Ziemlich beste Freunde

Fragen 1-7 Der Facebook-Börsengang gilt als die Sensation des Jahres. Aber wer kann wirklich sagen, worum es geht? 21 Antworten, damit Sie mitreden können

1. Wie erklärt man einem 12-jährigen Kind den Börsengang?

Facebook selbst muss man ja keinem 12-Jährigen mehr erklären: sind schließlich alle selbst schon dabei, obwohl die Anmeldung erst ab 13 erlaubt ist. (Allenfalls in der Disco wird noch häufiger das Alter nach oben gelogen als beim Anlegen eines Facebook-Accounts.)

Einen Börsengang müssen Sie vielleicht schon eher erklären. Zum Beispiel: Du hast die tolle Idee, Äpfel vom Nachbarsbaum zu stehlen. Du hast aber keine Leiter. Also fragst du deine Freunde, ob sie dir Geld geben wollen, damit du dir eine Leiter kaufen kannst. Du willst die Äpfel verkaufen, erklärst du, und an jeder verkauften Frucht würden deine Freunde mitverdienen. Sie zögern. Du sagst, dass es die besten Äpfel der Welt sind. Sie geben dir das Geld. Wenn es gut läuft, läuft es so: Du stiehlst, du verkaufst, sie bekommen ihren Anteil. Wenn du aber erwischt wirst, verlieren deine Freunde ihr Geld und du deine Freunde.

Den Facebook-Börsengang nun werden Sie Ihren Kindern mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit erläutern müssen. Sie werden sich nämlich rechtfertigen müssen, warum Sie keine Facebook- Aktien kaufen wollen. Ist doch ein tolles Unternehmen mit einem tollen Produkt – zumal eines, das Ihre Kinder nun wirklich gut kennen. Da muss doch auch die Aktie toll sein, oder?

Unser Tipp: Kaufen Sie ein paar dieser Aktien und lassen die Kleinen einmal monatlich über Halten oder Verkaufen entscheiden. Gewinne oder Verluste werden mit dem Taschengeld- Konto verrechnet. Nichts steigert das Verständnis für Kapitalmärkte so sehr wie dort verlorenes Geld.

2. Übernimmt Facebook bald das Internet?

Das zumindest könnte der Grund sein, warum das Unternehmen ausgerechnet jetzt an die Börse geht. Denn auf den ersten Blick scheint dieses Vorhaben unsinnig: Jeder Börsengang ist primär ein Mittel zur Geldbeschaffung. Aber Liquiditätsprobleme hat Facebook eigentlich nicht (eine Milliarde US-Dollar Reingewinn 2011). Zudem gehört das Unternehmen zu der raren Sorte, die bereits vor dem IPO (Initial Public Offering, englisch für Börsengang) das Geld mit vollen Händen ausgibt. So zahlte Zuckerberg zum Beispiel eine Milliarde Dollar für die 12-Mann-Bude, die die Foto-Anwendung Instagram entwickelt hat.

Was also will Facebook an der Börse? Im Börsenprospekt er­läutert das Unternehmen seine „Equity Story“, also die tiefer liegenden Motive. Die betreffende Stelle liest sich unbestimmt, fast schüchtern. Man habe „keine konkreten Pläne“ mit den Einnahmen, heißt es dort, außer die am Unternehmen beteiligten Angestellten und die frühen Investoren zu belohnen. Das klingt edel, aber man darf davon ausgehen, dass Facebook genau weiß, was es mit dem Geld machen wird.

Zum Beispiel dies: ein Internet im Internet erschaffen. Ein Angebot, so allumfassend, dass man als User fast nie von der Facebook-Welt in das eigentliche Internet wechseln muss. Das Stichwort ist „Facebook Platform“. Es fällt im Börsenprospekt 44 Mal. Schon heute sind E-Mail, Wikipedia, Youtube und Fotodienste in Facebook integriert. Aber um das gesamte Netz zu ersetzen, muss das Angebot erweitert werden. Wann wird Facebook einen eigenen Musikservice anbieten? Wann wird es Twitter kaufen, um in den Newsmarkt einzusteigen? Und vor allem: Kann Facebook eines Tages eine Googlesuche überflüssig machen?

Um das Internet zu übernehmen, braucht Facebook neben weiteren Anwendungen vor allem auch mehr Anwender. Rund zwölf Prozent der Weltbevölkerung sind heute Mitglied in dem sozialen Netzwerk. In der englischsprachigen Welt hat man fast jeden. Das Ziel, so steht es unverblümt im Börsenprospekt, ist der Rest der Welt. Und zwar in dieser Reihenfolge: Brasilien, Deutschland, In­dien, Japan, Russland und Südkorea. Sollte Facebook das Internet tatsächlich ersetzen wollen, sind die Milliarden aus dem Börsengang vielleicht nicht mal genug.

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4. Stimmt es, dass Zuckerberg gar nicht an die Börse wollte?

Vermutlich ja. Nichts wäre ihm persönlich wohl lieber gewesen, als weiterhin selbstbestimmt das Netz umzukrempeln und Sachen, die ihm durch den Kopf schießen, einfach zu machen – etwa die ­Facebook-Timeline einführen oder Instagram kaufen. „Ein IPO verhindert Innovation“, sagte der 28-Jährige noch im vergangenen Jahr. Das Problem: Unternehmen mit mehr als 500 Shareholdern müssen ihre Quartalszahlen veröffentlichen. Ende 2011 hatte Facebook erstmals diese Zahl erreicht, und sobald das geschieht, bleiben Unternehmen 120 Tage, um ihre Bilanzen an die Öffentlichkeit zu bringen. Da ging Facebook lieber gleich an die Börse.

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6. Womit verdient der Zuckerberg eigentlich sein Geld?

85 Prozent der Einnahmen, also 3,1 Milliarden Dollar, erzielte das Unternehmen aus Palo Alto letztes Jahr mit dem Verkauf von Werbung. Zwölf Prozent wurden über den Spieleentwickler Zynga („Farmville“) generiert. Drei Prozent aus anderen Gebühren und Zahlungen. Es gibt zwei Interpretationen dieser Zahlen. Die erste lautet: Facebook ist abhängig vom schwankenden Werbemarkt. Die zweite: 2009 lag der Werbe­anteil bei 98 Prozent, 2010 nur noch bei 95 Prozent. Facebook emanzipiert sich also langsam von der bei Investoren (und Datenschützern) so unpopulären Werbung.

7. Go long oder go short?

„Long gehen“ steht im Börsendeutsch für den Glauben an eine Aktie. Man setzt auf steigende Kurse. „Short gehen“ bedeutet das Gegenteil: Man geht davon aus, dass der Aktienkurs fällt. Zwar gibt es jetzt viel Lärm um Facebook, aber kann man als Anleger dem Geschäftsmodell vertrauen? Wer weiß, ob man die nächsten Jahre auch weiterhin mit Werbung im Internet Geld verdienen wird? Viele Analysten tendieren unter der Hand zu der Meinung, Facebook versuche, sein unsicheres Geschäftsmodell schönzureden. Ein klares Argument für „go short“ – Facebook ist überbewertet, der Kurs wird fallen! Andererseits werden die beteiligten Investmentbanken alles tun, um den Börsengang erfolgreich aussehen zu lassen, gegebenenfalls auch mit Stützungskäufen. Daher kann es zunächst sehr gefährlich sein, „short zu sein“. Mit der Bewertung der Aktie verhält es sich wie mit einer in Facebook-Profilen häufig verwendeten Beschreibung des Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. Also Finger weg. No Go.

Was wird das nächste große Ding? Und ist Facebook eigentlich böse? Die weiteren Antworten finden Sie hier (Fragen 8-14) und hier (Fragen 15-21).

Texte von Detlef Gürtler, Maike Hank, Steffen Kraft, Mikael Krogerus, Klaus Raab und Sebastian Stoll

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