Zuflucht Büro

Im Gespräch Katrin Evers von "Reporter ohne Grenzen" über die eingeschränkte Berichterstattung aus dem Irak

FREITAG: Sie schreiben, der Irak-Krieg sei für Journalisten der tödlichste seit dem Vietnam-Krieg. Woher wissen Sie das?
Katrin Evers: In Indochina kamen innerhalb von 20 Jahren 63 Journalisten ums Leben. Nach drei Jahren sind es im Irak schon wesentlich mehr.

Was bedeutet das für die Berichterstattung?
Sie verkümmert, es wird vorwiegend live vom Hoteldach berichtet. Journalisten verlassen nur noch selten ihre Unterkünfte und die Sicherheitszone.

Die Öffentlichkeit bekommt kein umfassendes Bild von dem, was im Irak geschieht. Zudem stammen viele Informationen aus Meldungen des US-Militärs - wirkliche Recherche vor Ort ist kaum noch möglich. Nur noch selten fahren Journalisten in ländliche Gegenden oder in die gefährlichen Gebiete der Städte, um sich ein Bild davon zu machen, wie die Menschen dort leben.

Trifft das auch auf die irakischen Journalisten zu?
Die setzen sich vor Ort der gleichen Gefahr aus wie ihre ausländischen Kollegen. Auch sie haben Angst, sich außerhalb ihrer Büros zu bewegen. Einige geben sich auf offener Straße nicht mehr als Journalisten zu erkennen, weil das sehr gefährlich sein kann.

Kurz nach dem Sturz Saddam Husseins gab es rund 180 Tageszeitungen im Irak, mittlerweile sind es noch 25. Mit der Zahl der Publikationen schwindet auch eine anfänglich vorhandene Offenheit gegenüber Themen wie Frauenrechte, Scheidung oder Verschleierung. Hier wirkt der permanente Druck wie eine Zensur.

Die meisten getöteten Journalisten sind Iraker, auch weil sie die Mehrzahl der Medienleute vor Ort stellen. Viele von ihnen arbeiten als Stringer, das heißt als Vermittler, als Übersetzer oder als Assistenten für ausländische Medien. Wenn sie in den einheimischen Medien Präsenz zeigen, laufen sie Gefahr, bei Bombenattentaten oder im Kugelhagel ums Leben zu kommen. In einigen Fällen wurden irakische Reporter gezielt getötet oder entführt und dann umgebracht. Das schürt die Angst, viele Journalisten üben Selbstzensur oder geben sogar ihre Jobs auf.

Wer behindert die Arbeit der Journalisten im Irak am meisten?
Das Haupthindernis für eine freie Berichterstattung sind die bewaffneten aufständischen Gruppen. Sie betrachten die staatlichen irakischen Medien als US-finanziert und deren Mitarbeiter als Feinde.

Viele Journalisten kamen bei einem Schusswechsel ums Leben, weil sie unter Umständen zu unvorsichtig waren. Aber auch das ist nicht immer so. Man denke an den deutschen Korrespondenten Christian Liebig vom Focus. Er starb Anfang April 2003, also kurz nach Kriegsbeginn, weil er nicht mit den US-Truppen vorrückte, sondern aus Sicherheitsgründen bei einem Zwischenposten blieb, der dann aber von einer Granate getroffen wurde.

Immerhin zwölf Prozent der Getöteten gehen auf das Konto der US-Armee. Unter welchen Umständen sind sie zu Tode gekommen?
Das ist unterschiedlich: Als im April 2003 die Kampfhandlungen die irakische Hauptstadt erreichten, wurde in Bagdad das Hotel Palestine beschossen. Dabei sind zwei Journalisten tödlich verletzt worden. Die US-Armee sprach von "Fahrlässigkeit": Man habe nicht gewusst, dass dieses Hotel als Journalistenunterkunft diente. Ein anderes Beispiel: Der Palästinenser Mazen Dana wurde im August 2003 erschossen, als er seine Kamera hielt und filmte. Die Besatzung eines US-Panzers hatte ihn angeblich für jemanden gehalten, der einen Granatwerfer auf der Schulter trug.

Teilweise haben die Amerikaner zwar offiziell anerkannt, am Tod von Journalisten Schuld zu sein, dies aber gleichzeitig als Kollateralschaden bezeichnet oder erklärt, die Tötungen seien zur Verteidigung der eigenen Leute legitim gewesen. Dabei wird völlig ausgeblendet, dass Journalisten nach der Genfer Konvention als Zivilpersonen in Krisen- und Kriegsgebieten unbedingten Schutz genießen.

Die Familien einiger von der US-Armee getöteter Journalisten haben sich an das Pentagon gewandt und um Aufklärung gebeten. Sie blieben ohne Antwort.

Das Gespräch führte Steffen Vogel


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