Mehr Sanktionen, mehr Waffen, mehr Geld: Das ist die Antwort, mit der Deutschland und die Europäische Union auf den Krieg in der Ukraine reagieren. Auch nach der bedrohlichen Eskalation der vergangenen Tage fällt Kanzler Olaf Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nichts Besseres ein.
Ein Preisdeckel für Öl aus Russland, Haubitzen aus Deutschland und noch einmal fünf Milliarden Euro für die ukrainische Staatskasse: Das steht auf dem Programm. Berlin und Brüssel antworten fast schon routinemäßig auf die Zuspitzung der militärischen und wirtschaftlichen Lage. Hilfreich ist das nicht. Die Sanktionen haben den Krieg nicht beendet oder verkürzt – im Gegenteil: Sie haben auch noch einen Wirtschaftskrieg ausgel
ausgelöst. Die Waffen reichen nie aus, Kiew ruft lauter denn je nach deutschen Kampfpanzern. Fünf Milliarden Euro werden auch nicht reichen – Washington drängt Brüssel, noch mehr zu zahlen.Die Antwort der EU bleibt weit hinter dem zurück, was die Ukraine braucht und die USA fordern. Sie lässt aber auch eine klare europäische Linie vermissen. Es bleibt den Ukrainern überlassen, was sie mit den Waffen und dem Geld aus Europa anfangen. Die Sanktionen werden nicht einmal auf ihren Nutzen überprüft.Scholz und von der Leyen wirken wie Getriebene. Eigene Initiative lassen sie ebenso vermissen wie eine Strategie. Die deutschen EU-Chefs erinnern an die „Schlafwandler“ aus Christopher Clarkes Standardwerk über den Ersten Weltkrieg – auch wenn Scholz beteuert, er werde sich nicht in den Krieg ziehen lassen. Dabei ist der Krieg längst in Deutschland angekommen. Der bis zu 200 Milliarden teure deutsche „Abwehrschirm“ im Energiesektor zeigt, wie massiv der Wirtschaftskrieg auf das größte EU-Land zurückschlägt – und wie teuer uns das zu stehen kommt. Die Sanktionen haben einen Preis, sie führen direkt in die Kriegswirtschaft.Ein Kriegsakt ist auch das Attentat auf die Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2. Wer auch immer dahintersteckt – er zielt auf vitale deutsche Interessen. Doch Scholz hat es nicht einmal für nötig befunden, zu diesem Angriff eine Erklärung abzugeben. Sein Verhalten wirkt wie eine Kapitulation.Auch von der Leyen enttäuscht. Die frühere Verteidigungsministerin hat zwar mit der „schärfsten möglichen Antwort“ gedroht. Doch Ross und Reiter nennt sie nicht. Statt über den Angriff in europäischen Gewässern will die EU nun über den Schutz kritischer Infrastruktur reden.Europa steckt den Kopf in den Sand – dabei müsste es endlich aufwachen und seine Stimme erheben. Es geht nicht nur darum, die EU vor den Folgen des Krieges zu schützen. Es gilt, diesen Krieg zu beenden oder zumindest eine weitere Eskalation zu verhindern. Dies ist im ureigensten deutschen und europäischen Interesse.Die Gefahr geht aktuell von zwei Seiten aus – von Russland und von den USA. Kremlchef Wladimir Putin hat in seiner Rede zur Annexion der besetzten ukrainischen Gebiete den „kollektiven Westen“ und die NATO zu Gegnern erklärt. Zudem hat er ziemlich unverhohlen mit dem Einsatz von (taktischen) Atomwaffen gedroht. Als Reaktion drehen auch die USA wieder an der Eskalationsschraube. Sie wollen eine US-Kommandozentrale in Wiesbaden einrichten, drohen mit massiver Vergeltung. Der Ex-US-General David Petraeus hat sogar die Vernichtung der russischen Armee ins Spiel gebracht – mit NATO-Hilfe.All dies schreit nach einer Antwort. Deutschland und die EU können es nicht zulassen, dass der Krieg weiter eskaliert, dass fremde Mächte über europäische Interessen hinweggehen. Sie müssen diese Interessen endlich artikulieren und alle Beteiligten zur Vernunft rufen. Mäßigung ist das Gebot der Stunde, nicht Eskalation. Es kann nicht sein, dass Putin mit einem Atomkrieg in Europa droht – und nur die USA antworten. Es kann auch nicht sein, dass die USA in Europa tun und lassen, was sie wollen. Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen – das muss weiter gelten, auch für die US-Army und ihre Alliierten. Vor allem aber müssen die Europäer aufhören, nur zu reagieren. Je tiefer sie in den Krieg verstrickt werden, desto aktiver müssen sie sich darum bemühen, ihn zu begrenzen und zu beenden. Ein „Weiter-so“ mit Sanktionen, Waffen und Geld hilft nicht. Diese Politik verlängert den Krieg, statt ihn endlich zu stoppen.Deutschland und die EU haben mehr Optionen, als sie glauben. Die Sanktionen können als Hebel genutzt werden, um Putin an den Verhandlungstisch zu bringen – nicht bloß als Mittel, Russland zu ruinieren. Geld und Waffenlieferungen können an Konditionen gebunden werden, so ließe sich auch der Kurs der Ukraine beeinflussen.Es ist nicht einzusehen, dass die Europäer den Löwenanteil der Kosten des Krieges zahlen, während sich die USA einen schlanken Fuß machen – und sogar noch von Rüstungsgeschäften und Energielieferungen profitieren. Und es ist nicht zu vermitteln, dass die EU den Staatshaushalt der korruptionsgeplagten Ukraine alimentiert.Allerdings wagt es bisher niemand, dies auszusprechen und die deutschen wie die europäischen Interessen geltend zu machen. Von Scholz und von der Leyen ist dies wohl nicht mehr zu erwarten. Sie finden ja nicht einmal zu Nord Stream klare Worte.