Schon seit wahrscheinlich Tausenden von Jahren gehen Menschen für ihre Rechte auf die Straße. Alle paar Jahrhunderte gegen Adel und Kirche, 1969 gegen den Schah, 1989 gegen die SED-Herrschaft in der DDR, 2003 gegen den Krieg im Irak, 2010 und 2011 gegen arabische Regimeführer und noch so viel mehr. Allein mit den Daten von Anti-Atomkraft-Demos könnte man die ganze Kolumne zupflastern.
Am Samstag (23. November) kommt eine ganz neue Kategorie hinzu: Die NPD hat zu Protesten gegen Journalisten aufgerufen, gegen drei Reporter, die kritisch über Rechtsextremismus berichten. Auch der NDR ist im Visier. Reden schwingen werden dabei Männer aus der NPD, der Rechten, von den Jungen Nationalisten und ein selbst ernannter „Volkslehrer“, der wegen rechtsextremer Positionen auf Youtube aus dem Lehrdienst entlassen wurde.
Interessant wird es mit dem deutschen Grundgesetz ja immer, wenn sich verschiedene Aspekte in die Quere kommen. Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit sind in Deutschland hohe Güter. Gut so. Nun steigen aber diese Aspekte aus Artikel 8 und Artikel 5 mit der Pressefreiheit (ebenfalls Artikel 5) in den Ring. Nicht unbedingt, weil die Demo wohl der erste großer Straßenprotest gegen journalistische Arbeit ist. Kritisch wird eher die Dichte der Angriffe und Einschüchterungsversuche auf Medienmenschen – vor allem, surprise, von rechts: physische Angriffe, Drohungen im virtuellen Raum und im analogen Leben und Doxing von Journalist*innen – das Veröffentlichen von privaten Daten im Netz.
„Ziel der extremen Rechten ist es, Journalist*innen fertigzumachen, bis sie ihre Arbeit aufgeben“, heißt es in dem Aufruf #SchütztDiePressefreiheit, unterzeichnet von mehr als 450 Medienmenschen, 20 Verbänden und 17 Redaktionen. Panikmache ist das keinesfalls. Die drei Journalisten wurden mit Morddrohungen konfrontiert.
Im Deutschlandfunk wünschte sich der Rechtsextremismusexperte Andreas Speit, dass Redaktionen mutiger werden und auch vor juristischen Auseinandersetzungen nicht zurückschrecken. Allerdings sind es häufig kleinere Publikationen, die sich dezidiert mit der rechtsextremistischen Szene auseinandersetzen. Das zeigt das Beispiel der Wochenzeitung Kontext. Nachdem zwei Instanzen der Redaktion recht gegeben hatten, muss sie nun zum dritten Mal wegen eines Textes über einen Mitarbeiter zweier AfD-Abgeordneter vor Gericht, in dem aus dessen hetzerischen Chat-Protokollen bei Facebook zitiert wurde. Streitwert: 260.000 Euro. Aus eigenen Mitteln kann das ohnehin von Spenden finanzierte Blatt das nicht stemmen. Ähnlich sieht es auch bei freien Kolleg*innen aus, die sich dreimal überlegen werden, ob sie so ein Risiko eingehen wollen.
In den vergangenen Wochen leitartikelte und schlagzeilte die deutsche Zeitungslandschaft, inwiefern es noch Meinungsfreiheit in Deutschland gebe. Menschen scheinen aktuell davon irritiert zu sein, dass Meinungsfreiheit nicht gleich Widerspruchsfreiheit bedeutet. Die Tatsache, dass ein Grundrecht Nazis garantiert, gegen ein anderes Grundrecht zu demonstrieren und Pressefreiheit auf verschiedenen Ebenen anzugreifen, teilweise einzuschränken, dürfte eigentlich ein Gegenbeweis sein. Nazis und Rechtsextremisten werden den natürlich nicht akzeptieren – egal was die Fakten sagen. Denn das würde ja einen großen Teil ihres mühsam aufgebauten Opferstatus und ihrer Hetzgrundlagen hinwegfegen.
Kommentare 1
Seit einigen Jahrzehnten weigert sich eine Bundesregierung nach der anderen, sich ihre eigenen Fehler der Ignoranz in der sozialpolitischen Verantwortung für den sozialen Frieden im Land einzugestehen. Inzwischen wurden unzählige Bücher und Kommentare gegen rechte Entwicklungen geschrieben und ebenso viele Erklärungsversuche der Politiker wieder besseren Wissen der eigenen Verantwortung für diese Entwicklungen in den Medien abgegeben.
Es ist also in erster Linie Sache der Bundesregierung sich des Thema anzunehmen und sich Gedanken zu machen, wie diese sich wie eine invasive Art ausbreitende Form der Intolleranz und Gewaltbereitschaft in Wort und Tat in der politischen Debatte mit allen daran beteiligten politischen Parteien und Gruppen wieder langfristig zu befrieden ist.
Eine demokratische Gesellschaftsform deren Regierung keine anderen auf das Gemeinwohl bezogenen sozialpolitischen Ziele verfolgt, außer der Kapitalwirtschaft ihr Dasein so angenehm wie möglich zu gestalten, sollte sich erst einmal von ihrer eigenen humanistischen Heuchelei der Parteiideologien lösen und anerkennen, dass zu unserem demokratischen Kulturerbe in Deutschland auch die solidarischen Sozialwirtschaften der Sozialökonomien gehören.
Anders denkende und anders lebende Menschen mit Worten zu diffamieren, lächerlich oder Mundtot zu machen, zu bedrohen oder anderweitig zum schweigen zu bringen findet respektlose Beispiele in allen politischen Foren und hat mit gemeinsamen Suchen nach den Lösungen für die uns bis zum Hals stehenden Probleme nichts zu tun und ist kein Alleinstellungsmerkmal rechter Weltanschauungen.