Zornbinkel und Rohrkrepierer

Österreich Wie die große Koalition ihr Ende überlebt

Nicht nur die SPD steckt in einer Krise, auch der SPÖ ist es schon besser gegangen. Dass die brustschwache niederösterreichische Landespartei die Landtagswahl verliert, war zwar schon länger klar, das Minus von acht Prozent Anfang März übertraf aber die allerschlimmsten Befürchtungen. Dazu kommt noch, dass Kanzler und Parteichef Alfred Gusenbauer Niederösterreicher ist, ihm die Niederlage also doppelt zugerechnet wird. Niederösterreich, das Land um Wien, ist das Kerngebiet der Republik und seit 1945 fest in schwarzer Hand, doch noch nie so fest wie jetzt.

Dabei ist der seit 1992 in St. Pölten regierende Landeshauptmann Erwin Pröll schon ein Sonderfall. Er dürfte sich selbst nicht ganz geheuer sein, auf jeden Fall spricht er auffällig oft von sich in dritter Person. "Der Erwin Pröll lässt sich das nicht gefallen" - "da werden sie den Erwin Pröll aber kennen lernen". Selbst nach dem Hochwasser im August 2002 hieß es: "Der Erwin Pröll wird euch helfen!" Die Leidtragenden entschädigte das Land so großzügig, dass sogleich jedwede Kritik an ungenügenden Sicherungsvorkehrungen verstummte. Man konnte es sich leisten, die Katastrophenfonds waren prall gefüllt.

Aktionen, wo der "Erwinizer" hemdsärmelig einschreiten kann, sind ihm am liebsten. Und dieses Einschreiten ist mehr als ein Auftreten. Wenn ihm was nicht passt, führt er sich auf wie ein Berserker und schreckt vor Drohungen nicht zurück. Ein richtiger Zornbinkel soll er sein, der Erwin Pröll. Am liebsten kommuniziert er via Befehl und Botschaft. Gegen das rot-schwarze Chaos im Bund, da helfen nur klare Verhältnisse wie sie in Niederösterreich unter ihm herrschen.

Ob Land, ob Bund, die SPÖ ist also schwer angeschlagen. Vor einigen Wochen noch stellte der Kanzler der Volkspartei die Rute ins Fenster, indem er vorschlug, die geplante Steuerreform von 2010 auf 2009 vorzuziehen, ansonsten müsse man die Koalition als gescheitert betrachten. Viele dachten, das sei ein Befreiungsschlag, doch mit dem für die Sozialdemokraten desaströsen Ergebnis in Niederösterreichisch ist die Offensive schon wieder verpufft. Die ÖVP beharrt auf dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Termin. Nicht einmal einen kleinen Erfolg will man Gusenbauer gönnen. Das Ultimatum des SP-Kanzlers erweist sich einmal mehr als Rohrkrepierer.

Auch wenn sie noch gemeinsam in der Regierung sitzen, ist die Koalition zwischen SPÖ und christlichsozialer Volkspartei bereits beendet. Alle paar Tage beschwört man zwar einen Neustart, doch jeder neue Vorschlag führt zu neuen Zwistigkeiten. Man hat kein Einstiegsszenario, aber auch kein Ausstiegsszenario. Alfred Gusenbauer, so scheint es, ist mit seinem Latein am Ende. Die SP-Granden in den Bundesländern werden unruhig ob der miserablen Performance und der schlechten Umfrageergebnisse. In Neuwahlen zu flüchten, ist jedenfalls ausgeschlossen, Kanzlerschaft und Parteivorsitz zu trennen, wäre eine Möglichkeit, hat aber in Österreich keine Tradition. Als mögliche Kandidaten werden die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller oder Infrastrukturminister Faymann genannt. Vordrängen tut sich freilich niemand.

"Wir haben einen roten Bundeskanzler. Dieser Fehler muss korrigiert werden", sagt Vizekanzler Molterer über seinen Kanzler. Freilich stellt sich die Frage, ob die Bundes-ÖVP mehr zu bieten hat, als mit gezielter Obstruktion den Regierungspartner in die Enge zu treiben. Ob das Minus der SPÖ sich zu einem Plus für die ÖVP verwandelt, darf ernsthaft bezweifelt werden. Auch die Volkspartei, die in Strategiepapieren bereits Neuwahlen überlegt, kann sich in keiner Weise, trotz Niederösterreich, eines Erfolgs sicher sein.

Alternativen zur großen Koalition sind kaum in Sicht, weder Rot-Grün noch Schwarz-Grün sind mehrheitsfähig, auch für ein ÖVP-FPÖ-Bündnis träfe das nicht zu. Übersehen werden sollte aber nicht, dass im Windschatten der großkoalitionären Streiterei die FPÖ unter ihrem Obmann Heinz Christian Strache einen Wiederaufstieg erlebt. Großer Gewinner bei Neuwahlen wären die Freiheitlichen.

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