Wieder einmal wurde Geert Wilders deutlich. „So viele unschuldige Opfer eines gewalttätigen, kranken Geistes“, twitterte die Galionsfigur des europäischen Rechtspopulismus am Tag nach den Attentaten von Oslo, „die PVV (Wilders Partij voor de Vrijheid) trauert mit den Angehörigen und dem norwegischen Volk.“ Wilders dürfte zu jenem Zeitpunkt bewusst gewesen sein, dass sein Versuch, sich in die Kondolenzliste der internationalen Politik einzureihen, viele Augen auf ihn richten würde. Zu diesem Zeitpunkt nämlich war schon klar, dass der Täter keinesfalls ein Dschihadist war, sondern ein Kämpfer, der das Überleben Europas von der Islamisierung und ihren sozialdemokratischen und „kulturmarxistischen“ Agenten bedroht
oht wähnt.Für Anders Breivik ist Europa durchaus eine rassische Kategorie. Diese Dimension sucht man bei Wilders, der den Konflikt eher kulturell verortet, vergeblich. Davon abgesehen jedoch klingt Breiviks Argumentation auffällig nach dem Duktus des PVV-Chefs. Und es dauerte nicht lange, bis bekannt wurde, dass der „kranke Geist“ Bewunderung für Wilders hegt. Und nicht nur für ihn: Auch Filip Dewinter erntet seine Zustimmung, der Chef des rechtsextremen belgischen Vlaams Belang. Dieser nannte Breivik einen „Psychopathen“ und forderte, als „Demokrat, der jeder Form von Gewalt abschwört“: „Solche Menschen verdienen die Todesstrafe, was ihre Motivation auch sein mag!“Demonstrative AbwehrManchem mag diese demonstrative Abwehrhaltung schon ein Indiz dafür sein, was das Manifest des Attentäters nahezulegen scheint: dass der rechtspopulistische Diskurs von Islamisierung und Kulturkampf rassistisch und zumindest potenziell tödlich ist. Die Angst vor dieser Interpretation hat nun jedenfalls die Rechtspopulisten Europas erfasst. Siv Jensen, die Vorsitzende der norwegischen Fortschrittspartei, deren Mitglied Breivik war, klagte: „Dieser Mann hat meine Partei für seine verrückten Pläne missbraucht.“ Heinz-Christian Strache, Obmann der Freiheitlichen Partei Österreichs, wiederum findet es „unfassbar, wie man so ein grausames Verbrechen versucht, politisch zu missbrauchen.“ Und auch die anti-islamische English Defence League, mit der Breivik in intensivem Kontakt gestanden haben will, verwehrt sich gegen „linke“ Versuche, sie in Verbindung mit dessen Mordmission zu bringen.Auffällig ist allerdings, dass Wilders, Dewinter und Jensen den Amokläufer Breivik rhetorisch auf ganz ähnliche Weise pathologisieren: die gewaltsame Auslegung ihres gemeinsamen politischen Bezugsrahmens macht Breivik für sie unisono zum „Verrückten“. Der Bezugsrahmen indes ist für den Berliner Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke entscheidend. Die Agitation gegen Muslime und Migranten, meint Funke, schaffe ein Milieu, innerhalb dessen „labile Täter zuschlagen“.Doch handelt es sich dabei um einen kausalen Zusammenhang? Auf der Suche nach einer Antwort kommt man um eine nuancierte Analyse nicht herum. Das bedeutet zunächst, der Versuchung zu widerstehen, alle so genannten islamkritischen Politiker über einen Kamm zu scheren. Wilders oder Pia Kjaersgaard von der dänischen Volkspartei haben konservativ-neoliberale Hintergründe, Dewinter hatte Kontakte zur flämischen Naziszene, der Berliner René Stadtkewitz hingegen ist ein CDU-Dissident. Alle eint das Banner der „Islamkritik“.Fjordman geht auf AbstandWie schwammig – und damit „offen“ – dieser Begriff ist, zeigt sich in den einschlägigen Weblogs der Szene. Ob PI-news oder Atlas Shrugs, Brussels Journal oder Gates of Vienna – sie gehören für Ultraliberale und Konservative ebenso zur Standard-Weblektüre wie für Rechtsextreme. Auch Anders Breivik war dort aktiv und bezieht sich in seinem Manifest so nachdrücklich auf Gates of Vienna, dass manche schon im bekannten norwegischen Blogger Fjordman den Attentäter sahen.Während Fjordman vehement auf Abstand geht, findet sich andernorts just das auch von Breivik gepflegte Verschwörungsdenken. Der Journalist Michael Mannheimer etwa schreibt auf reconquista-europa: „die ,Qualitätsmedien‘, Gutmenschen sowie das politische Establishment entlarven sich angesichts der gerade beginnenden Hetze gegen das Christentum und islamkritische Foren anlässlich des jüngsten Terrorakts selbst.“Zu hoffen, dass nun allein die Ereignisse von Oslo den Rechtspopulismus nachhaltig diskreditieren, ist wohl ebenso naiv wie kurzsichtig. Der Wunsch verkennt, dass nicht nur die entsprechenden Parteien im politischen Mainstream angekommen sind, sondern auch der Duktus von der Islamisierung oder der multikulturellen Gesellschaft, die gescheitert sei. Wer in diesen Tagen die Webseite der deutschen Partei „Die Freiheit“ besuchte, stieß dort auf zwei Themen: eine Verurteilung der Taten Anders Breiviks und die Forderung, „schwer straffällige Ausländer“ abzuschieben. So lange diese Rhetorik politisches Allgemeingut darstellt, ist die Suche nach geistiger Mittäterschaft für „Oslo“ breit anzulegen.