Worüber gestritten werden müsste

Pirate Bay Blogger Vittorio Ferrada-Noli hält ein flammendes Plädoyer für eine Grundsatzdiskussion um das Urheberrecht - statt langwierigen Scheingefechten vor Gericht

Marcello Vittorio Ferrada-Noli, Doktor der Philosophie und Medizin, Gastprofessor an der Universität von Gävle, Schweden, mischt sich in seinem Blog http://ferrada-noli.blogspot.com/2009/02/sweden-pirate-bay-trial-profit.html in die Debatte um den Pirate-Bay-Prozess. Nachdem Kritik laut wurde, dass die Angeklagten im Prozess sich allein auf technische Fragen zurückzögen, statt sich der Streitfrage um das Urheberrecht an geistigen Gütern im Netz zu stellen, hält Ferrada-Noli eine flammendes Plädoyer für eine lang überfällige Grundsatzdeabatte – die in ihrer Konsequenz die Rechtslage beeinflussen müsse. Die große Streitfrage des Prozesses, meint er, sei nicht juristisch, sondern allein politisch zu lösen. Die Auseinandersetzung, ob geistige Kulturgüter im Internet Eigentum seien oder ob sie Gemeingut sind und deshalb beliebig heruntergeladen werden dürften, sei kein Generationenkonflikt, sondern eine ideologische Frage.

Ferrada-Noli, gebürtiger Italiener, freier Denker, Amateurmaler und passionierter Blogger, besteht darauf, dass es eine absolute individuelle Urheberschaft kreativer Produkte schlicht nicht gibt, Insofern entbehre es jeder Grundlage, wenn mit kreativen Produkten Mehrwert erzielt werden soll. Zwar plädiere er dafür, den Autor auszuweisen. Aber kulturelle und wissenschaftliche Werke seien in ihrer Entstehung (kulturell) universell und müssten – auch von Gesetzes wegen – als zum allgemeinen Gebrauch bestimmtes Kollektiveigentum betrachtet werden.

Ein genauerer Blick auf jegliche Entstehungsprozesse von Entdeckungen, Erfindungen oder Kunstwerke ergäbe, dass im „Endprodukt“, für das Patent- oder Autorenrechte gefordert werden, unweigerlich vorangegangene Erfindungen, Erkenntnisse, Kunstwerke und Arbeiten oft aus anderen gesellschaftlichen und historischen Zusammenhängen enthalten sind. Alfred Nobel wäre es zum Beispiel nicht möglich gewesen, die Formel für Dynamit zu ermitteln, auf die er ein Patent beansprucht, hätte der italienische Wissenschaftler Ascanio Sobrero 1847 nicht das Nitroglycerin und vor diesem der Turiner Professor Jules Pelouze nicht die Schießbaumwolle entdeckt. Darüber hinaus sei die für bestimmte Entdeckungen unabdingbare wissenschaftliche Terminologie oft viel älter und werde von vielen Beteiligten über Jahre und Jahrzehnte hinweg weiterentwickelt.

Genauso verwende der Komponist eines vermeintlich neuen Pop-Songs ein bestimmtes Genre, einen bestimmten Rhythmus wie z.B. Hip-Hop oder eine bestimmte Instrumentierung, die vorher von anderen „erfunden“ wurden. Sind diese Elemente für die „neue Komposition“ wesentlich oder nebensächlich? Sie sind in einem solchen Maße wesentlich, dass die „neue Komposition“ oder „Interpretation“ vom Publikum überhaupt nicht als Hip-Hop-Song – oder was auch immer – vom Publikum identifiziert werden könnte, wären sie nicht in ihr enthalten.

Als Bild für diese Struktur wählt der Autor einen Baum oder ein Gehirn, ein komplexes System miteinander verbundener Röhren. Dieser Baum sei durch seine Wurzeln mit den Wurzeln anderer Bäume rund um den gesamten Globus verbunden.

Weiterführende Links:

www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,609165,00.html

www.handelsblatt.com/technologie/it-internet/warum-der-pirate-bay-prozess-so-bedeutend-ist;2164964 -

www.spreeblick.com/

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

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