Wünsch dir was

Neu im Kino Valerie Faris und Jonathan Dayton ergründen in ihrem neuen Film "Ruby Sparks" die Dynamik erfüllter Wunschträume

Wer vom Kino als Traumfabrik redet, meint es in der Regel kritisch. Dabei zeigt ein Film wie Ruby Sparks, wie vielschichtig ein Film das spezielle Verhältnis nutzen kann, das Traum und Kino miteinander eingehen. Aufgrund der Independent-Credits des Regie-Duos Valerie Faris und Jonathan Dayton (Little Miss Sunshine) gehört Ruby Sparks vielleicht auch eher in die Kategorie „Traummanufaktur“, und im Film wird nicht nur ein Traum fabriziert – es wird gleichzeitig darüber nachgedacht, was so passiert während des Fabrizierens von Träumen, und das sowohl mit dem Fabrikat als auch den Träumern.

Beim Träumer handelt es sich um den Schriftsteller Calvin (Paul Dano), der gerade jene Phase durchlebt, von der fast alle Filme über Schriftsteller erzählen: die Schreibblockade. Morgens spannt er nach Frühstück und Spaziergang mit dem Hund ein Blatt in seine altmodische Schreibmaschine, bringt die Finger in Stellung – und verzagt.

Das war nicht immer so, erfährt der Zuschauer aus den nächsten Szenen, die Calvin in Gesprächen mit seinem Bruder (Chris Messina), seinem Therapeuten (Elliott Gould) und seinem Verleger (Steve Coogan) zeigen. Mit seinem ersten Roman, vor fast zehn Jahren veröffentlicht, war er zum Star-Autoren aufgestiegen. Nun wirken die intensiven Lobreden, die sein Verleger auf ihn hält, eher bedrängend als schmeichelhaft.

Der Schock einer Wunscherfüllung

Seit dem unglücklichen Ende einer Beziehung meidet Calvin außerdem den Kontakt mit der Umwelt. Eines Nachts träumt er davon, wie er dieses Muster durchbrechen könnte: Der Hund ermöglicht ihm das lockere Gespräch mit einer jungen Frau, sie ist intelligent und lebhaft und ihm sehr sympathisch. Und als er morgens aufwacht, steht sie in seiner Küche: Ruby Sparks (Zoe Kazan).

In schönster Komödienmanier zeigen die Regisseure, welch Schock eine so plötzliche Wunscherfüllung bereitet. Calvin läuft erst mal davon, ein wenig scheint sie ihm sogar peinlich zu sein, seine Traumfrau. Es braucht einige Zeugen und nicht zuletzt den überaus bodenständigen Bruder, um Calvin an die „wahre“ Existenz von Ruby glauben zu lassen. Wobei es mit dieser Wahrheit ja so eine Sache ist.

Bruder Harry jedenfalls ist erst dann davon abzubringen, die Polizei holen zu wollen, als Calvin ihm vorführt, wie direkt Ruby aus seiner Feder stammt. Wenn er schreibt, sie spreche nur französisch, tritt Ruby die Fremdsprache parlierend ins Zimmer. Harry plädiert daraufhin sofort dafür, sie „obenrum“ ein bisschen üppiger auszustatten, Calvin schwört dagegen, ganz der Gentleman, von nun an nie mehr seine Macht zu missbrauchen und an Ruby „herumzuschreiben“. Aber wer könnte schon dieser Versuchung widerstehen, die eigene Kreation den eigenen Wünschen immer wieder anzupassen?

Nicht zu kontrollierende Dynamik

Es ist eine hübsche Volte, dass das Drehbuch von Ruby Sparks die Darstellerin dieser Traumfrau selbst geschrieben hat: Zoe Kazan, ihres Zeichens Enkelin von Elia Kazan (Endstation Sehnsucht, Die Faust im Nacken). Man möchte dieser Tatsache zuschreiben, dass Ruby Sparks eben deshalb nicht nur von der Frau als Männerfantasie handelt, sondern vom komplexen Verhältnis zwischen Wunsch und Wünschendem.

Calvins Erfahrungen mit seiner Traumfrau tragen verschiedene Nuancen. Manch harmloser Wunsch – „Ruby ist immer guter Laune“ – wächst sich zur Bestrafung aus, und immer wieder zeigt sich, dass auch noch das eindeutigste Wünschen eine nicht zu kontrollierende Dynamik in Gang setzt. Doch der Film triumphiert nicht über das Scheitern der Übersetzung von Traum in Realität, sondern weist augenzwinkernd daraufhin, dass fast alle Liebenden auf eine Weise täglich etwas Ähnliches versuchen – den realen Partner besser an die eigenen Träume anzupassen.

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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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