Zehn Unbekannte, von denen wir 2009 hören werden

Aktuell 2009

Zwei Herausforderer für den afgha­nischen Präsidenten Hamid Karzai: Ali Ahmad Jalali Ashraf Ghani

Mit der Zuspitzung der Krise in Afghanistan wächst auch die Kritik an Präsident Hamid Karzai. Schon mehrfach war aus dem Weißen Haus zu hören, dass Karzai nicht genug unternimmt, um seinen Bruder Wali, der als einer der größten Drogenhändler des Landes gilt, aus der Regierung zu entfernen. Für den Fall, dass die USA Karzai fallen lassen, laufen sich in Washington bereits zwei Männer warm, die selbst zunächst Minister ins Karzais Kabinett waren - und beste Beziehungen in Washington haben. Schließlich wird im Herbst 2009 ein neuer Präsident gewählt.

Ali Ahmad Jalali (68) ist Professor am "Near East South Asia Center for Strategic Studies" der National Defense University in Washington. Der ehemalige Journalist der Voice of America trat 2005 als afghanischer Innenminister zurück, weil er sich nicht mit der zunehmenden Dominanz der Warlords in der Regierung abfinden wollte. 2002 verfasste der Paschtune mit amerikanischem Pass eine Kritik an der Strategie der USA in Afghanistan, die seiner Meinung nach im Kampf gegen den Terror zu stark auf lokale Stammesführer setzten und damit die Autorität der Zentralregierung unterminierten. Falls der künftige US-Präsident Barack Obama ernsthaft einen Strategiewechsel in Afghanistan anstrebt, könnte Jalali der richtige Mann dafür sein.

Konkurrenz wird ihm Ashraf Ghani machen, der ebenfalls bis 2004 der Regierung Karzai angehörte. Der ehemalige Mitarbeiter der Weltbank wurde 2003 von dem Magazin Emerging Markets als "bester Finanzminister Asiens" ausgezeichnet, gab jedoch wie Jalali wegen politischer Differenzen mit Karzai sein Amt auf. Der 59jährige galt als hellster Kopf im Kabinett, hat sich jedoch durch seine undiplomatische Art viele Feinde gemacht. Sein ungestümes Temperament war wohl auch einer der Gründe, warum er mit seiner Kandidatur für das Amt des UN-Generalsekretärs 2006 scheiterte. Auch als Weltbank-Chef war er im Gespräch.

Mayawati Kumari Politikerin, Indien

Eine Unberührbare als Regierungschefin? Mayawati Kumari ist eine der schillerndsten Polit-Persönlichkeiten des Subkontinents. Die ehrgeizige 54-Jährige hat noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie als erste Angehörige der untersten Kaste, der Unberührbaren (Dalits), Premierministerin werden will. Als Chief Minister des wichtigsten Bundesstaates Uttar Pradesh hat Mayawati in den vergangenen Jahren so geschickt taktiert, dass ihr das nun sogar gelingen könnte. "Wenn es ihrer Partei BSP gelingt, bei den nächsten Wahlen 70 Sitze zu gewinnen und neben den Kommunisten noch ein paar kleinere Parteien ins Boot zu holen, kann niemand mehr ihren Aufstieg zur Premierministerin stoppen", so der politische Analyst Prabhu Chawla. Der Aufstieg Mayawatis kommt in Indien einer Revolution gleich. Nicht nur, dass sie als Frau ihre politische Karriere ohne Rückendeckung eines großen Clans (wie im Falle Indira und Sonia Gandhis) geschafft hat. Als Angehörige der Kaste der Unberührbaren gehört sie zu einer stark benachteiligten Minderheit, die 20 Prozent der Wähler stellt. Als Landeschefin in Uttar Pradesh hat sie es nicht versäumt, Politik für die Dalits zu machen und sich damit den Hass der oberen Kasten zugezogen.

Sympathisanten loben ihre erfolgreiche Sozialpolitik. Berühmt sind aber auch ihre Geburtstagspartys, zu denen sie mehr Schmuck trägt als ein Bollywood-Star. Diese Art von Geschmacksverirrungen und die Tatsache, dass die Alleinstehende kein Englisch spricht, jagen dem indischen Establishment Schauer über den Rücken. Der Aufstieg zeigt auch einen tiefen Wandel in der indischen Politik, der eine Folge des wirtschaftlichen Aufstiegs des Landes ist: Die Zeiten, in denen die oberen Kasten allein das Sagen hatte, sind vorbei. "Mayawati hat jetzt die Möglichkeit, die Macht der Kongress-Partei zu stutzen und zur Schlüsselfigur im Zentrum zu werden", sagt der Historiker Mahesh Rangarajan. "Ihre Zeit ist gekommen."

Shay Cullen irischer Priester und Menschenrechtler

Als Shay Cullen 1969 auf die Philippinen kam, hat er, wie er selbst sagt, "von nichts eine Ahnung gehabt". Das änderte sich sehr schnell, denn sein Orden hatte den jungen irischen Priester ausgerechnet nach Olongapo City geschickt. Jener Stadt an der Subic Bay, wo die Amerikaner die größte Flotte außerhalb der USA stationiert hatten. Tausende Soldaten vergnügten sich jede Nacht in den Bordellstädten rund um die Militärbasis. "Ich war total geschockt, viele Prostituierte waren eindeutig Kinder", erinnert sich Cullen. Statt sich ins stille Gebet zu vertiefen, gründete er die Preda Foundation und bekämpft seither die übermächtige Sexindustrie des Inselstaates. Hunderte zwangsprostituierte Mädchen und Jungen hat er inzwischen gerettet, im Preda-Heim in Olongapo City erholen sie sich von ihrem Trauma. Auch Kinder, die Cullen und seine Mitstreiter aus überfüllten Gefängniszellen befreien konnten, finden dort Zuflucht. Sozialarbeiter, Psychologen und Juristen kümmern sich um die Belange der Teenager, die meist aus bettelarmen Familien stammen. Die vielen internationalen Auszeichnungen, die Shay Cullen im Laufe der Jahrzehnte erhielt, schützen ihn aber leider nicht vor Verleumdungsklagen, Angriffen und Morddrohungen.

Doch Aufgeben kommt für den Mittsechziger nicht in Frage. Die Grüne Christa Nickels hatte den Iren 2003 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, seine zweite Nominierung nach 2001. Nach 40 Jahren unerbittlichem Kampf für die Menschenrechte hätte der Ire sich den Nobelpreis im Jahr 2009 verdient.

Joss Garmanenglischer Polit-Aktivist und Umwelt-Campaigner

Garman gründete nicht nur die Gruppierung "Plane Stupid", die gegen die Expansion britischer Flughäfen wie Heathrow aktiv wurde. Bereits im Alter von 14 Jahren startete er eine Greenpeace-Gruppe in Wales und wurde seitdem schon mehr als 20 Mal festgenommen. Heute arbeitet er für Greenpeace und ist auf der Insel zum Popstar der Klimaschutzbewegung geworden. Die britische Zeitung The Guardian wählte ihn in diesem Jahr neben Al Gore oder Angela Merkel zu einem der "50 weltweit wichtigsten Umweltschützer, die noch die Welt retten könnten". Der politische Aktivist George Monbiot und der bekannte Schriftsteller Philip Pullman bezeichneten ihn als Aktivisten der Zukunft. Als Anti-Kohle-Aktivist für Greenpeace wird er sich in nächster Zukunft vor allem mit Plänen großer Energiekonzerne wie Eon auseinandersetzen, die den Ausbau der umweltbelastenden Kohlekraftwerke planen.

Connie HedegaardUmweltministerin, Dänemark

Das Thema Klimapolitik wird auch 2009 eine wichtige Rolle spielen und Connie Hedegaard, die dänische Umweltministerin, wird dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Kopenhagen ist im Dezember kommenden Jahres Gastgeber des internationalen Klimagipfels COP15, wo ein Nachfolger des Kyotoprotokols verhandelt werden soll. Gleichzeitig sieht sich Dänemark als Vorbild beim Klimaschutz: Die Regierung sagt, ihr sei es gelungen, den CO2-Ausstoß vom Wirtschaftswachstum abzukoppeln. Das Land ist neben Deutschland führend in der Windkraftindustrie, auf Atomkraft wird verzichtet, umweltschädliche Braunkohlekraftwerke sind in Dänemark dennoch keine Alternative. Dänemark will weltweit Vorbild sein und Connie Hedegaard wird eine wichtige Rolle spielen, Land und Regierung gegen Kritik zu verteidigen: im Ausland setzt der staatliche dänische Energieversorger Dong auf Kohle.

Louise Bourgoinfranzösische Schauspielerin

Die Schauspielerin hat das Zeug zur neuen Brigitte Bardot. Die gebürtige Bretonin wurde berühmt durch ihre schrägen Wetteransagen in der französischen Kult-Nachrichtensendung Grand Journal. Nachdem man ihr eine Rolle in einem Film anbot, hörte sie dort auf und wurde zum Sexsymbol im Film "Das Mädchen aus Monaco", der im August 2009 in die deutschen Kinos kommen und Louise Bourgoin dann auch bei uns berühmt machen wird. In einer französischen Verfilmung der Gainsbourg-Biographie wird sie 2009 Brigitte Bardot verkörpern. Und dann werden es auch alle kapieren, dass es endlich für BB eine Nachfolgerin gibt.

Cai Jiangchinesischer Unternehmer, Kunstmäzen und Stadtentwickler

Der Unternehmer Cai Jiang ist mit Kaschmir, Kohle und Biomilch reich geworden. Jetzt will er in der Steppe der Inneren Mongolei in Nordost-China eine Kulturoase aufbauen: eine Siedlung von 100 internationalen Designer-Villen. Jede trägt die Handschrift eines anderen jungen Architekten. Die Entwürfe für das Projekt Ordos100 sind fertig, 2009 sollen die ersten Häuser gebaut werden. Ausgewählt wurden die Architekten vom Schweizer Architekturbüro Herzog und de Meuron. Aber damit noch nicht genug: In Ordos, zwei Flugstunden von Peking entfernt, will der 40-jährige Cai außerdem ein Opernhaus bauen sowie ein Museum für chinesische Tuschemalerei, eine Hochschule für Architektur, Medien und Design und ein Fünf-Sterne-Hotel. Kostenpunkt: Rund 450 Millionen Euro. Die Mongolei solle damit "auf der Landkarte der Kunst und Kultur ihren Eintrag finden", sagt der Mäzen. Einen ersten Schritt machte er bereits im vergangenen Jahr mit der Eröffnung des Ordos Art Museum. Dort hängen Werke von Immendorf, Warhol und anderen internationalen Stars neben Bildern von zeitgenössischen chinesischen Künstlern. Mit seiner Vision von einer Kulturstadt in der Wüste hofft Cai, die Innere Mongolei zu neuem Leben erwecken zu können.

Ryan Ganderenglischer Künstler

Ein stiller Künstler mit einem sehr vielseitigen konzeptuellen Oeuvre und einer der jungen, vielversprechenden Nachwuchskünstlern Großbritanniens. Der 1976 geborene, mit Preisen überhäufte Gander war einer der jüngsten Künstler, dessen Werke auf der Tate Triennale, einer renommierten Leistungsschau der britischen Kunst, gezeigt wurden. In diesem Sommer folgte eine große Einzelausstellung in der South London Gallery, im kommenden Jahr ist eine große Soloschau im Rotterdamer Boijmans Museum geplant. Beste Voraussetzungen, um über kurz oder lang für den Turner-Preis nominiert zu werden, womit Insider eigentlich schon in diesem Jahr gerechnet haben.

Isidora Zebeljanserbische Komponistin

Die Belgraderin Isidora Žebeljan, 41, komponiert klassische Musik. Ihre zweite Oper "Eine Marathon-Familie" wurde im Sommer 2008 während der Bregenzer Festspiele uraufgeführt, seit Oktober entzückt das schräge Werk das Wiener Publikum. Kritiker bescheinigen der Komponistin, sie könne es leicht mit Strawinsky aufnehmen Wer ist diese Isidora Žebeljan? Sie ist gerade fünf Jahre alt, als sie in die Musikschule kommt. Mit 14 komponiert sie ihr erstes Werk, heute sind es mehr als 30. Im Alter von 37 Jahren wird sie das jüngste Mitglied der Serbischen Akademie der Wissenschaften. Bisher kennen diese Frau nur Kenner der klassischen Musik, obwohl ihre Musik alles andere ist als nur klassisch.

Die Weltreporter im Internet:www.weltreporter.net

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