Yes, Sir

Bernhard Buebs Lob der Disziplin Wahre Autorität braucht keine Legitimation

Im Jahr 1974 war der Zeitgeist bis ins Salemer Schloss vorgedrungen. Die Schüler verließen das durch Anspruch und Schulgeld als Eliteanstalt ausgewiesene Internat, um gegen die allzu rigide Schulordnung zu protestieren. Sie zogen vorübergehend zu den Bauern, in deren Scheunen sie ihre Porsches vor den Augen ihrer Erzieher versteckt hatten. Mit diesen Fluchtfahrzeugen entkamen sie hin und wieder dem asketischen Erziehungsarrangement von Salem mit kaltem Duschen, Morgenlauf und Schulappell. Damals verhandelte der frisch gebackene, gerade 34-jährige Schulleiter Bernhard Bueb noch mit Schülern, und man einigte sich im Gespräch auf eine neue Schulordnung.

Bernhard Bueb ist seit einem Jahr pensioniert. Er wurde nun von der in Bildungs- und Erziehungsfragen gleichermaßen engagierten wie kompetenten Redaktion der Bild-Zeitung zum "strengsten Lehrer Deutschlands" ernannt. Diese Auszeichnung, denn als solche ist diese Zuschreibung gemeint, diese Auszeichnung bekam der Pensionär für sein Buch Lob der Disziplin. Darin fasst er seine Erziehungserfahrungen mit der angehenden Elite der Nation zusammen. Eine seiner Schlussfolgerungen: Verhandelt wird nicht mehr, damit hat er in 32 Jahren Salem nur schlechte Erfahrungen gemacht.

In englischen Internaten werde jede Aufforderung eines Erziehers reflexhaft mit einem "Yes, Sir" quittiert, so wie wir es auch aus den Filmen über amerikanische Kadettenanstalten kennen. Verlangte er dagegen von seinen Zöglingen, dass sie ihr Zimmer aufräumen oder den Mülleimer leeren, so bekam er immer nur ein "gleich" oder gar ein "warum?" zu hören. Damit muss Schluss sein, meint Bueb. Ja, das ewige Gerede um irgendwelche Kleinigkeiten, das kennen auch wir ganz normalen Eltern, und so fühlen sich auch die Bild-Leser, die seine Erziehungsratschläge als Serie verfolgen konnten, bei diesem Elite-Erzieher gut aufgehoben. Klare Ansagen brauchen die jungen Menschen, und auf die Nachfrage nach dem Warum schadet auch nicht eine so herrlich naive, wie er sagt, Antwort wie die seiner Mutter: Darum! Wahre Autorität braucht keine Legitimation.

Schülermitverwaltung? Ein demokratischer Irrweg, meint Bueb. Viel besser funktioniert doch das englische System, wo Vertrauensschüler nicht gewählt, sondern ernannt und für ihre Aufgabe mit einer Reihe von Privilegien belohnt werden, bis hin zu Rangabzeichen, die er auch in Salem wieder einführen wollte.

Dass Autorität legitimiert sein will und hinterfragt werden muss - für Bueb ist das eine bedauerliche Spätfolge des Nationalsozialismus, der Autorität und Gehorsam in Verruf gebracht habe. Auch von dieser Erblast müssen wir uns befreien, meint er. Vergessen wir also, dass es einen realen Zusammenhang gibt zwischen dem autoritären Charakter und dem Nationalsozialismus, zwischen der Erziehung zum Kadavergehorsam, etwa in amerikanischen Offiziersschulen, und der Bereitschaft, Menschen zu demütigen und zu foltern, zum Beispiel in Abu Ghraib oder Guantanamo. Befehlen und Gehorchen - zwei Seiten ein und desselben autoritären Charakters? In Salem lernen potenzielle spätere Alphatiere erst einmal als bedingungslose Befehlsempfänger, wie Autorität funktioniert, damit sie später ebenso bedingungslos befehlen werden.

Das Trachten des Menschen ist böse von Jugend auf, fasst er seine Erfahrungen mit faulen, lügenden, kiffenden und egoistischen Schülern zusammen. Für ihn ist Erziehung nichts anderes, als ständig dem Bösen im Menschen Grenzen zu setzen. Steht man nicht ständig regelnd und strafend hinter den Kids, dann laufen sie aus dem Ruder. Buebs Botschaft fällt auf fruchtbaren Boden bei einem Publikum, dessen Jugend-Bild geprägt ist von Berichten über die Rütli-Schule und vorm Computer verblödenden und vereinsamenden Kids. Und weil es so wenige Kinder gibt, haben auch immer weniger Erwachsene eigene Erfahrungen im Umgang mit ihnen. Kein Wunder, dass es mittlerweile kinderlose Menschen gibt, die sich nicht mehr trauen, mit der Straßenbahn zu fahren, weil da so viele Jugendliche sind.

Buebs Freund Frank Schirrmacher vom Feuilleton der FAZ hat ihn zum Schreiben des Buches ermutigt. Der lebt nun publizistisch davon, dass er die demografische Krise beschwört. Immer weniger Menschen sehen das Kinderkriegen als selbstverständlich an. Und nach der Lektüre von Buebs Ratschlägen werden sie sich fragen, warum sollten sie sich das antun und solch schwer zu bändigende, von Grund auf böse Wesen in die Welt setzen?


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