Die Mehrheit der durch Bundesprogramme gegen Rechts geförderten Initiativen erkennt die Maßnahmen zur Extremismusprävention an – durch die Unterzeichnung der sogenannten Demokratieerklärung. Das ist der Tenor des Bundesfamilienministeriums, der den Protest der Betroffenen, die Bedenken von WissenschaflterInnen und eine breite öffentliche Debatte ignoriert, die die Einführung der Extremismuserklärung seit Beginn des Jahres begleitete.
Die SPD war in einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung davon ausgegangen, die Klausel würde die Initiativen gegen Rechts schwächen, weil Projekte keine Anträge mehr stellen oder aufgrund fehlender Unterzeichnungen der Klausel keine Förderung erhalten. Das Familienministerium zieht im Antwortschre
twortschreiben jedoch insgesamt eine positive Bilanz.Vereine erwägen KlageDas sei "mehr als beschönigend“ meint Lisa Winterstein vom Verein AKuBiZ. Die Initiativen würden „zähneknirschend“ unterzeichnen, weil sie keine Wahl hätten, da professionelle Strukturen ohne öffentliche Gelder nicht haltbar wären. Ihr Verein hatte bereits im vergangenen Jahr den sächsischen Demokratiepreis abgelehnt, dessen Vergabe an die Unterzeichnung der Klausel gebunden war.Auch jetzt ist AKUBiZ einer der knapp zwanzig Träger bundesweit, die sich gegen die Unterzeichnung der Klausel entschieden haben. Ein Projekt zum ehemaligen Konzentrationslager Königstein liegt damit auf Eis. Nach wie vor ist der Verein nicht bereit zu einem formalen Bekenntnis zur Demokratie und zu einer Gesinnungsprüfung von möglichen Kooperationspartnern. Nachdem der politische Protest letztlich an der Ignoranz der Verantwortlichen gescheitert sei, erwägt der Verein - wie andere Verweigerer auch - eine Klage.Keine Spaltung in gute und schlechte InitiativenTrutzburgen gegen die Klausel sind Berlin und Jena. Jena hat als Kommune auf Bundesmittel verzichtet, weil sie die Extremismusklausel nicht von Trägern unterzeichnen lassen will. In Berlin haben die beiden mobilen Beratungsteams versucht, mit dem Bekenntnis zum Grundgesetzt davon zu kommen und die „Aufforderung zur Bespitzelung“ auszuschlagen. Die Bundesregierung widerrief deshalb alle Gelder, woraufhin das Land Berlin einsprang. Andere, wie das Zentrum für Demokratie im Berliner Stadtteil Treptow-Köpenick müssen ersatzlos auf die Hälfte des geplanten Etats verzichten.Einzelnen Trägern in Fürth, Leipzig, Fürstenwalde, Hamburg und Friedberg geht es nicht anders. Andreas Balser, Vorsitzender der Friedberger Antifaschistischen Bildungsinitiative, betont, er wolle weiterhin auch mit Gruppen zusammenarbeiten, die die Klausel unterzeichnet haben. Allein schon, damit die durch „die Klausel forcierte Spaltung“ in gute und schlechte Initiativen nicht aufgeht. Bleib zu hoffen, dass die entsprechenden Initiativen aus Hessen dieses „Risiko“ eingehen werden.Demokratie als VerwaltungsaktDer Streit um die Klausel zieht sich auch quer durch die Entscheidungsgremien und Initiativen selbst. In Frankfurt (Oder) hat die "Plattform gegen Rechts" den Begleitausschuss zum lokalen Bundesprogramm verlassen, einzelne Vereine wie der VVN-BdA haben ihre Anträge zurückgezogen. Das "Netzwerk für Demokratie und Courage" in Sachsen sah sich genötigt, die Unterzeichnungsverpflichtung an seine ehrenamtlichen TeamerInnen von Projektschultagen durchzureichen. Zehn Prozent der Teamenden sind daraufhin ausgestiegen, Benedikt Hutz ist einer von ihnen.„Demokratie verkommt durch die Klausel zum Verwaltungsakt“, sagt er. Trotzdem sei die Unterzeichnung nicht bloße Formalia, „sie verlangt eine pauschale Abgrenzung gegen bestimmte linke Positionen“. Das laufe seinem Demokratieverständnis zuwider.Als Begründung für die Einführung der Klausel hatte das Bundesfamilienministerium unter Kristina Schröder immer wieder auf linksextremistische Unterwanderungsversuche der Initiativen gegen Rechts verwiesen. Ein konkretes Beispiel wurde nie genannt. In einer Stellungnahme auf eine kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion heißt es dann wieder, die Zusammenarbeit von Projektträgern mit der Linkspartei und dem VVN-BdA unterliege der Einzelfallbewertung, da in beiden Fällen durch die Verfassungsschutzbehörden Erkenntnisse über „linksextremistische Bestrebungen“ bekannt wären. Grundsätzlich sei die Nennung im Verfassungsschutzbericht Ausschlussgrund für eine Förderung durch öffentliche Gelder.Marxismus und das GrundgesetzDieses Kriterium ist nicht nur politisch, sondern auch juristisch umstritten. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit zwischen dem thüringischen Landesverband der Linksjugend Solid und der thüringischen Staatskanzlei entschied das Verwaltungsgericht in Gera Ende 2010, dass öffentlicher Gelder nachgezahlt werden müssen. Auch der Bundesverband der Linksjugend klagt seit 2006 gegen das Familienministerium, weil ihm aufgrund der Nennung im Verfassungsschutzbericht Bundesmittel verwehrt werden. Derzeit läuft ein Berufungsverfahren am Berliner Oberverwaltungsgericht (OVG). In vorausgegangener Instanz hatte das Gericht zugunsten der Linksjugend entschieden und ihre Nennung im Verfassungsschutzbericht nicht als ausreichende Begründung anerkannt.Die Bezugnahme auf „eine marxistische Ordnung“ widerspreche nicht zwingend dem Grundgesetz, da dort keine bestimmte Wirtschaftsordnung festgelegt sei. Das Verwaltungsgericht wies in dem Urteil außerdem daraufhin, dass „Verfassungstreue“ nicht die Verpflichtung meint, sich mit den Zielen der „jeweiligen Regierung zu identifizieren“.Das Urteil des OVG ist für 2012 angekündigt und dürfte auch für Verfahren im Zusammenhang mit der Extremismusklausel von Bedeutung sein.