Zum Wahlkampf auferstanden

RENAISSANCE DER UNITA Rote Retterin für eine farblose Linke

Nach einer Pleite-Pause von genau acht Monaten liegt die Tageszeitung L´Unità wieder am Kiosk. Rechtzeitig vor den Wahlen wagt das traditionsbeladene Blatt seit drei Wochen den Neubeginn. Ob es sich aber wieder in der römischen Presselandschaft behaupten kann, ist selbst für den neuen Herausgeber, Alessandro Dalai, noch nicht absehbar. Die letzte Ausgabe der alten Unità, des ehemaligen Parteiorgans der früheren italienischen KP (PCI), war vergangenen Sommer erschienen. Der damalige Chefredakteur Giuseppe Caldarola musste am 28. Juli das Ende des hochverschuldeten Blattes "wegen Papiermangels" bekannt geben. Ein klägliches Aus, das viele Leser für ein endgültiges hielten, das Finale eines schleichenden Untergangs.

Ausgerechnet die neue Unità will nun einer zerstrittenen Linken zum Wahlsieg verhelfen - hatte doch die alte selbst unter den zahlreichen politischen Krisen ihrer alten Besitzer, den DS (Democratici di Sinistra), arg gelitten: Der PCI war 1991 zur Partei der Linksdemokraten (PDS) und schließlich zu den DS mutiert. Nebenbei gründeten Abtrünnige Rifondazione Comunista, später die Partei der Italienischen Kommunisten (PdCI). Mit jeder Sezession brachen der Unità Leser weg. Die Auflage von 200.000 zu Beginn der Achtziger war im Juni 2000 auf 38.000 Exemplare gesunken.

Alberto Leiss und Letizia Paolozzi, zwei langjährige Mitarbeiter der alten Unità, deuten in ihrem Buch Il giornale in rosso (Die Zeitung in rot) die Geschichte des Blattes als ein Prisma, in dem sich das politische Schicksal der römischen Linken, die Veränderung eines Milieus und ein revolutionärer Wandel der Medien brechen. Wo Sprache und Kultur in die Krise geraten, kann das Medium Zeitung nicht unbeschadet bleiben. So sollten 1995 Kinofilme als Beilage zum Blatt den Umsatz steigern: das Kulturprodukt Unità wurde zum Konsumprodukt, die Zeitung zur Beilage der Videokassette.

Die neue Unità hat sich nun viel vorgenommen: "rot, radikal, liberal, klar analytisch und natürlich gewinnbringend" will sie sein. Der neue Verleger Dalai wird in den nächsten drei Monaten die Rentabilität des Blattes beobachten, bevor es endgültig in seinen Besitz übergehen soll. Dazu darf die Auflage die 50.000-Grenze nicht deutlich unterschreiten.

An der Spitze der mit 44 Journalisten stark ausgedünnten Redaktion steht Furio Colombo, der die Tradition des Blattes genauso wahren will wie die Werte der Linken - ohne zu beschreiben, was er konkret damit meint. Colombo ist kein Linker, sondern ein Liberaler. Der Multijournalist ohne Parteibuch war lange Zeit USA-Korrespondent der Repubblica und leitete das italienische Kulturinstitut in New York. Böse Zungen behaupten, die Welt sei für ihn identisch mit dem Ausblick aus seinem New Yorker Flat. Vielleicht könne er aber der neuen Unità das geben, was der alten immer fehlte: ein wenig Glamour. So übt sich das Remake der Unità, die Antonio Gramsci 1924 gegründet hatte, in viel Selbstinszenierung. Der Blick geht zurück: Artikel von Gramsci, Italo Calvino oder Cesare Pavese erinnern an die "alten Zeiten".

Derzeit erscheint diese Zeitung zuweilen wie das Ei des Kolumbus in einem schwierigen Wahlkampf, ein moralischer Halt, um die schwankende, zersplitterte Linke zu stabilisieren, um die Unentschlossenen zu einem Votum für Francesco Rutelli - den Spitzenkandidaten von Mitte-Links - zu bewegen. Der kann agile Wahlhilfe gut gebrauchen, denn nach den Umfragen liegt er deutlich hinter Silvio Berlusconi.

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