Rund 4.500 Lobbyisten sind offiziell beim Deutschen Bundestag akkreditiert und entfalten dort eine rege, aber zugleich intransparente Interessenpolitik. In manchen Ministerien soll es inzwischen gar üblich sein, bestimmte Verbände und Unternehmen früher als die Bundestagsabgeordneten über Gesetzesvorhaben zu informieren. Von dieser schleichenden Entdemokratisierung des parlamentarischen Systems sind jene seltsamen Verkehrsformen zu unterscheiden, die aus feudalen Zeiten stammen. So soll der Brandenburger Landtag an diesem Freitag einen geheim ausgehandelten Vertrag ratifizieren. Die Abgeordneten hatten inhaltlich keinerlei Mitspracherechte. Es gab auch keine Fachanhörung und keine öffentliche Debatte. Die Volksvertreter können dem faktisch unkündbare
aren, völkerrechtlichen Vertrag nur pauschal zustimmen oder ihn pauschal ablehnen. Da SPD und CDU in ihrer Koalitionsvereinbarung bereits ein positives Votum vereinbart hatten, wird es nun wohl angenommen, das Konkordat zwischen dem Land Brandenburg und dem "Heiligen Stuhl". Die Vertreter der katholischen Kirche müssten sich nach Annahme des Konkordats um die Wahrung ihrer Interessen nicht mehr sorgen: Denn die Exekutive sichert vertraglich zu, die Kirche in allen Angelegenheiten zu konsultieren, von denen sie betroffen sein könnte. Der Kirche ist es ferner exklusiv vergönnt, die staatliche Alimentierung rein innerkirchlicher Angelegenheiten wie etwa die Bezahlung der Pfarrergehälter als Gemeinwohlinteresse darzustellen. Der Sprecher des Potsdamer Kulturministeriums, Holger Drews, behauptet: "Damit wird der Einzug des kirchlichen Vermögens in der Zeit nach der Reformation und während der Säkularisation wiedergutgemacht." Abgesehen davon, wie denn die Methoden ethisch zu bewerten sind, mit denen die Kirche im Mittelalter zu ihrem Vermögen kam, so ist doch festzustellen, dass in keinem anderen Entschädigungsfall der angeblich Geschädigte nach Jahrhunderten dauerhafte Ansprüche ungeprüft geltend machen kann. Durch verschiedene seit 200 Jahren gezahlte Staatsleistungen dürfte die Abgeltung auch längst geleistet sein. Das Grundgesetz hat Artikel aus der Weimarer Reichsverfassung übernommen, die eine Ablösung derartiger Staatsleistungen fordern. Dagegen schickt sich das Land Brandenburg an, neue - verfassungswidrige - Staatsleistungen zu schaffen. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der fast sämtliche anderen Subventionen auf dem Prüfstand stehen. Mehr noch, das Land verpflichtet sich im Vertragsentwurf, in fünf Jahren über eine Erhöhung der Kirchensubventionen zu verhandeln. Wie stets in derartigen Verträgen: eine Kündigungsmöglichkeit des Konkordats besteht nicht. SPD-Fraktionschef Gunter Fritsch erklärt, die direkte staatliche Subvention für die katholische Kirche sei - im Vergleich zum Volumen des brandenburgischen Landeshaushaltes - "nicht relevant". Tatsächlich betragen die direkt sichtbaren Zahlungen nur überschaubare 1,15 Millionen Euro. Daneben fallen jedoch andere Leistungen an, die nicht näher beziffert werden, aber ein Vielfaches dieser Summe betragen dürften. Dass es im brandenburgischen Haushalt ansonsten weit weniger großzügig zugeht, zeigen nicht nur die weitreichenden Kürzungen im Sozialbereich. Auch das Verhalten den nichtreligiösen Weltanschauungsgemeinschaften gegenüber spricht Bände: Ihnen wurden die "enormen" Zuwendungen aus dem Landeshaushalt von 25.000 auf 3.000 Euro gekürzt.Im Brandenburgischen Konkordat wird betont, dass das Konkordat mit Preußen (1929) und das Reichskonkordat von 1933 weiterhin gültig bleiben. Gleichzeitig verzichtet das Land Brandenburg aber auf jene Rechte, die der Staat seinerzeit gegenüber der damals vertragsschließenden Kirche in den Konkordaten durchsetzte. Mag der Verzicht auf den Treueeid der Bischöfe auf das Deutsche (Nazi)Reich in demokratischen Zeiten hoffentlich allseits als selbstverständlich gelten - der Wegfall anderer staatlicher Rechte gegenüber der Kirche ist nicht nur symbolischer Natur. Seit dem Mittelalter war die Machtfrage bei der Besetzung von Bischofsämtern ein Streitpunkt zwischen Papst und Kaiser, zwischen innerkirchlicher Autonomie und staatlicher Einmischung - immerhin waren Bischöfe als Territorialfürsten selbst Inhaber staatlicher Gewalt und als Kurfürsten mitbestimmend bei der Kaiserwahl. Im Sinne einer Trennung von Staat und Kirche ist es konsequent, dass Brandenburg auf die ihm nach dem Preußenkonkordat von 1929 immer noch zustehenden Mitwirkungsrechte bei der Besetzung von Bischofsämtern nun auch ganz offiziell verzichten will. Weshalb soll der Staat aber dann noch den Kirchendienst als öffentlichen Dienst anerkennen und Priester- und Bischofsgehälter subventionieren? Zu Fragen ist auch nach den Folgen des Konkordats für den Religionsunterricht an den Schulen. Gemäß Grundgesetz haben konfessionell gebundene Schüler einen Anspruch auf religiöse Unterweisung an öffentlichen Schulen. Das Brandenburger Konkordat hingegen überträgt dieses Recht faktisch der Kirche und dehnt den konfessionellen Religionsunterricht auf alle öffentlichen Schulen aus. Damit wird nicht nur die Stellung des Faches Lebenskunde-Ethik-Religion (LER) zugunsten offener Missionierung weiter geschwächt, das Land Brandenburg begibt sich hier ohne Not der prinzipiell durch das Grundgesetz eröffneten Möglichkeit zur Errichtung bekenntnisfreier Schulen, also Schulen ohne jeden Religionsunterricht.Missionieren darf die katholische Kirche nun auch in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Das Konkordat garantiert (kostenlose) Sendezeiten "für Zwecke der Verkündigung und der Seelsorge" und "sonstige religiöse Sendungen auch zu Fragen der öffentlichen Verantwortung der Katholischen Kirche". Zudem soll sie im Aufsichtsgremium vertreten sein. Und das Land verpflichtet sich, "dass in den Programmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung geachtet werden" - ein kaum verhüllter Zensurartikel gegen Religionskritik. Es ist den katholischen Konkordatsexperten gelungen, einen sehr einseitigen Vertragsentwurf durchzusetzen, auch wenn Kirchenvertreter dies verständlicherweise dementieren. Der Sprecher des Berliner Erzbistums, Stefan Förner, verweist darauf, dass sich auch die Kirche zu bestimmten Dingen verpflichte. "So können künftig auch Konfessionslose auf katholischen Friedhöfen beerdigt werden - das war früher undenkbar." Dies bedeutet: Die über 70 Prozent konfessionslosen Bürger Brandenburgs "dürfen" sich ab 2004 auf katholischen Friedhöfen nach katholischer Friedhofsordnung unter christlichen Symbolen und nach kirchlichen Vorschriften erdbestatten lassen (die Feuerbestattung ist dort ja bekanntlich immer noch verboten).In Berlin, wo bislang das Ansinnen, ein Konkordat mit dem "Heiligen Stuhl" abzuschließen, immer abgelehnt wurde (es geht seit Jahrzehnten auch ohne), wird aktuell über die Einführung eines weiteren Feiertages geredet - als Voraussetzung für eine mögliche Fusion mit Brandenburg. Da bei einer solchen Vereinigung auch die Feiertage angeglichen werden müssten, so der Berliner SPD-Fraktionschef Michael Müller, könne er sich gut vorstellen, "dass die deutsche Hauptstadt dann beim Reformationstag die Regelung aller ostdeutschen Länder übernimmt".Bislang werden in Berlin jedoch die Folgen eines Brandenburger Konkordats übersehen. In einem gemeinsamen neuen Bundesland müssten auch die Berliner die finanziellen Dauerverpflichtungen aus dem Brandenburger Konkordat mittragen. Zudem dürfte sich der Vertrag als trojanisches Pferd erweisen, um später für das gesamte neue Bundesland ein Konkordat zu implementieren. Dann allerdings wäre Verhandlungsführer nicht mehr der derzeitige Nuntius Lajolo: Er wird demnächst "Außenminister" des Vatikan - eine gerechtfertigte Beförderung und Belohnung seines Arbeitgebers, nachdem er es verstanden hatte, eine ganze Reihe sehr lukrativer Konkordate für die katholische Kirche abzuschließen und nun für drei Prozent Brandenburger Katholiken einen krönenden Abschluss vorlegte.Um Öffentlichkeit und Transparenz zu ermöglichen, haben sechs säkulare Verbände eine ihnen anonym zugegangene Vertragsfassung im Internet publiziert und dort auch ausführliche juristische Stellungnahmen veröffentlicht. Siehe: www.ibka.org/artikel/ag03/vertrag.htm