Zurück in die Zeit vor Merkel?

CDU Friedrich Merz übernimmt den Parteivorsitz. Von ihm wird erwartet, die CDU in die guten alten, konservativen Zeiten zurückzuführen. Doch die gibt es nicht mehr – und das weiß er
Ausgabe 03/2022
Friedrich Merz wird als neuer CDU-Vorsitzender wohl oder übel jenen wehtun müssen, die hoffen, mit ihm kehre die CDU zurück in eine gute alte Zeit
Friedrich Merz wird als neuer CDU-Vorsitzender wohl oder übel jenen wehtun müssen, die hoffen, mit ihm kehre die CDU zurück in eine gute alte Zeit

Foto: Filip Singer/Getty Images

Am Samstag ist es so weit: Friedrich Merz wird der nächste CDU-Chef – nach drei Anläufen. Jetzt kann er zeigen, was er aus seinem zäh errungenen Amt macht.

Der wichtigere Tagesordnungspunkt wird deshalb Merz’ Vorstellungsrede sein. Dreißig Minuten hat die Parteitagsregie dafür vorgesehen. Merz weiß, dass er an dieser Rede gemessen werden wird. Seine größte Herausforderung wird daher sein, zu zeigen, wie er es auf bürgerliche Art und ohne Häme sowie Besserwisserei schafft, die Ära von Angela Merkel zu beenden. Wie er die Leitidee einer erneuerten CDU entwickelt, ohne deren bisherigen Vertreter völlig gegen sich aufzubringen. Leicht wird das – für ihn persönlich und inhaltlich – nicht. Aber klar ist: Merz wird von der Mehrheit der Basis ins Amt getragen. Das ist sein Vorteil.

Merkel wie Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet haben für die CDU „Die Mitte“ beansprucht. Dass das in Zeiten immer schneller aufploppender Krisen für die Unions-Wählerschaft kein ausreichendes Angebot mehr war, hat das Ergebnis der Bundestagswahl gezeigt. Als Parteichef findet sich Friedrich Merz in der Opposition wieder.

Das war anders geplant – aber es muss nichts Schlechtes sein. Vorausgesetzt, er verschafft sich auch das Amt des Fraktionschefs und wird Oppositionsführer im Bundestag. Nach innen wie außen könnte Merz ein Zeichen der Stärke senden, indem er Ralph Brinkhaus den Fraktionsvorsitz wegnimmt. Merkel hat es 2002 genau so mit ihm gemacht. Auch Merz hat erklärt, er halte es „für richtig, dass Parteivorsitz und Fraktionsvorsitz in einer Hand sind“. Das Doppelamt würde ihn zum unangefochtenen Anführer der 197 Unions-Abgeordneten und zum Herausforderer von Kanzler Olaf Scholz machen. Das wäre ganz nach Merz’ Geschmack.

Der Glanz der Öffentlichkeit würde ihn allerdings nicht von der Aufgabe entbinden, die CDU als Ganzes in die Moderne zu führen. Der Bundestagswahlkampf hat gezeigt, wie gespalten die Basis und deren Vertreter sind, egal ob es um den richtigen Kandidaten, den Umgang mit der AfD oder eine Frauenquote für Parteiämter geht. Die CDU zu einen – zumal in einem Jahr mit vier Landtagswahlen –, wird Merz’, der anderen ungern Entfaltungsspielraum einräumt, größte Herausforderung.

Die überwiegend älteren und männlichen Mitglieder haben ihm zwar ins Konrad-Adenauer-Haus verholfen. Doch der weiß, dass es so, wie es jetzt ist, nicht bleiben kann. Wahl für Wahl hat die CDU Stimmen eingebüßt, weil die junge, global denkende und arbeitende Wählerschaft ihr die Gefolgschaft verweigert hat. In seiner Bewerbungsrede im November hatte Merz versucht, Hoffnung auf Veränderung zu verbreiten. Digitale Mitgliederversammlungen und eine Frau als stellvertretende Generalsekretärin, deren Amt es laut Satzung gar nicht gibt, sind aber noch keine Modernisierung. Die Drohung, in rechtsdriftenden Kreisverbänden für Parteiausschlussverfahren zu sorgen, ist bislang einzig das Recht der Mitglieder vor Ort.

Friedrich Merz wird also wohl oder übel jenen wehtun müssen, die hoffen, mit ihm kehre die CDU zurück in eine gute alte Zeit, die längst verstrichen ist. Die Zukunft wird gestaltet von Vertretern der globalisierten Informationsgesellschaft, für die Klimaschutz kein Feindbild ist und die Homoehe nichts, was diskutiert werden müsste. Merz weiß das. Ob er den Mut hat, schmerzhafte Reformen auf den Weg zu bringen, um die Partei in die Zukunft zu führen? Seine Persönlichkeit spricht dagegen – seine Intelligenz dafür.

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