Wunderbar für Schwarz-Gelb

Verschuldung Die EU-Kommission hat Defizitverfahren gegen die meisten Euro-Länder eingeleitet, auch gegen Deutschland. Die Neuverschuldung liegt weit über dem zulässigen Limit

Die Europäische Zentralbank und der zuständige EU-Kommissar ­Almunia reagieren nervös. Die Latte der beiden wichtigsten Maastricht-Kriterien wird von den Ländern der Euro-Zone im zweiten Jahr hintereinander gerissen: Das Defizit bei den Staatsausgaben betrug – gemessen am Brutto­inlandsprodukt (BIP) – im I. Quartal 2009 bereits 2,6 Prozent, obwohl nur 1,5 zulässig sind. Für Deutschland werden inzwischen 3,7 Prozent Miese gemeldet. Auch die öffentlichen Gesamtschulden ­haben die in Maastricht vereinbarte Grenze von 60 Prozent des BIP mit 73,1 Prozent weit hinter sich gelassen. Die Löcher in den Bankbilanzen wurden eben mit viel Geld zugeschüttet. Die Banken können wieder blendende Geschäfte machen und Gehälter ihres Führungspersonals mit Boni vergolden. Immenser privater Reichtum hat den öffentlichen Kassen aber die hohen Defizite ­beschert, die nun die EU-Währungspolizei einschreiten lässt.

Man hatte sich mit dem ­Maastricht-Vertrag von 1991 auf die bewusste 60-Prozent-Grenze geeinigt, weil das 1990 die empirische Schuldenquote war. Noch 1981 betrug sie 43,7 Prozent, lag aber 1997 schon beim Wert 77,7. Darin kommt vielleicht das einst zu Bismarcks Zeiten formulierte „Gesetz der wachsenden Staatsausgaben“ zum Ausdruck: Der moderne Sozialstaat beansprucht immer mehr Ressourcen, hebt aber mit den Ausgaben für öffentliche Güter und soziale Dienste den Wohlstand der Nation. Das ­geschieht mit der Milliarden-Staatsknete für die Banken ­sicherlich nicht. Das Geld wird noch nicht einmal als Kredit an Unternehmen weiter gegeben. Die Banken verdienen besser, wenn sie auf dem globalen ­Finanzmarkt spekulieren. Wird hier nicht bremsend eingegriffen, steht die nächste Finanz­krise ins Haus.

Als Bremser der Banken werden sich die konservativ-neo­liberalen EU-Regierungen – wird sich auch Schwarz-Gelb in Berlin – nicht betätigen. Doch dürfte sich das Kabinett Merkel bemühen, die Staatsschulden abzubauen – unter Verweis auf die „Schuldenbremse“, die nur politische Idioten für eine vernünftige ­Regel halten, und das bereits angekündigte Defizitverfahren gegen Deutschland. Damit wird scheinbar von ­außen Haushaltsdisziplin ­erzwungen, was Schwarz-Gelb wunderbar in den Kram passt.

Kommt so Wachstum zustande? Und wenn, welches? Den großen Banken geht es mit den zig Milliarden aus dem Staatshaushalt blendend, sie werden daher wachsen. Der realen Ökonomie aber fehlen Kredite, sie wird wohl in den nächsten Jahren eher in einen Krebsgang verfallen. Die großen Energieversorger ihrerseits werden das Geld für den Wüstenstrom des Desertec-Projekts mit ihren schrottreifen, aber laufzeitverlängerten AKWs verdienen. Nicht wachsen wird die Binnenkaufkraft, denn Sozialleistungen werden gekürzt und ­Arbeitseinkommen nach unten „flexibilisiert“. Alles hängt wie gehabt an den Exportüberschüssen. Doch nur wenn das Ausland mitspielt, gibt es – vielleicht – jenes Wachstum, das dann für Steuereinnahmen sorgt, mit denen die Haushaltslöcher ein wenig kleiner werden. Bis zum nächsten Krach.

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