Zur selben Zeit

Zur selben Zeit, als die Soldaten im Stützpunkt ihre Ledermonturen und Fliegerstiefel anzogen, legte der Mann zu Hause die Halskrause auf den ...

Zur selben Zeit, als die Soldaten im Stützpunkt ihre Ledermonturen und Fliegerstiefel anzogen, legte der Mann zu Hause die Halskrause auf den Küchentisch und küsste die Frau, die niemals lächelte. Die Frau saß neben der Kühltruhe auf einem Hocker und sah den Mann an. Er gab ihr eine Handvoll knallgelbe Pillen, und sie schluckte sie hastig wie immer. Die Frau war ausnehmend schön, jung und neurotisch. Der Mann nahm die Proviantbüchse aus dem Kühlschrank und steckte sie zusammen mit der Taschenlampe in den kleinen Rucksack, dann legte er der Frau ein dünnes ledernes Band um den Hals, befestigte eine lange, vergoldete Kette an dem Band und schloss deren Ende am Griff der Kühltruhe fest. Die Augen der Frau folgten jeder seiner Bewegungen. Der Mann zog drei Medikamentenfläschchen aus der Tasche und legte die Pillen daraus in drei Reihen auf die Fensterbank. Er drohte ihr mit dem Zeigefinger, hob den Rucksack vom Boden auf und ging. Er musste es vor der Dämmerung bis zum Rand des Gletschers schaffen. Die Frau ließ sich vom Hocker gleiten, sobald der Hall seiner Schritte verklungen war. Sie hielt die Kette in der Hand, sah schräg hinauf zu dem schmalen Streifen Himmel und fragte sich, wer der schwarz gekleidete Mann war, der immer wieder ihre Wohnung betrat, der Fremde mit dem Rüschenkragen, der selten kam und oft ging. Vielleicht war er ein Außerirdischer von der dritten Milchstraße, ein wohlmeinender Engel in Teufelsgestalt. Der Gedanke beruhigte sie. Während sie glücklich die Augen schloss, erschienen 15 graugrüne Hubschrauber am Himmel. Sie formten einen Pflug, der sich lautlos nach Osten bewegte und einen schwarzen, vogelförmigen Schatten auf die Stadt tief unten warf.

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