Zu gut, um wahr zu sein

Island Das erneute Scheitern einer Regierung in Reykjavík zeigt, was passieren kann, wird ein Staat zu sehr verklärt
Ausgabe 20/2016
Kein bisschen Offshore?
Kein bisschen Offshore?

Foto: Spencer Platt/Getty Images

Sagen Sie Island, und Sie bekommen nur Gutes zu hören. Jeder will einmal dorthin. Wegen Björk, wegen der Natur, wegen der Elfen, weil es keine Armee gibt und keine Atomkraft. Wenn ein Land existiert, das seit Jahrzehnten oft nur positive Assoziationen weckt – dann Island. Wären alle bloß ein bisschen mehr wie dieser Staat, würde die Welt ein besserer, wenn nicht gar paradiesischer Ort sein.

Die Finanzkrise, die das Land 2008 an den Rand des Abgrunds brachte, hat dieses Bild zerstört – doch nur ganz kurz. Es dauerte nicht lange, da war Island wieder das gute Beispiel, das sich selber am Schopfe aus dem Elend zieht, das die Krise aufarbeitet und die Banker bestraft. Und die schöne Natur und Björk waren ja auch noch da. Es galt wieder: Wären bloß alle ein bisschen mehr wie Island, dann wäre die Welt …

Keine Frage, die Isländer haben nicht nur viel durchgemacht, sondern auch viel geleistet. Der kleine Inselstaat mitten im Nordatlantik taugt durchaus zum Vorbild. Nur handelt es sich eben nicht um das Sauberland, als welches es gesehen wurde. Und woran viele glaubten. An dieser Idealisierung ist der Inselstaat gescheitert. Gerade bei einer kleinen, auf das eigene Image bedachten Nation kann daher der kritische Blick von außen ein Korrektiv sein.

Die Panama Papers brachten den isländischen Premier zu Fall. Der Guardian, die Süddeutsche Zeitung und andere Medien eines Rechercheverbunds haben nicht nur dazu beigetragen, sondern auch für mehr Transparenz auf Island gesorgt. Freilich wird die Bedeutung dieses Vorgangs überhöht, wenn jetzt so getan wird, als wäre vor diesen Papieren nichts vom unlauteren Tun der politischen Elite Islands durchgesickert, als hätte man im Ausland nur die „Elfen-Beauftragte“ gekannt.

Bereits Wochen vor den ersten Panama-Leak-Artikeln waren auf Island Offshore-Verbindungen der Frau von Premier Sigmundur Gunnlaugsson bekannt geworden. Dass Finanzminister Bjarni Benediktsson ein problematisches Konto bei einer Schweizer Bank hatte, fiel ebenfalls nicht erst in den Panama Papers auf – darüber wurde schon 2010 berichtet, ohne dass man groß daran Anstoß nahm. Das Gleiche galt für Benediktssons Aktion, rund 320 Millionen Euro kurz vor dem Kollaps 2008 aus Island heraus zu schaffen. Bisher trat nur der Premier zurück.

Alles wieder von vorn?

Schon 1999 wurde auf Island für Offshore-Konten geworben. Sie gehörten bei den Honoratioren des Landes zum guten Ton. Dass von den nur 330.000 Einwohnern 170 in den Panama- Papers auftauchen, ist insofern keine Überraschung.

Die Krise 2008 war teilweise hausgemacht. Umso bedauerlicher, dass in den Jahren danach längst nicht alle Ursachen aufgearbeitet wurden. Was die meisten Ausländer, besonders die Island-Möchtegern-Touristen, über den Inselstaat erzählten, klang indes häufig so lupenrein, als käme es direkt aus der Reklamebroschüre für den nächsten Urlaub am gleichen Ort.

Längst sieht es ein wenig so aus, als würde alles von vorn losgehen. Denn David Oddsson hat sich zurückgemeldet. Der ehemalige Premier möchte bei der Wahl im Juni Präsident werden. Oddsson hat Island mindestens so stark geprägt wie Margaret Thatcher Großbritannien. Er hatte als Regierungschef nicht nur Anteil am Ausbruch der Finanzkrise, sondern es zuvor als Zentralbankchef unterlassen, die Notbremse zu ziehen. Seit jenem Kollaps schreibt er als Chefredakteur von Morgunbladid Geschichte (um). Das Time-Magazine führt ihn auf der Liste der 25 Personen, denen die größte Schuld an der Finanzkrise zu geben ist.

Islands Elite ist nun bereits zum zweiten Mal moralisch gescheitert. Wird Oddsson Präsident, käme das einem dritten Absturz gleich. Das Ausland muss sich fragen, ob dies nicht auch daran liegt, dass es Probleme nicht sehen wollte und daher den Isländern dringend benötigte Checks and Balances vorenthielt.

Atli Thor Fanndal arbeitet als Investigativreporter in Reykjavík

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