Reinhard Grindel ist als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zurückgetreten und wer nicht ob der bloßen Tatsache das Bedürfnis verspürt, „Endlich!“ zu seufzen, tut es bei seiner Erklärung. Hier spricht einer, der seit Monaten eigene kommunikative Desaster verwaltet und sich doch als missverstanden geriert. So zu tun, als wäre er an einer geschenkten Uhr gescheitert, ist schlicht ein Witz.
Fußball erfüllt in der Gesellschaft längst auch politische Aufgaben. Das müsste gerade einer wie Grindel verstehen, der aus der Politik kommt. Da mögen Unbelehrbare behaupten, Sport und Politik hätten nichts miteinander zu tun – ein Blick in die Stadien genügt, um zu erkennen, beides ist untrennbar verbunden. Debatten um Werte werden am Umgang mit einem Spieler wie Mesut Özil geführt, die Frage, wer wir sein wollen, in den Choreos der Kurve diskutiert.
Qualifikation vor Geschlecht
An die Spitze des Verbandes gehört deshalb eine Person, die versteht, wie gesellschaftlich relevant der Fußball tatsächlich ist und die ihn entsprechend gestaltet. Betrachtet man dazu, was die mangelnde Kommunikationsfähigkeit Grindels für Schaden angerichtet hat, plädiere ich für eine Frau. Der Vorschlag, einen Posten weiblich zu besetzen, provoziert oft zunächst Empörung: Qualifikation vor Geschlecht. Das ist auch vollkommen richtig. Lustig ist nur, die Forderung kommt in der Regel nicht auf, wenn ein Mann besetzt wird. Ich präzisiere also: Ich plädiere für eine qualifizierte Frau, die das Amt besser wuppt als die üblichen Verdächtigen.
Gerade einem Verband wie dem DFB mit seinen männlichen Strukturen würde es guttun, die Situation für einen Umbruch an der Spitze zu nutzen. Letztlich ist es oft nur Bequemlichkeit, die verhindert, dass in Bezug auf dringend notwendige Diversität in Gremien ein Umdenken stattfindet. Der DFB könnte im Jahr 2019, das auch eine WM der Frauen markiert, Vorbild sein und deren Sichtbarkeit in der Gesellschaft voranbringen.
Choreo in Freiburg
In den Kurven ist das längst Thema. So war in Freiburg zuletzt eine Choreografie zu sehen, die sich mit Frauenfeindlichkeit im Stadion auseinandersetzte. „Das soll unser Fußball sein?“, fragte da ein Mädchen angesichts von Aussagen wie „Zum Ficken ok, in der Kurve oje“ und erhielt von einem älteren weiblichen Fan die Antwort: „Nein. Setzt euch gegen Sexismus ein.“
Die Vielfalt dessen sichtbar zu machen, was Fans anschieben, ist ohnehin eine Aufgabe, der sich die neue Präsidentin mit den Kollegen im eigenen Präsidium und bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) intensiv widmen müsste. Es ist unverständlich, wieso niemand Gegenwehr leistet, wenn Fans als eine wilde Horde verkauft werden. Hier ist der Fußball weniger selbst politisch, als dass er für Politik instrumentalisiert wird, wie zuletzt bei der Debatte um die Beteiligung von Vereinen an den Kosten für Hochrisikospiele.
Das Urteil aus Leipzig
Der Jubel darüber, dass am Bundesverwaltungsgericht Leipzig nun die Tür für eine solche Beteiligung aufgestoßen wurde, dürfte bei genauerer Betrachtung schnell abebben. Bei dem Urteil geht es nicht um Fußball, sondern sämtliche kommerzielle Hochrisikoveranstaltungen. Manch einer, der sich heute noch freut, wundert sich demnächst über teurere Festival-Tickets. Im Fußball lassen sich solche gesetzlichen Verschärfungen gut anstoßen, weil Fans keine Lobby haben. Anders ist nicht zu erklären, warum neun verletzte Fans durch Pyrotechnik bei 13,4 Millionen Zuschauern der 1. Liga in der vergangenen Saison eine Debatte um vermeintlich kriegsähnliche Zustände im Stadion im Gange halten. Auch da hapert die Kommunikation – denn wie kann es sein, dass die Verbände diesen Missständen nicht deutlich entgegenwirken?
Die neue DFB-Präsidentin hat viel zu tun.
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