Alle sind sich derzeit einig, dass Covid-19 uns in eine welthistorische Zäsur befördert hat, mit offenem Ausgang. Schon werden erste Zeitdiagnosen gewagt, die auf die Zukunft abzielen, und linke Intellektuelle beteiligen sich an diesem Spiel mit erwartbaren Reflexen: Beispielsweise sieht man nun die Zeit reif für den Kommunismus (Slavoj Žižek) oder erwartet den permanenten Ausnahmezustand (Giorgio Agamben).
Diese Schnellschüsse ignorieren das Offenkundige: Erstens weiß keiner, wie es weitergeht, und zweitens ist zunächst einmal ein Riss in unserem Vorstellungsraum entstanden. Grundfeste moderner Gesellschaften sind erschüttert worden. Politiker taten das Undenkbare und fuhren zugunsten des Gemeinwohls das öffentliche und wirtschaftliche Leben herunter. Für einige Wochen mussten Allmachts- und Beherrschbarkeitsphantasien gegenüber der Natur, die so typisch für die westliche Moderne sind, beiseite geschoben werden. Es wurde deutlich, dass bestehende Gewissheiten in einem irrsinnigen Tempo zerrüttet werden können, dass es keine Garantien für Sicherheit gibt. Falsche Gewissheit wurde abgelöst von Kontingenzbewusstsein. Der Machbarkeitsglaube ist einer vorsichtigen und tastenden Suche nach temporären Lösungen gewichen. Wir sind nicht mehr die Herren in unserem Haus. Zugleich ist paradoxerweise doch bloß genau das passiert, vor dem die Wissenschaften seit Jahren gewarnt haben – man hat es also wissen können.
Vorgebliche Gewissheit
Der Verlust an Sicherheiten ist das Signum dieser Zeit. Neues erscheint nun einerseits möglich – andererseits macht genau dieser Verlust an vorgeblicher Sicherheit und Gewissheit Angst. Angst ist ein zukunftsorientierter Affekt. Sie wirkt selten produktiv, verbreitet sich virulent und zumeist versucht man, sie zu unterdrücken oder in eine erneute Suche nach Beherrschbarkeit, Kontrolle und Gewissheit – auch in Form von Verschwörungstheorien – zu kanalisieren. Dabei drückt sich in der Angst zunächst einmal die Verletzbarkeit des Lebens aus. Lässt sich diese Angst gesellschaftlich überhaupt aushalten, kann sie produktiv gemacht werden, oder muss sie zwangsläufig verdrängt werden? Diese Frage markiert die Wegscheide, vor der wir stehen. Bisher ist die Angst vor den Folgen unseres Tuns, etwa dem Klimawandel, sehr erfolgreich verdrängt worden.
Dabei wird mittlerweile allen mehr und mehr klar, dass die Corona-Pandemie erst der Anfang ist. Im Vergleich zu den Folgen des Klimawandels stellt der Umgang mit Covid-19 wahrscheinlich noch eine Leichtigkeit dar. Die Corona-Krise zeigt, mit welch unterschiedlichen Zeitlichkeiten wir es zu tun haben. Dass das Virus von Tieren stammt, über Zoonosen übertragen wurde und der schon Jahrtausende andauernde Schwund der Biodiversität Pandemien begünstigt, wird zunehmend zum allgemeinen Wissensbestand. Die Pandemie kam zwar innerhalb weniger Wochen über die Welt, wurde aber durch eine über einhundertjährige Geschichte der Globalisierung vorbereitet. Das Virus des Neoliberalismus wiederum kursiert schon seit mehr als 40 Jahren und hat über Privatisierungen und Einsparungen im Gesundheitswesen die Krise befeuert. Dies zeigt, dass die akute Krise einen enormen zeitlichen Vorlauf hat und sich in ihr unterschiedliche Zeitlichkeiten überlagern. Momentan überlappen sie sich und Ähnliches werden wir demnächst aller Voraussicht nach wieder erleben.
Schock mit Vorlauf
Denn auch durch die Klimakrise wird es zu akuten Schocks und Katastrophen kommen: sei es durch Starkregen mit Überschwemmungen, sei es durch Dürren mit Wasser- und Nahrungsmittelknappheit oder durch Migration aus Kriegs- und Hitzegebieten. Auch diese Schocks haben einen zeitlichen Vorlauf von Jahrzehnten und Jahrhunderten. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs erleben wir eine große Beschleunigung in der Belastung des Erdsystems: Co2-Ausstoß, Energieverbrauch, Wasser- und Düngemittelverbrauch haben seitdem dramatisch zugenommen. Der Aufbau von resilienten gesellschaftlichen Infrastrukturen und der vorbeugende Kampf gegen die Massivität des Klimawandels gehören im Anthropozän also zusammen. Das Problem ist so zum einen die Gradzahl, um die sich die Erde erwärmen wird und wie viele Arten sterben werden, und zum anderen, wie die Gesellschaften darauf vorbereitet sind. Beherrschen lässt sich das Problem des Klimawandels – oder allgemeiner noch: die Natur – jedoch nicht. Vielmehr wird es darauf ankommen, gesellschaftliche Zeitvorstellungen mit den Rhythmen des sich erwärmenden Planeten zu verzahnen.
Eine Kritik an der modernen Trennung von Natur und Kultur ist in den Erdsystemwissenschafen, in der Philosophie und den Sozialwissenschaften schon lange formuliert worden. Nun steht uns eigentlich deutlich vor Augen, dass sie hinfällig ist. Wer jetzt von einer rein gesellschaftlichen Krise spricht, verkennt die Tatsache, dass das Virus tatsächlich etwas tut – dass es Teil auch der menschlichen Gesellschaft ist. Wer Covid-19 umgekehrt naturalisiert, übersieht, dass die Aktivitäten des Virus ohne Schutzmasken, Beatmungsgeräte, Polizei, Datenerhebungen, Virologen und Politikerinnen nicht verständlich sind. Unsere gesellschaftliche Krise ist nur ökologisch zu beschreiben: Verschiedene Spezies sind voneinander abhängig.
Die Moderne in der Sackgasse
Zusammen genommen bedeutet dies, dass der überkommene Zukunftshorizont moderner Gesellschaften dramatisch geschrumpft ist. Galt die Zukunft in der Moderne als prinzipiell offen und dem Fortschritt zugewandt, so klingt es derzeit geradezu verzweifelt, wenn man versucht, die Konturen einer positiven und nachhaltigen Welt zu zeichnen. Covid-19 müsste zunächst einmal dazu führen, den Riss in der Zeit wahrzunehmen, zu sehen, dass die westliche Moderne in eine Sackgasse geraten ist. Im Stillstand des Lockdown scheinen gerade die verschiedenen Temporalitäten von Mensch und Natur auf eine extreme Beschleunigung zuzulaufen: Schon droht beispielsweise die nächste Trockenheit und Dürre in Europa.
Das schmerzt, macht Angst und wird kaum auszuhalten zu sein – die Gegenbewegungen, die auf Abschottung und Verdrängung abzielen, stehen schon in den Startlöchern. Da die Moderne von einer prinzipiellen Maßlosigkeit gekennzeichnet ist und ihr Allmachtsvorstellungen und Hybris eingeschrieben sind, bringt Covid-19 die Zumutung mit sich, die Grenzen dieses historischen Entwicklungspfads aufgezeigt zu haben. Wir erleben nun sozialen Stillstand oder Rückschritt bei Beschleunigung ökologischer Schäden, keinen Fortschritt mehr, sondern die Eindämmung von Katastrophen. Vor allem erleben wir Abhängigkeit voneinander, nicht Unabhängigkeit.
Die Krise hat vielen Menschen enorm viel Leid und auch den Tod gebracht. Corona hat so weltweit in aller Dringlichkeit die Frage aufgeworfen, wie man auf diesem Planeten überhaupt gut und fair zusammenleben kann. Ein Riss durchzieht nun unseren Vorstellungsraum, der zeigt, dass man nicht alles gestalten und beherrschen kann. So konnte die Welt wenigstens für einen Moment erfahren, dass Selbstbegrenzungen möglich sind. Wie sich dieser Riss zukünftig in das kollektive Gedächtnis der Gesellschaften einschreiben wird, vermag allerdings derzeit niemand zu sagen.
Kommentare 23
Vielen Dank für diesen überzeugend verständlichen Beitrag.
"Lässt sich diese Angst gesellschaftlich überhaupt aushalten, kann sie produktiv gemacht werden, oder muss sie zwangsläufig verdrängt werden? Diese Frage markiert die Wegscheide, vor der wir stehen. Bisher ist die Angst vor den Folgen unseres Tuns, etwa dem Klimawandel, sehr erfolgreich verdrängt worden."
Mit der Angst werden gewissenlos Kriegsziele geschürt und gezündet. Wirtschaftlich und dann militärisch. Noch nie wurde vor einem Bomben-Krieg in dieser Weise über Ursache und Wirkung diskutiert! Das schaffte jetzt die Natur. Kann sich die Menschheit retten, wenn sie nicht endlich mehr denkt als Macht und Mammon?
Wir machen widerstandslos mit? Gegen wen wird Frau AKK sich als "Kriegsministerin" in dem jetzt so schweren Weltchaos "verteidigen"? Trump und AKK stehen für mich als böses Zeichen der menschlichen Dummheiten. Immer Aufrüstung vor Humanismus.
"Alle sind sich derzeit einig, dass Covid-19 uns in eine welthistorische Zäsur befördert hat, mit offenem Ausgang."
Nein, nicht alle.
"Es wurde deutlich, dass bestehende Gewissheiten in einem irrsinnigen Tempo zerrüttet werden können, dass es keine Garantien für Sicherheit gibt."
Entschuldigung, das war schon immer deutlich, und nur, wer sich mit Gewalt darüber hinwegtäuschen wollte, konnte je etwas anderes glauben. Im Grunde wirkt gerade die gute alte Todesangst, nichts weiter. Na ja, vielleicht noch gepaart mit einem Unbehagen darüber, dass womöglich das Ende der Behaglichkeit droht, dort, wo Behaglichkeit ist. Aber das ist noch nicht in Stein gemeiselt.
Ist es sinnvoll, in dieser Sache von „wir / die Menschheit“ zu reden?
Waren es „wir“, die sich z.B. weigerten Filteranlagen zur Emissionsbegrenzung einzuführen, Jahrzehnte später Bödsinn wie Emissionshandel einführten, um nach wie vor das Geringste gegen Umweltzerstörung zu tun?
Urwälder zu roden, um kostenlos abgeräumtes Holz zu irrwitzigen Preisen verscherbeln, und anschließend Soja- und Ölpalm-Ebenen ohne jede Rücksicht auf Arten und Native kreieren zu können?
Abgerichtete Papageien werden dazu sagen: „Ja, natürlich. Die „Geiz-ist-geil“-Konsumenten-Mentalität wollte ja keine anständigen Preise zahlen, also konnten sich Hersteller und Lieferanten keine Mehrkosten für Nachhaltigkeit und Umweltschutz leisten.“
Allerdings hat man solchen Papageien das Es-kostet-halt-soviel-Mantra eingeimpft, in dem Gewinnproportionen, Preistreiberei und Unersättlichkeit nicht vorkommen.
Sind es die Menschen einer „Menschheit“ gewesen, die sich vermehrten, als sei man Karnickel ohne morgen?
„Natürlich“, werden Papageien sagen, „So ist es / gewesen“.
Zum Teil beruht Überbevölkerung auf religiöser Doktrin, die unvermindert herrscht, wo seitens Votiv des Profits ein Interesse an Aufklärung nicht bestand.
Zum verbliebenen und überwiegenden Teil begründet sich die Bevölkerungsexplosion auf sozialen Nöten, unter denen Altersversorgung absent ist, so daß vermehrt Kinder als Altersversicherung und bei Kindersterblichkeit um ein Weiteres vielzähliger in die Welt gesetzt wurden und werden.
Unwillkürlich von „der Menschheit“ herbeigeführt?
Oder weil statt rationaler, gemeinschaftlicher Wirtschaftsform eine des maximierten Profits betrieben ist, welche von übervorteilten Menschenmassen zu tragen ist, die dann u.a. keine Altersversorgung aufweisen?
Blinde Irrationalität zu maßloser Kompensation für privilegierte Soziopathen war ebenso wenig Entschluß der Menschheit, wie in Verschlägen zu hausen, und Elendsration in verseuchtem Wasser zu kochen.
Von bewußter Negierung und Opportunismus vorwiegend in industrialisierter Hemisphäre beheimateten Fußvolks abgesehen, gab es kein „wir“. Und wir brauchen gerade auch jetzt nicht so zu tun als ob.
Rationaler ist das Eingeständnis, in Kastengesellschaften mit von Grund auf von einander abweichenden Interessenlagen und Zielen zu leben.
Wer es spätestens angesichts gesetzter Prioritäten und Verschleppung von Umweltbelangen höhster Eisenbahn nicht realisiert, der will Medusa nicht ins Antlitz schauen.
*****
Und da werden wir jetzt noch ein paar lateinamerikanische, asiatische und afrikanische Umstürze 1950 - 2019 Analysieren müssen um das ganze Aussmass des Elends zu verstehen.
Alles wohlbekannt, in z.B. den "alternativen Kinos" wurde das Elend in den 1980ern und danach bestens mit SuperDokus erklärt, es ging ein grosser Säufzer von den jungen Paaren durch den Kinosaal, aber 15 Jahre später wurden die eigenen Kid's mit dem SUV zur Privatschule gefahren, bis heute...
Weiter so, Daumen hoch...
Du hast recht, diese im Moment lancierte rechte Kampagne: "Wir sitzen allein einem Boot" ist schlicht unverschämte Verarschung, um die Verantwortung für das Krisenmarathon zu "sozialisieren". Wer darauf hereinfällt sitzt in der Falle. Über die Ohnmacht des Subordinierten wird dieser in eine Solidarität mit den Verantwortlichen getrieben, anstatt sich von diesen zu emanzipieren, was faktisch der einzige Ausweg ist. Diese Emanzipation aber heißt eben nicht "Change the system, not the climat." sondern : "End the climat change by ending the system". Das Problem ist das immer schnellere Verschwinden des Subsistenz. Die gilt es wieder zurückzuerobern, koste es was es wolle, oder der Mensch ist Geschichte.
ein paar Anmerkungen zum Artikel :
"Politiker taten das Undenkbare"
Es wurde noch nie "das Undenkbare" getan. Erst kommt das Denken, dann das Tun. Sie meinten wahrscheinlich, dass die Politiker sich etwas ausgedacht und getan haben, mit dem sonst niemand gerechnet hatte. Selbst das aber ist sehr wahrscheinlich nicht der Fall. Die Ermächtigung in der Krise durch Eliten, die die Macht dazu haben oder diese zu haben meinen, ist historisch die Regel. Der Satz ist also ein Irrtum oder eine Platitude. Brauchen wir mehr davon in dieser Situation?
"Der Verlust an Sicherheiten ist das Signum dieser Zeit"
Das ist tatsächlich noch eine, die nicht nur im nächsten Satz widerlegt wird, sondern genauso wenig wahr ist. Will man überhaupt davon ausgehen, dass es so etwas wie Sicherheit gibt, das nicht entsprechend der zusammen damit genannten Gewissheit nicht ausschließlich auf einer ideologisch bedingten Illusion basiert, dann ist offensichtlich, dass diese ideologisch suggerierte Sicherheit seit 2001 mit dem sogenannten "war on terror" weltweit, (geo)politisch, medial und propagandistisch schon drastisch in Frage gestellt wurde - auch in Europa. Gewissheiten hingegen verschwindet wie Schnee in der Sonne, wenn eine Leitideologie und ein Konsens untergehen, sonst nicht. Siehe dazu Wallerstein.
"Wir erleben nun sozialen Stillstand oder Rückschritt bei Beschleunigung ökologischer Schäden, keinen Fortschritt mehr, sondern die Eindämmung von Katastrophen. Vor allem erleben wir Abhängigkeit voneinander, nicht Unabhängigkeit."
Den "sozialen Stillstand" als Lookdown kann man als den Höhepunkt eines Prozesses erkennen, der sich schon über Jahrzehnte hinzieht und bei dem der Mensch systematisch vereinzelt wird, die sozialen Kontakte immer mehr der Warenhaftigkeit des Individuums, der systematischen Autooptimierung in Bezug auf ein autoritäres, ökonomisches System und dessen Konsumentenstereotypen untergeordnet werden, und das "Soziale" als digitale Ware reinkarniert.
Was hier "Fortschritt" genannt wird, war im Bezug auf seine ökologisch katastrophalen Folgen nie ein Fortschritt, er wurde nur als solcher etikettiert. Fortschritte machte dabei nur die Machtfülle der Profiteure dieses Arrangements. Es ist also in diesem Sinn besser keinen Fortschritt mehr zu machen, oder den Fortschritt neu zu definieren, als da wäre mehr Resilienz durch Subsistenz und bewusstes Negativ-Wachstum, also gewollte Schrumpfung der obsoleten Massenmüllproduktion und Trash-Wirtschaft auf globaler Ebene. Da gehört nicht nur der Tourismus dazu, sondern auch die Digitalisierung von sagen wir "Katzenklos". Scheißen wir doch auf die Profite einer Minderheit! Was der Mensch braucht, ist eine ausreichende Versorgung mit dem Nötigsten. Die war aber in keinem Moment gegeben, wenn man global denkt. Die Globalisierung, die ohne jeden Zweifel an ihre Grenzen gestoßen ist, muss schnellstens in eine Globalität verwandelt werden, welche lokal gelebt wird.
In sofern ist es gut, dass die Menschen die Abhängigkeit voneinander erleben. Unabhängigkeit voneinander hat es sowieso nie gegeben. Hier wurde nur ein billiger Mythos von der Freiheit genährt, der jetzt an der Realität zerbricht.
"Corona hat so weltweit in aller Dringlichkeit die Frage aufgeworfen, wie man auf diesem Planeten überhaupt gut und fair zusammenleben kann"
Dies Frage bestand mit Verlaub gesagt schon seit einer langen Weile, sagen wir seit Epikur oder dann seit all denen, die sich mit einem Leben in Symbiose mit der Natur im Denken und Handeln jemals beschäftigt haben. Das ist freilich nicht der ideologische "Mainstream", welcher sich nicht nur mit dem Christentum und dem Kapitalismus zum "Raubtier" über die Natur erhoben hatte. Aber jetzt davon reden zu wollen, dass gerade Corona diese Frage aufwerfe, nachdem wir seit dem Werk "Die Grenzen des Wachstums" etwa 50 Jahre lang mit wissenschaftlichen Belegen zu dieser Frage die Bibliotheken gefüllt haben, ist lächerlich.
Von einem Professor der Soziologie hätte ich da Profunderes erwartet.
"Von einem Professor der Soziologie hätte ich da Profunderes erwartet."
W2 oder W3? Das ist hier die Frage.
"Von einem Professor der Soziologie hätte ich da Profunderes erwartet."
Ich nicht.
Warscheinlich habe ich das Vertrauen in die Menschen noch nicht ganz verloren. Es gibt übrigens auch Soziologie Professoren, von denen ich ganz erstaunlich gute Bücher gelesen haben. :-)) Nur etws 98% von Ihnen entwickeln Führunsgsstrategien für die Wirtschaftshierarchie.
Ich habe keine Ahnung, was der Autor sagen möchte, wenn er von "Beherrschbarkeitsphantasien der westlichen Moderne" redet und dagegen postuliert "die Trennung von Natur und Kultur ist hinfällig".
Den zweiten Satz verstehe ich einfach semantisch nicht. Selbst wenn alles mit allem verbunden ist, brauchen wir dennoch Begriffe, sobald wir über etwas reden wollen. Oder genügt vielleicht ein allumfassendes, weises Om /Amen !?
Bis vor wenigen Jahrzehnten sah der Mensch sich in eine potentiell lebensfeindliche Umwelt geworfen, der er das Lebensnotwendige abtrotzen muss. Erst mit der tatsächlichen Beherrschung vieler Kulturechniken ist ein Bewusstseinswandel eingetreten, dass natürliche Ressourcen endlich sein können, dass man Umwelt zerstören kann und daher schützen sollte. Welche angeblichen "Beherrschbarkeitsphantasien" der Autor wo ausmacht, ist mir schleierhaft und es wird auch nicht erläutert.
Absurderweise verweist er ein paar Sätze weiter auf Wissenschaftler, deren Warnungen wir ignoriert hätten. Sind unsere Wissenschaftler also doch allmächtig?
Wie kommt es aber, dass ausgerechnet unser "neoliberal kaputtgespartes" Gesundheitswesen sich als resilienter erwiesen hat als das staatlich finanzierte britische? Vielleicht weil unser Gesundheistssystem gar nicht neoliberal kaputtgespart wurde und Neoliberalismus-Bashing einfach ein verselbstständigtes Verhaltensmuster ist, eine beliebte Marotte.
Wir haben in Wirklichkeit nicht das "Undenkliche" getan, sondern Maßnahmen ergriffen, die wir in der gegebenen Situation für notwendig und vernünftig erachteten. Also im grunde dasselbe wie immer, nur die Situation war eben anders. Die Unterstellung, dies habe irgendeinen "Vorstellungsraum zerrissen" ist unlogisch, denn dann wäre man nicht so schnell so handlungsfähig gewesen.
Der Text ist voller innerer Widersprüche. Die Zukunft kennen wir zwar nicht, aber wie der Klimawandel sich auswirken wird, das meint der Autor doch schon sehr genau zu wissen. Die bevorstehende Wirtschaftskrise, ignoriert er dagegen. Nein, auch Soziologie-Professoren verbinden Unzusammenhängendes mit Schreckensmasken der menschlichen Unzulänglichkeiten und drohenden Apokalypsen, wie so viele andere auch.
||Den "sozialen Stillstand" als Lockdown kann man als den Höhepunkt eines Prozesses erkennen, der sich schon über Jahrzehnte hinzieht und bei dem der Mensch systematisch vereinzelt wird, die sozialen Kontakte immer mehr der Warenhaftigkeit des Individuums, der systematischen Autooptimierung in Bezug auf ein autoritäres, ökonomisches System und dessen Konsumentenstereotypen untergeordnet werden, und das "Soziale" als digitale Ware reinkarniert.||
An Kleinfamilien und Single-Haushalte lassen sich nicht nur sehr viel mehr Kühlschränke, Geräte und Vehikel absetzen als an Großfamilien.
Gerade ein Soziologe wird wissen, daß reduzierter Interaktion in der Vereinzelung jene Assoziation abgeht, welche im Umgang zwischen Individuen aller Altersklassen und Geistesverfassung in einer Großfamilie Empathie und Solidarität fördert, und das Sozialwesen Mensch ausmacht. Respektive: Wie Vereinzelung den Mensch rezeptiv entkoppelt und im Bewußtsein einschränkt.
Umstand, der unsere Zivilisation unempfindlich für Absurdität aller Art, also auch Kastenwesen und Stumpfsinn destruktiven Wirtschaftens macht.
||Was der Mensch braucht, ist eine ausreichende Versorgung mit dem Nötigsten. Die war aber in keinem Moment gegeben, wenn man global denkt.||
Ja. Allerdings scheint mir Suggestion asketischer Lebensführung weder attraktiv noch notwenig.
Selbst noch bei der angerichteten Überbevölkerung, sollte Umstellung auf gemeinnützige Gesellschafts- und Wirtschaftsform, bei deren Potential an Rationalität, Symbiose und human genutzter Technologie einen ansehnlichen Lebenstandard bei zugleich unvergleichlicher Qualität und Quantität an Talentförderung, Muse und Selbstverwirklichung für die Menschen einläuten.
Ein Anthropozän, das seinen Namen kulturell verdiente.
||Unabhängigkeit voneinander hat es sowieso nie gegeben.||
Vorgestern erst wieder legte meinersich Jemand dar, wie von Dir damit geäußerte Tatsache in Millionen Jahren für Hominiden unzweideutig auf der Hand lag, und erst auf artifizielle Distanz vom Lebensraum in Großzivilisation aus den Augen geraten kann.
Weshalb wiederum Philosophie (als mentales Substitut erdenden, solidarisierenden Überlebensdrucks und assoziationsfördernder Soziologie des Naturvolks) unabdinglich dafür ist, Großzivilisation nicht entarten (irrational) werden zu lassen.
Zugleich ist Dekonstuktivismus der Philosophie vollständig Fehlanzeige, wo statt seiner Fokus in Fußball, Winter- / Olympiaspielen, Kochsendungen und Seifenopern gefangen ist, damit Intellekt soweit ausgeschaltet bleibt, Obszönität entstellter Soziokonomie noch erfassen zu können, in der mittlerweile bloße 42 Individuen mehr auf sich vereinen, als ein Rest der Welt, welcher Tyrannei und Siechtum unter sich aufteilen darf.
Die Missionare der Finanz- und Religionspolitik werden nicht nachdenken, wenn doch nur aus Eigennutz.
Die Abrahams werden ihre Brandopfer weiter bringen und dies als edles Opfer verstehen.
"Allerdings scheint mir Suggestion asketischer Lebensführung weder attraktiv noch notwenig."
ist sie nicht, und an sich müsste sie es nicht sein, wenn empirisch basiertes Denken etwas mehr Einfluss haben würde. Hat es aber nicht, und daher wird "eine ausreichende Versorgung mit dem Nötigsten" wohlmöglich schneller als allen lieb sein wird eine wünschenswerte.
Diese "Methode" der kapitalistischen Ökonomie sich lemmingeartig in die "Steinzeit" zurückzubomben, wenn das Fass der Wertlosigkeit, bzw. der imaginierten Werte, übergelaufen ist, darf nicht unterschätzt werden. Dieser gerade akute Kriegszustand gegen einen unsichtbaren Feind ist wohlmöglich nur eine erste Eruption bevor das große Kotzen, aka der "Großkotz", kommt.
Ja.
Für dieses empirisch / evidenz-basierte Denken suche ich seit Jahren nach einem kurzen, umfassenden / einleuchtenden Begriff, von dem mir dünkt, es gäbe ihn / als hätte ich ihn früher evtl. in Gebrauch gehabt.
Ein Wort für jenes Denken, das auf grundsätzlich gegebenen Begebenheiten oder Optionen, also abseits vorgegebenen Konstrukts, beruht.
Nachtrag: „Tatsächlich“ z.B. würde ja schon hinhauen, allerdings ohne deutlich zu machen, wie damit Fassade durchdrungen sein soll.
Bei "Beherrschbarkeitsphantasien" dachte ich an US-Präsident Trump, der die Pandemie zu Beginn im Wissen daß die VSA an Corona keinen Schaden nehmen würden, und sie herunterspielte und der jetzt davon faselt, daß die VSA in Bälde über einen Impfstoff verfügen werden. Er war und ist darin nicht der Einzige - das hab' ich unter "Beherrschbarkeitsphantasien verstanden.
Erstaunlich finde, mit welcher Schärfe die Auseinandersetzung mit Prof. Adloff und seinem alles in allem doch harmlosen Text geführt wird. Ein Beispiel dafür
"... sei es durch Starkregen mit Überschwemmungen, sei es durch Dürren mit Wasser- und Nahrungsmittelknappheit"
In deutschen und niederländischen Universitäten, hab' ich innerhalb der vergangenen zwei Wochen im DLF gehört, wird daran gearbeitet, wo man Deiche und Mauern bauen wird um "Land unter" zu vermeiden und versucht eine Kosten/Nutzenrechnung zu erarbeiten. in einem Schlenker wurde auch aufgeworfen, daß manch einer dabei sein Hab und Gut verlieren wird, ein andere nicht!
Mir fehlt sowohl in Adloffs Text wie auch in den Komentaren dazu, die Nutzanwendung an Ende. Denn, um das Notwendige zu tun muß die Politik "in die Gänge kommen" und da wird weltweit gewartet wer als erster anfängt. Und dann muß die Poiltik ihre Bevölkerung, die Mehrheitsbevölkerung, die Nutzmenschen "mitnehmen", die sich wiederum von Gewohnheiten und Bequemlichkeiten und was sie sich erarbeitet haben und stolz drauf sind, verabschieden.
Und da seh' ich den ersten Schritt entfernt noch nicht angegangen!
Voll in der Sackgasse! So isses! Der Megatrend, würde Horx sagen, ist der Klimawandel! In der Sackgasse wird es: heiss, voll & eng, Nahrung knapp, Trinkwasser knapp, Meerwasser steigt. Peng! Die happy few Megatrendsetter heben dann einfach ab, steigen aus der Sackgasse in die Lüfte empor, up, up and away in my beautifull balloon, z.B. ins moon village, um zu bleiben. Arche Noah 4.0 - Planet Erde, die Titanic 2.0! Let`s have now the last party!
Das Problem ist ja nicht , dass es keine Alternativen gäbe, sondern dass dazu der politisch Wille fehlt , weil der am erhalt der Herrschaft hängt wie ein Junkie an der Spritze. Gäbe es eine Möglichkeit für die Politik ,wäre sie längst wahrgenommen worden bei der brisanten Erkenntnislage. Aber 28 oder wieviel Klimagipfel haben nichts bewirkt als im wahrsten Sinne des Wortes heiße Luft. Da ist es nicht weiter erstaunlich , dass einige Zeitgenossen auf die Idee kommen , langsam selbst die Sache in die Hand zu nehmen, denn es eilt.
Fakt zwischenzeitlich ist, dass das Denkvermögen nicht nur einigen Überbesorgten und Wirren abhanden gekommen ist, sondern auch Leuten, von denen man annehmen sollte, dass sie schon von Berufs wegen A von B unterscheiden können – den Medien. Von »Beherrschung« – was ja immer auch heißt: eine Beherrschung in der Sache – ist jedoch immer weniger zu spüren.
Laut aktuellen News-Meldungen von BR24, br.de, n-tv, Kölnische Rundschau, Berliner Morgenpost, NDR sowie einigen weiteren Medien wurden die – aufgrund ihrer teils verschwörungstheoretischen und nach rechts offenen Ausrichtung in der Kritik stehenden – Lockerungs-Kundgebungen von, man lese und staune, »Corona-Gegnern« ausgerichtet. Tolle Idee, wird der ein oder andere vielleicht denken: Wenn alle nur feste demonstrieren, löst sich das Virus vielleicht in Wohlgefallen auf. Der NDR führt den Begriff immerhin noch in Anführungszeichen auf und deutet somit an, dass die Begrifflichkeit nicht auf eigenem Mist gewachsen ist. n-tv hingegen toppt das Ganze und scheidet, ganz nah am Ball, zwischen »Corona-Gegnern« und – kein Unsinn, so steht es da – gegendemonstrierenden »Corona-Befürwortern«. Damit gemeint sein dürfte wohl die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung: also diejenigen, die Supermärkte mit Maskenschutz betreten, Abstand halten, die, die gegen rechte Hetze sind und letzten Endes wohl auch »die« Politiker. Moral der Geschicht’ – jedenfalls laut Bayerischer Rundfunk, NDR und Pressekollegen: Merkel, Antifa & Co. – nicht nur alles ein Gesocks, sondern als »Befürworter« für die Pandemie ursächlich verantwortlich. Bill Gates durfte in den fraglichen Beiträgen natürlich ebenfalls nicht fehlen – wenn auch mit etwas textlichem Sicherheitsabstand zu »Gegnern« und »Befürwortern«, so dass aus dem Kontext nicht ganz klar wird, ob Mr. Gates gegen oder für Corona ist.
Einbezogen die Überlegung, dass wohl kaum ein normaler Mensch eine Krankheit befürworten wird, der bislang mehrere Zehntausend zum Opfer fielen: Satisfactionsfähig ist das nicht. Trotzdem ist zu befürchten, dass auch SPON, tagesschau.de, Illner und der Rest der sich in ihrer Cloud selbst beweihräuchernden Medien-Qualitätsgarde diesen Bullshit weiter durch die Runde tragen. Womit die sogenannte vierte Gewalt sich aufgrund Auflagengeilheit mal wieder selbst die Rumkugel verpasst respektive den Beweis angetreten hat, dass sie »Fake News« genausogut kann wie die anderen – nur eben ein bißchen unbedarfter als diejenigen, die immerhin ein politisches Ziel haben (jedenfalls, was »Freie Übertragungswege für freie Bürger« und den Allrounder »MERKEL MUSS WEG !!!« angelangt).
Vielleicht wird das ein Politiker, Wissenschaftler oder sonst ein wacher Kopf nächstens bei Will, Plasberg und so weiter klarrücken (sicher bin ich mir da allerdings nicht). Für meinen Geschmack jedenfalls kann der Lockdown gern erweitert werden – derartiger Müll-Journalismus kann wegen mir gern zwei, drei Monate zwangspausieren. Etwas ernsthafter formuliert arbeitet diese Form fahrlässig-desinformierender Nachrichten-»Berichterstattung« gleich zwei Szenarien zu, die aktuell tunlichst vermieden werden sollten: a) einer Verschlimmerung der Pandemie-Situation, weil nach Info-Desastern dieser Sorte zunehmend weniger Menschen gewillt sind, den Medien überhaupt irgendwas zu glauben, b) weiteres Oberwasser für die Verschwörungsfront, die sich zunehmend in Richtung einer Pegida 2.0 entwickelt.
Was bleibt, ist letztlich wohl nur, sich via Leserbrief (oder eventuell auch via Beschwerde beim Presserat) dagegen zu verwahren, als »Corona-Befürworter« bezeichnet zu werden – ebenso dagegen, dass Leute, die gegen die aktuellen Schutzmaßnahmen Sturm laufen, sinnentstellend als »Corona-Gegner« hingestellt werden.
BEi BR24 und n-tv sind die fraglichen Formulierungen zwischenzeitlich raus. Könnte ein Indiz dafür sein, dass nachredigierenden Redakteuren die Formulierung doch gar zu peinlich war.
Nein, iDog, es gibt keine Alternativen. Ums in Bild zu setzen möchte ich zu dem Radiobeitrag zurückkommen.
Wenn der Meeresspiegel ansteigt wird man die Beobachtung machen können, daß sich die Mündungen der Fließgewässer, nicht von gleich auf sofort, aber stetig mehr oder weniger tief ins Hinterland zurückziehen werden. Damit wird eine Verminderung der Fließgeschwindigkeit einher gehen. Das kann zur Folge haben, daß sich die Fließgewässer, wieder nicht von gleich auf sofort, aber stetig verbreitern werden ...
Soweit nur zur Alternativlosigkeit.
Zu Ihrem
"... dass dazu der politisch Wille fehlt , weil der am erhalt der Herrschaft hängt" dachte ich, daß Sie der Politik unterstellen, daß sie sich für wichtiger als unser aller Existenzberichtung hält! Dann könnten Sie, iDog mit ihrem Schlußatz in Ihrem ersten Beitrag hier Recht behalten. Ich hoffe sehr, Sie irren sich!
Volle Zustimmung, Richard Zietz, besonders Ihren dritten Absatz. Den hätte ich, nicht wortwörtlich aber inhaltlich gern selbst geschrieben. Ich hätte noch Maischberger und Anne Will, bei der ich mich schon llange frage, was will Anne eigentlich?
Im Wissen, daß die von Ihnen genannte die Meinung vieler Zuschauer und Zuhörer beeinflussen, sich deshalb als Avantgarde auch im Bereich der Wortschöpfung sehen, scheinen mir diese Leute eine Art Windhunderennen um die Meinungsführerschaft zu veranstalten. Im Sinne von wo findet gerade eins meiner Wortschöpfungen gerade Verbreitung ;-)
"Nein, iDog, es gibt keine Alternativen."
Kann es sich hier um ein kleines Missverständniss handel? Mir ging es natürlich nicht um Alternativen zum Anstieg des Meerespiegles, der steigt seit 12.000 Jahren ständig, sondern um Alternativen zur ökonomischen, landwirtchaftlichen, sozialen, politischen , usw.usf. ... kurz zu jeder Praxis.