Wo kein Kläger ist, werden Verstöße nicht geahndet

Kankheiten vorprogrammiert Der Umweltplaner Knut Krusewitz über die möglichen ökologischen Folgen des Irak-Krieges und die mangelnde Verbindlichkeit von Konventionen

FREITAG: Laut einer UN-Konvention aus dem Jahre 1977 ist es untersagt, die Umwelt durch eine militärische Intervention »nachhaltig« zu schädigen. Außerdem ist es verboten, die Umwelt gezielt als Waffe einzusetzen. Dennoch hat es in der Vergangenheit immer wieder Verstöße gegen diese Konvention gegeben. Woran liegt es, dass sich niemand an die ENMOD-Konvention hält?
KNUT KRUSEWITZ: Die beste Konvention zum Schutz der Umwelt bringt nichts, solange die Bereitschaft fehlt, eine solche Konvention auch mitzutragen und zu ratifizieren. Zwar verbietet es das Völkerrecht theoretisch, die Umwelt als Waffe einzusetzen. Es ist also nicht erlaubt, in feindseliger Absicht die Umwelt so zu manipulieren, dass dadurch die natürlichen Abläufe in der Umwelt gestört werden. Und das so genannte Zusatzprotokoll I untersagt es darüber hinaus, durch Militärinterventionen nachhaltige Umweltschäden herbei zu führen. Doch dieses Zusatzprotokoll I, das strengere Kriterien festschreibt als die ENMOD-Konvention, wurde weder von den USA noch vom Irak unterzeichnet.

Lassen sich kriegsbedingte Verstöße gegen die Umwelt denn überhaupt ahnden?
Im Grund nicht, denn es gibt keine Institution, vor der sich kriegsführende Parteien wegen ihrer ökologischen Kriegsführung rechtfertigen müssten. Außerdem liegt all diesen völkerrechtlichen Verträge eine zweifelhafte Annahme zugrunde, die lautet: Da sich Krieg nicht prinzipiell verbieten lässt, ist auch ein umfassender Schutz der Umwelt vor Kriegen nicht möglich. Allenfalls lassen sich extreme ökologische Begleiterscheinungen verhindern.

Das »Übereinkommen über das Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindseligen Nutzung umweltverändernder Techniken« (ENMOD) ist bereits ein Vierteljahrhundert alt. Ist diese Konvention noch zeitgemäß?
Die ENMOD-Konvention und das Zusatzprotokoll I sind in Zeiten des Kalten Krieges verfasst worden, und das merkt man diesen Verträgen auch an. Damals galt es, ein Gleichgewicht zwischen den ökologischen und humanitären Prinzipien einerseits und den militärischen Interessen andererseits herzustellen. Aus diesem Grund wurde das Verständnis von Umwelt auf eine militärisch akzeptable Definition gebracht.

Was sollte durch diese Verträge damals erreicht werden?
Ziel dieser Verträge war es, den Schutz der Umwelt zu gewährleisten - ohne dadurch jedoch eine effiziente Kriegsführung zu erschweren. Dieser Widerspruch ist den Verträgen immanent. Er ist Ausdruck jener Logik des Abwägens, die während des Kalten Krieges das politische Handeln bestimmt hat. Die Verträge sind Relikte einer längst überholten politischen Realität. Und es ist schon bezeichnend, dass die Völkergemeinschaft diese Verträge bis heute nicht weiterentwickelt hat. Das zeugt von einem Mangel an politischem Willen.

Ob Kosovo, Irak oder Vietnam - von den Kriegsschauplätzen ist man in Deutschland weit entfernt. Ist es für einen Wissenschaftler nicht schwer, die kriegsbedingten Folgen militärischer Maßnahmen »aus der Ferne« abzuschätzen?
Die ökologischen Folgen des Vietnam-Krieges sind gut belegt. Ebenso die Schäden durch den Golf-Krieg von 1991. Mittlerweile verfügen interessierte Ökologen über eine große empirische Basis, um die Folgen einer militärischen Intervention abschätzen zu können. So sind zum Beispiel im Golfkrieg von 1991 nachweislich so viele Schadstoffe in die Luft entwichen, dass Erkrankungen wie Bronchitis und Leukämien sowie Knochenmarkserkrankungen bei der Bevölkerung in der Region zugenommen haben. Wenn man nun bedenkt, dass die Ölquellen im Irak über einen höheren Gasanteil verfügen als die Quellen in Kuwait und deshalb schwerer zu löschen sind, dann dürfte die Schadstoff-Konzentration in der Luft selbst dann steigen, wenn insgesamt weniger Quellen brennen sollten.

Manche Umweltfolgen lassen sich aber nicht unmittelbar beobachten. Ist es nicht spekulativ, Aussagen darüber zu machen, wie sich etwa die jetzige Militäraktion langfristig auf die Umwelt auswirken wird?
Es gibt ökologische Folgen, die man noch nicht während des Krieges beobachten kann. Aber das verhindert keine rationale Prognose. Anders als noch im ersten Golfkrieg wird diesmal durch den massiven Einsatz von Bodentruppen die empfindliche Sandkruste der Wüste großflächig aufgerissen. Die Konsequenz: Es entstehen wandernde Sanddünen, die Ackerflächen schädigen. Langfristig könnten solche Dünen sogar Oasen und ganze Dörfer unter sich begraben. Solche Prozesse haben erst begonnen, aber ihr Ergebnis lässt sich verlässlich vorhersagen.

Die Wahl der Kriegsstrategie hat folglich Einfluss darauf, welche Umweltschäden zu erwarten sind. Gibt es noch andere Unterschiede zwischen dem jetzigen Irak-Krieg und dem Golf-Krieg von 1991?
In diesem Krieg werden Großstädte wie Basra und Bagdad bombardiert. Dadurch ergibt sich ein ganz neues Problem: Enorme Mengen an Asbeststaub sind jetzt schon durch die Zerstörung der Bunker und Regierungsgebäude freigesetzt worden. Sollte es zu einem langwierigen Kampf um Bagdad kommen, so würden noch mehr Schadstoffe frei werden. Anders als noch im Zweiten Weltkrieg, in dem ja auch Städte massiv bombardiert wurden, gibt es heutzutage viel mehr brennbare Chemieanteile in Gebäuden, wie zum Beispiel Plastik. Durch die weltweit zunehmende Verstädterung wird es immer schwieriger, militärisch zu intervenieren, ohne dadurch die Gesundheit der Zivilbevölkerung aufs Spiel zu setzen. Im Irak leben 60 Prozent der Bevölkerung in Städten.

Sind diesmal schlimmere Folgen zu erwarten als beim Golf-Krieg 1991?
Das lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschließend sagen. Fest steht aber, dass wir es mit neuartigen Kriegsformen zu tun haben. Es hängt eben von sehr vielen Faktoren ab, wie sich eine auf die Umwelt gerichtete Militärintervention auswirkt. So kam es in Kuwait damals zum »schwarzen Regen«: In Folge der brennenden Ölfelder verdunkelten Wolken aus Ruß wochenlang die Region. Das muss diesmal nicht so sein, denn im April weht im Irak ein starker Südwind, der Scharqi.

Ist es möglich, einen »ökologisch korrekten« Krieg zu führen, oder gibt man sich da einer Illusion hin?
Ein moderner Krieg kann niemals »ökologisch korrekt« sein. Es ist ja auch nicht möglich einen Humankrieg zu führen. Militärische Aktionen zerstören immer die Umwelt. Selbst wenn nur konventionelle Waffen eingesetzt werden.

Werden von wissenschaftlicher Seite genug Anstrengungen unternommen, um die ökologischen Folgen von Kriegen aufzuarbeiten?
Es gibt in NATO-Ländern wie Deutschland nur sehr wenige Ökologen, die sich mit dem Thema »Umweltkrieg« beschäftigen. Und es gibt auch kaum Völkerrechtler, die sich dieser Problematik annehmen. Dazu passt auch, dass die UN kein Interesse hatte, sich mit den Folgen des Golfkrieges zu befassen. Häufig ist es so, dass sich weder Sieger noch Besiegte für eine Aufarbeitung der ökologischen Folgen eines Krieges einsetzen.

Das Gespräch führte Nikolas Westerhoff

Dr. Knut Krusewitz ist entpflichteter Professor für Umweltplanung (TU Berlin) und beschäftigt sich seit Jahren mit den Umweltfolgen moderner Kriege

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