovale Augen davon kriegen.
Wie wehrt man sich dagegen? Durch Information – Information in dem Sinn: dass man aktiv Ausschau hält. Die Literaturblogs, die es im Web so gibt, sind meines Erachtens nicht durch die Bank schlecht. Amazon ist natürlich zutiefst verwerflich. Umgekehrt jedoch spricht meines Erachtens nichts dagegen, die dort präsenten Infos einzuholen und mit der dadurch erleichterten Kaufentscheidung halt eben woanders zu bestellen bzw. zu kaufen. Ansonsten würde ich gegen die Liquidierer einen optimistischen Blick nach vorn setzen: Das Buch wurde von interessierter Seite bereits vor zehn Jahren totgesagt. Und trotzdem lebt es noch immer. Das stimmt die Wirtschaftsliberalen betrüblich – aber die Leserinnen und Leser wollen von ihrem Produkt nunmal nicht lassen.
(Disclaimer: Die Verlage haben sich von den Neoliberalen erst ins Bockshorn jagen lassen. Allerdings mittlerweile gemerkt, dass der prognostizierte Untergang ihrer Branche DOCH nicht eingetreten ist. Mit der Folge – löblich, sehr brav –, dass sie weiter produzieren.)
*****