Zart, aber hartnäckig

Nachruf Am 14. Oktober ist Simone Frost gestorben. Theater spielte sie am BE, am Theater 89 und in der Reimann-Verfilmung der Defa Franziska Linkerhand

Simone Frost war ein kleiner, anmutiger Mensch mit einer schönen Stimme und einem hellen Verstand. Sehr früh, sehr jung noch hat dieser Engel, dieser Kobold, dieser Geist auf der Bühne und im Film besonders oft liebenswerte und anziehende Wesen verkörpert. Noch mit den runden Wangen und staunenden Augen des Kindes übernahm sie die Hauptrolle in Die Gesichte der Simone Machard im DDR Fernsehfilm nach Bertolt Brecht. Sie gab in der Volksbühnen-Inszenierung von Ibsens Wildente leise und standhaft jenes menschliche Maß an, das durch die bürgerliche Scheinmoral so schrecklich verletzt wird. Sie spielte jene die Fesseln angeblich unumgänglicher Notwendigkeiten tapfer sprengende Franziska Linkerhand in dem DEFA-Film Unser kurzes Leben nach dem Roman von Brigitte Reimann.

Dabei war die junge Simone nie eine Diva, eine Identifikationsfigur des Weiblichen im traditionellen Sinne, sie stellte ein Vorbild ganz anderer Art dar: das wissbegierige, freie, gleichberechtigte, intelligente und einfühlsame Menschenkind. Das war ihre lobenswerte Besonderheit.

Sie war aber auch eine beeindruckende Virginia im Galilei von Brecht, eine kluge Stine im gleichnamigen Film nach Fontane, ein leuchtender Ariel in Shakespeares Sturm. Ganz und gar unvergesslich ist ihr Kleiner Prinz nach Saint-Exupèry, mit dem das Berliner Ensemble 1983 in Paris Triumphe feierte.

Lange Jahre war Simone Frost eine Hauptdarstellerin im Berliner Ensemble (BE). Ab Mitte der neunziger Jahre trug sie dann wesentlich zu den Erfolgen des Theater 89 bei in Berlin bei. In Stücken von Oliver Bukowski, etwa in London-L.Ä.-Lübbenau, in Gäste und im Monolog Nichts Schöneres, verdankten sich diese Erfolge ihrer Ausdruckskraft und ihrer immer stärker werdenden komödiantischen Virtuosität, mit der sie sozialkritische Momente deftig deutlich machte. Sie wurde im besten Sinne eine volkstümliche Schauspielerin.

Im Theater 89 erfüllten sich in der Zusammenarbeit mit ihrem Lebenspartner, dem Regisseur Hans-Joachim Frank, für Simone Frost die aus der BE-Tradition kommenden Ansprüche an eine künstlerisch und politisch wirkungsvolle Theaterarbeit. Rücksichtslos gegen sich selbst, hartnäckig und aufopfernd leistete sie, was einem so zarten Wesen kaum zuzumuten war. Slapstick und Stunt beherrschte sie, eigentlich war sie sich für nichts zu schade; wenn es der Inszenierung, der künstlerischen Idee half, entzog sie sich keiner Aufgabe. Dazu hat sie alle Anstrengungen, draußen in Brandenburg auf einem ehemaligen Militärgelände für das Theater 89 einen weiteren Spielort zu schaffen, mit Hingabe auf sich genommen.

Vor einem Jahr, als sie ahnte, dass sie den Kampf gegen den Krebs nach einigen Siegen am Ende doch verlieren würde, hatte sie noch ein Interview gegeben, in ihrer Wohnung, liegend, ihre Wange an ein kleines Kissen gedrückt, und unter Schmerzen redete sie vom Theater 89: „Wir haben einfach immer gearbeitet.“ Simone Frost lebte seit ihrer Kindheit in dieser Wohnung, die sie nie aufgab, auch als die neuen, alten Besitzer nach 1990 wieder kamen. Unweit vom BE, mitten in Berlin, wo Biermann gelebt hatte, in der Hannoverschen Straße 1, war sie zu Hause. Wenige Schritte entfernt in der Torstraße hatte sie seit 1988 das Theater 89 mit aufgebaut.

Manchmal konnte man Simone Frost auf der Chausseestraße treffen, wenn sie auf den Dorotheenstädtischen Friedhof ging, um alte Kollegen zu besuchen, die gestorben waren. Einige viel zu früh, wie sie meinte. Am 14. Oktober ist Simone Frost in Berlin nur 51-jährig gestorben.

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